Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 3
[ Bestand in K10plus ]

Shopping interaktiv


95-3-445
Shopping interaktiv / Otto-Versand. - CD-ROM-Ausg. - Hamburg : Otto-Versand. - (Otto-Versand, 22179 Hamburg)
[2857]
1995,Frühj./Sommer. - DM 10.00
95-3-446
Shopping interaktiv : die Multimedia-Einkaufswelt von Quelle / Quelle-Schickedanz-AG & Co. - CD-ROM-Ausg. - Fürth : Quelle-Schickedanz-AG & Co. - (Quelle, Nürnberger Str. 91, 90762 Fürth)
[2858]
1995,Frühj./Sommer. - Best.-Nr. 812.814. - DM 10.00

Ich kaufe, also bin ich. Jeder Bundesbürger soll inzwischen im Durchschnitt 10.000 Gegenstände besitzen - von Kleidung über Elektrogeräte bis zu den völlig unnützen Dingen, die man doch kauft, obwohl man sie überhaupt nicht braucht. Die professionellen Verkäufer machen sich Gedanken, wie sie uns weiterhin zum Kaufen animieren können. Teleshopping heißt da das neue Schlagwort, mit dem Medien- und Mischwarenkonzerne die zeitweise kaufunlustige Kundschaft ködern und die Umsätze durch (computer-)spielerischen Technikeinsatz steigern wollen. Was in USA bereits ein Massenmarkt ist, schwappt jetzt auch unaufhaltsam auf Europa über und manifestiert sich in der immer enger werdenden Integration von PC und Fernsehgerät. Letzteres ist als Massenprodukt hervorragend geeignet, um über den Bildschirm in Warenhauskatalogen zu stöbern und per Knopfdruck zu bestellen - das Fernsehgerät muß hierzu eben um Funktionen des PCs erweitert werden. Der PC muß zu den bereits vorhandenen Funktionen auch noch zusätzlich fernsehen können. Nun streiten sich die Technikstrategen der großen Konzerne, welche Technologie sich massenwirksam durchsetzen wird. Die einen feiern den Sieg des PCs als Massengerät und Fernsehgeräteersatz, die anderen machen aus dem Fernseher einen PC und wollen sich dadurch ihr Massenpublikum der Fernsehzuschauer erhalten. Der Anwender kann heute zwischen dem Internet-Shopping per PC und dem Teleshopping per Btx oder Videotext mittels Fernseher wählen.

Indes hat die Industrie bereits das Endgerät der Zukunft geschaffen: den neuen Multimedia-PC mit integriertem Farbfernsehgerät, Videotext, MIDI-Sequenzer, Kalender, Fax, Telephonbuch, Anrufbeantworter, Terminkalender, Mikrophon, Software-Archiv, Lautsprecher, Mischpult, Datex-J-Anschluß, Internet-Zugang, Homebanking, Spielesammlung, Multi-CD-Player, Taschenrechner und CD-ROM-Laufwerk: all in one. Ein solches Gerät benötigt auch der Benutzer von Multimedia-CD-ROMs, wenn er sie überhaupt sinnvoll bedienen will.

Die beiden Versandhäuser Otto ("Otto find ich gut") und Quelle ("Meine Quelle") haben kurz hintereinander beschlossen, ihre pfundschweren, telephonbuchartigen Kataloge zusätzlich auf CD-ROM anzubieten. Die Möglichkeit, auf CD-ROMs neben Textinformationen auch Bilder (Abbildungen/Photos), bewegte Bilder (Videos) und Töne/Musik abzuspeichern, kommt den Versandhäusern natürlich sehr entgegen. Der Benutzer kann in der bildhaften, animiertechnisch durchgeführten Benutzerführung auswählen und bestellen. Hintergrundmusik wie sie in jedem Supermarkt aus dem Lautsprecher quillt (hier assoziiert man gerne Frank Zappa: "I'm the slime oozing out from your TV set") untermalen jede Handlung, alles riecht nach psychologischer Beratung.

Die Otto-CD-ROM bietet als Einstiegsmenü die Orientierung zwischen Damen, Wäsche, Kinder, Herren, Öko-Kollektion, Freizeit/Sport, Heim/Haushalt, High- Tech, TOP-Leistungen, Specials und Service an. Hinter jedem Menüpunkt verbergen sich Animationen mit Sprechhilfe. Beim Menü Suchen kann der Benutzer gezielt über eine Suchmaske den Anfangsbuchstaben eines Stichwortes eingeben, unter einer Artikelgruppe wählen, den Hersteller bestimmen, die Größe eingeben, das Geschlecht, die Farbe wählen und erhält dann die gesuchten Einzelartikel mit entsprechenden Informationen über das Produkt. Das Ausgewählte kann er dann mit Mausklick in einen Warenkorb legen und nach Beendigung seines Shopping-Ausfluges speichern. Im Menü Finanzierung kann er sich darüber informieren, wie er die zusammengekommene Summe begleichen will. Bestellen ist dann über ein Modem (elektronischer Bestellweg über den mitgelieferten Btx-Decoder) möglich, er kann sich die Bestellung aber auch ausdrucken lassen, um die Bestellung selbst per Telephon durchzugeben oder per Fax bzw. Brief zu versenden. Die Otto-CD-ROM ist leicht zu installieren, arbeitet schnell und hält sich überwiegend an das vom gedruckten Katalog her gewohnte Bild. Der Otto-Versand bietet technische Unterstützung für die CD-ROM-Bedienung mit Hotline an. Als Mindestvoraussetzungen für den ungestörten CD-ROM-Betrieb wird ein 486er mit mindestens 25 MHz genannt, 4 MB Hauptspeicher, 10 MB sind auf der Platte erforderlich und dazu natürlich ein CD-ROM-Laufwerk. Auf die vorhandene Betriebssystemsoftware DOS ab 4.0 und Windows ab 3.1 werden dann Video für Windows 1.1, ein BTX Decoder Modul, DLL-Dateien, Index-Dateien und das VisualBasic Runtime-System 3.0 von der CD-ROM installiert. Es ist auch möglich, das Programm direkt von der CD-ROM mit Ottokat.exe zu starten.

Quelle bietet als Auswahlmenü gesund & fit, fashion für sie, fashion für ihn, geschenkideen, haus & heim, unterhaltung nonstop, freizeit aktiv, kinder kinder? und business. Es kann auch direkt über eine Maske nach Themen und nach Namen gesucht werden. Wer ein TV-Gerät sucht, hat Pech, wer dagegen einen Fernseher sucht, bekommt alle möglichen Fernsehgeräte zur Auswahl. Vokabularkontrolle oder Verweisungen sucht man hier vergeblich, sind dies doch keine bibliothekarischen Suchsysteme! Die gefundenen Artikel kann man sich dann als Bild anzeigen lassen und - so man will - direkt in einen Merkzettel einbinden. Die fertige Bestellung kann wie bei Otto per Btx in Auftrag gegeben werden; daneben stehen wieder die Bestellmöglichkeiten Telephon, Fax, Post zur Auswahl. Quelle bietet wie Otto technischen und Beratungsservice mit Hotline. Die Quelle-CD-ROM ist im Vergleich zur Otto-CD-ROM etwas schwerfälliger und umständlicher zu bedienen. Die Installation von Quelle ist nicht ganz unbedenklich, wenn man einen nicht genügend ausgestatteten PC hat. Quelle selbst empfiehlt eine Konfiguration mit mindestens 8 MB RAM, Soundkarte und Modem, Graphik 640x480 mit 65.000 Farben. Andernfalls sieht der Anwender am Bildschirm die scheußlichsten Farbklexe. Stößt die Installationssoftware auf einen Fehler wegen technischer Unverträglichkeiten, so führt dies bei der automatischen Implementierung von QuickTime für Windows 2.0, dem Btx-Decoder Win online lite und Microsoft Video für Windows 1.1 dann zu einer weiteren Fehlerkette. Je besser der PC mit Multimediafähigkeiten ausgestattet ist, desto besser läuft die CD.

Beide CD-ROMs geben keine Auskunft darüber, welche Bestandteile der gedruckten Kataloge auf der CD vorhanden sind und nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte. Daß der Datenbestand der CD-ROMs nur eine Auswahl aus den Katalogen darstellt, kann man der Formulierung auf der Otto-CD-ROM "Über 500 zum Anschauen und Einkaufen" entnehmen. Der Quelle-Katalog Frühjahr/Sommer 1995 hat 1.369 Seiten und enthält auf S. 1366 den Hinweis auf die CD-ROM: "Erleben Sie viele Highlights aus dem riesigen Quelle-Sortiment mit der neuen CD-ROM". Ob und wann die Multimedia-Kataloge die gedruckten Kataloge voll ersetzen werden, wird sich zeigen. Es bleibt abzuwarten, wie die CD-ROM-Kataloge weiterentwickelt und verbessert werden. Sehr angenehm ist die Tatsache, daß jede CD-ROM nur DM 10.00 kostet, die dann beim Kauf auch noch angerechnet werden. Es wird vermutlich nicht viel nützen, diese Marketingstrategie und Preisgestaltung anderen CD-ROM-Produzenten zu empfehlen, insbesondere denen, deren CD-ROM-Produkte auch nur "Abfall" von gedruckten Produkten sind. Obwohl Multimedia-Entwicklungen immer noch teuer sind, beweisen Quelle und Otto Marktbewußtsein.

Die beiden Multimedia-CD-ROMs können im Hinblick auf Ausstattung, Konzept, Technik und Preisgestaltung durchaus als Vorbild für andere Produktionen dienen. Dies bedeutet nicht, daß sie nicht noch verbessert werden könnten. Der Benutzer wünscht sich noch mehr Transparenz bei der Installation (Vorabinformation "Was wird installiert?", "Welche Ausstattung braucht mein PC für die korrekte Bedienung der CD?", "Was wird wann genau installiert, wie heißt das Programm, wie heißen die Dateien, wohin werden sie auf meinem PC installiert und welche Funktion haben sie?", "Welche meiner Systemdateien werden wie verändert?") und Möglichkeiten, die vorgenommene Installation problemlos zu deinstallieren (Löschen der installierten Dateien und Verzeichnisse, Wiederherstellung der vorher veränderten Konfigurationsdateien usw.). Hier sollten sich die Hersteller noch viel mehr Mühe geben als bisher.

Bernhard Hefele


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