Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]

Nota bene!


95-4-550
Nota bene! : Das lateinische Zitatenlexikon / von Karl Bayer. - 2. Aufl. - Zürich : Artemis & Winkler, 1994. - 576 S. ; 25 cm. - ISBN 3-7608-1092-6 : DM 98.00
[2981]
95-4-551
Veni, vidi, vici : geflügelte Worte aus dem Griechischen und Lateinischen / ausgew. und erl. von Klaus Bartels. - 9. Aufl. - Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1992. - 216 S. ; 19 cm. - Früher im Artemis-Verlag, Zürich und München. - ISBN 3-534-11920-7 : DM 29.80, DM 24.00 (für Mitglieder)
[2797]

Der Autor, ein pensionierter Schulmann, der bisher u. a. mit zweisprachigen Textausgaben hervorgetreten ist, hat ein thematisch weitgespanntes Werk vorgelegt.[1] Die Einleitung S. 7 - 8 charakterisiert den Inhalt allgemein als "ein buntes Gemenge von Geistesblitzen in lateinischer Sprache" und nennt im einzelnen "Sprichwörter", "Dicta memorabilia, jene denkwürdigen Aussprüche also von Menschen, die in der Geschichte ... etwas bedeuteten", "bildhafte Wendungen aus dem Leben des Alltags" und "die vielen Wendungen, die, oft aus dem Rechtswesen stammend, auch heute noch formelhaft verwendet werden ..., wie z. B. ad hoc, eo ipso ...". Zitat kann ja grundsätzlich alles werden, was einmal schriftlich verbreitet worden ist. Bestimmend für die Auswahl war hier letztlich wohl der Geschmack K. Bayers, der insgesamt 2700 Verse, Sätze, Wörter und Wendungen verschiedenster Art zusammengetragen hat, die ihm wert schienen, als Zitate verwendet zu werden. In diesem Sinne verspricht der Waschzettel nicht nur ein "Nachschlagewerk", sondern auch "eine wahre Fundgrube für alle, die das treffende lateinische Wort suchen".

Die einzelnen Eintragungen sind nach einem fünfteiligen Schema gegliedert: 1. laufende Nummer; 2. das Zitat in Fettdruck als Lemma; 3. Übersetzung des Zitats; 4. die Textpassage, aus der das Zitat ursprünglich stammt, mit Stellenangabe, d. h. die Quelle; 5. Übersetzung von (4); eine erläuternde Bemerkung und weitere Stellenangaben können hinzutreten. Es ist an sich lobenswert, daß die Quellenstellen mehr oder weniger ausführlich zitiert werden, um den ursprünglichen Kontext der Zitate und die eventuellen späteren Veränderungen ihres Wortlauts und Sinns aufzuzeigen. Aber wegen der zu spärlichen Erläuterungen reicht das Schema in sehr vielen Fällen nicht aus, um die Herkunft und die genaue, evtl. wechselnde Bedeutung eines Zitats wirklich klar zu machen. Beispiel: Caesars bekannter Ausspruch Alea iacta est "Der Würfel ist geworfen" (Nr. 91). Bayer gibt ausführlich die Quelle bei Sueton wieder; aber auch durch seine Klammerbemerkung "Caesar beim Überschreiten des Rubico 49 v. Chr." dürfte der welthistorische Kontext des Dictums (Eröffnung des letzten Bürgerkriegs der römischen Republik) nicht allen Lesern klar genug werden; ferner erfährt man nicht, daß Caesar den Satz in griechischer Sprache sagte, weil er seinerseits zitierte, nämlich den griechischen Komiker Menander, dessen Text genau übersetzt lautet "Der Würfel soll hochgeworfen sein"; der Sinn ist nicht "Die Entscheidung ist gefallen", sondern "Das Wagnis ist eingegangen", was Bayer nicht deutlich genug macht.

Auch sonst gibt der Autor oft nicht alle und auch nicht immer die frühesten Belege, z. T. (aber nicht nur) deshalb, weil er Griechisches nicht oft genug anführt. Zu 1941 Quid tibi vis?, 1942 Quid verbis opus est? und 2580 Verba dare wird je eine Terenz-Stelle als Quelle angeführt; es sind dies aber Allerweltsausdrücke der Komödie schon bei (dem älteren) Plautus, die in einer Zitatesammlung kaum sinnvoll scheinen. 218 "Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten" wird dem Tertullian zugeschrieben, dieser aber nennt es einen "durch den Apostel geheiligten Vers": Es handelt sich um ein griechisches geflügeltes Wort, das schon bei Menander belegt ist und von Paulus 1. Kor. 15,33 wörtlich zitiert wird. - In bizarrem Kontrast hierzu erscheint viermal Pontius Pilatus als Quelle von Worten, die ihm die Evangelisten in den Mund legen.

Schlimmer als die unzureichende Belegung und Kommentierung von Zitaten ist, daß bei etwa einem Zehntel der Nummern die Teile (4) und (5) überhaupt fehlen, d. h. diese Zitate sind völlig ohne Beleg und nicht verifizierbar! Nur ein Teil davon entfällt auf die formelhaften Wendungen wie eo ipso, ad hoc, mutatis mutandis.

Daß das Zitat im Lemma (= heutige Form) und im ursprünglichen Kontext verschieden lautet, ist normal. Manchmal sind die Unterschiede aber so irritierend, daß man gerne eine erklärende Bemerkung dazu hätte, und nicht selten regt sich der Verdacht, die Unterschiede beruhten lediglich auf Unbekümmertheit des Herausgebers oder dieser hätte gar Lemma und Quellentext falsch zugeordnet. Beispiele: 2351 Suo regina regi placet, Iuno Iovi; im Quellentext steht aber suos rex reginae placet; woher kommen die Vertauschung von rex und regina und der Zusatz Iuno Iovi? Bei 1009 haben Lemma und Quelle kein einziges Wort gemeinsam. 376 di bene vertant, tene crumenam; im Kontext findet man nur tene cruminam; die vordere Hälfte des Lemmas scheint aus 377 di bene vortant! eingedrungen zu sein. Wieso der Rest "halte den Geldbeutel" zitierwürdig sein soll, bleibt unklar. - Diese beiden Positionen 376/377 wirken wie eine Dublette[2], und davon gibt es leider noch mehr Fälle. Sapienti sat erscheint als Nr. 2157; dieselbe Quelle wie hier wird 2590 unter dem Lemma Verbum sat sapienti (übersetzt als "Dem Weisen genügt ein Wort") angegeben; die Quelle hat aber dictum statt verbum, und die Bedeutung ist "Für den Klugen ist genug gesagt". - 2006 Quod bonum felix faustumque sit; im Quellentext heißt es quod bonum faustum felix fortunatumque esset. Vgl. 2020 Quod fortunatum felix faustumque sit; im zugehörigen Quellentext quod bonum faustum felixque esset: Der Wortlaut der beiden Lemmata wirkt ebenso willkürlich wie ihre Zuordnung zu den Quellen. Natürlich gehört beides zu einer Eintragung zusammengefaßt. Dasselbe hätte z. B. bei 258/259, 1606/1851 und 1843/2394 (wo jedoch die Lemmata offenbar wenig oder gar nichts mit dem beidemale als Quelle angegebenen Paulus-Text zu tun haben) geschehen sollen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Bayer habe im Lauf der Jahre teilweise den Überblick über seine Tausende von Zetteln verloren.

Die deutschen Übersetzungen sind erfreulich in Ordnung. Bayer hat meistens auf gute moderne Übersetzungen zurückgegriffen (aufgeführt S. 573 - 575); das übrige hat er anscheinend selbst übersetzt. Wenn er auch die lateinischen Texte konsequent an modernen Ausgaben überprüft hätte, wären die unmöglichen Quellentextfassungen bei 184 und 376 (s.o.) nicht stehengeblieben.

Zur sachlichen Erschließung der alphabetisch geordneten Zitate dienen ein Stichwort- und ein Begriffs- (d. h. Schlagwort-) Register, beide nur deutsch (S. 547 - 565). Besonders willkommen ist das Quellenregister S. 567 - 571; es würde noch gewinnen, wenn die Stellen genau, d. h. nicht nur mit Verfasser und Titel, sondern auch mit Vers, Kapitel usw. angegeben würden.[3] Am Ende S. 576 steht ein knappes Literaturverzeichnis mit Nachschlagewerken zu lateinischen Redensarten, darunter die großen wissenschaftlichen Standardwerke.

Von den zu zahlreichen Druckfehlern sei nur der besonders tückische im Lemma von 711 (confidentem statt confitentem) erwähnt.

Fazit: Das Buch macht den Eindruck des wahllos und unkritisch Angehäuften, nur oberflächlich Aufbereiteten. Unklarheiten, Ungereimtheiten und Stolpersteine begegnen auf Schritt und Tritt. Es ist kein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Nachschlagewerk für Benutzer, die es genau wissen wollen, sondern eher eine Fundgrube für Leute, die ihren Reden, Essays u. ä. lateinische Glanzlichter aufstecken wollen, oder einfach ein Buch zum Schmökern. Jedoch kann es wegen seiner Materialfülle in Bibliotheken für die Beantwortung von Fragen wie "Von wem ist das Gedicht?" nützlich sein.

Ein vergleichender Blick auf Klaus Bartels' weitverbreitetes, bis zur 8. Aufl. 1990 im Artemis-Verlag erschienene Konkurrenzwerk Veni, vidi, vici zeigt ein ganz anderes Bild. Bartels beschränkt sich auf "alle die griechisch- und lateinischsprachigen Zitate ..., die heutzutage allenfalls noch als 'Geflügelte Worte' gelten können", "das einigermaßen Geläufige" (S. 5). Er bietet nur ca. 450[4] geflügelte Worte, deren Belegung und Kommentierung nun aber verglichen mit Bayer ungleich genauer und instruktiver und nicht nach einem starren Schema angelegt, sondern frei und differenziert formuliert, dabei auch für Nicht-Fachleute gut lesbar ist. In einem Anhang "Formeln und Floskeln" sind ca. 250 Ausdrücke wie ad hoc, eo ipso, confer zusammengestellt und übersetzt. Dies ist in seinem knappen Umfang ein solides, ausgereiftes Informationsmittel, das auch als wissenschaftliches Nachschlagewerk zitierbar ist. Einziges Desiderat: ein Quellenregister.

Bernd Bader


[1]
Die 1. Aufl. von 1993 hat der Rezensent nicht gesehen. (zurück)
[2]
Vgl. noch 2014 Quod di bene vortant (mit dem Zusatz "Abk.: Q.D.B.V."), 2013 quod deus bene vortat; im Quellentext beidemale nur di bene vortant; woher komt das quod? (zurück)
[3]
Neuzeitliche Inschriften (282 Holstentor in Lübeck) und Wappendevisen (425 London, 648 Paris) findet man hier allerdings nicht. (zurück)
[4]
Diese Zahl lt. S. 7; eine Durchnumerierung fehlt. (zurück)

Zurück an den Bildanfang