Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 3
[ Bestand in K10plus ]

Multilingual lexicon of higher education


95-3-444
Multilingual lexicon of higher education / CEPES, UNESCO European Centre for Higher Education. Ed.-in-chief: Adrian Nicolescu. - München [u.a.] : Saur. - ISBN 3-598-10883-4 (set)
[2529]
Vol. 1. Western Europe and North America. - 1993. - XIX, 346 S. ; 25 cm. - ISBN 3-598-11058-8 : DM 148.00

Die Internationalisierung des Bildungswesens hat in den letzten Jahren, nicht zuletzt infolge der neuen Dynamik der Europäischen Integration, erheblich zugenommen. Will man sich aber - sei es als Forscher oder als Mitarbeiter der Bildungsverwaltung - über andere Bildungssysteme informieren und versteht die Sprache(n) des jeweiligen Landes nicht, ist man meist gezwungen, auf Darstellungen in Deutsch oder einer lingua franca wie Englisch zurückzugreifen. Erfahrungsgemäß geht bei der Darstellung in einer anderen Sprache aber vieles von der Wirklichkeit des jeweiligen nationalen Systems, die sich nicht zuletzt in der spezifischen Terminologie niederschlägt, verloren. Umso begrüßenswerter ist das Konzept des vorliegenden Bandes, von dem man nur hoffen kann, daß es Schule macht.

In 20 Länderkapiteln ist in jeweils neun Sachgruppen (Das System als Ganzes, Einrichtungen und ihre Strukturen, Verwaltungsgremien, Lehrpersonal, Studenten, Zugang und Zulassung, Lehre und Studium, Prüfungswesen, Abschlüsse) die Fachterminologie des Hochschulbereichs (Eigennamen - inklusive deren Abkürzungen - und Sachbegriffe) in der/den Landessprache(n) verzeichnet. Jeder Eintrag wird durch einen kurzen englischen Anmerkungstext erläutert; dabei haben die Verfasser versucht, die Erläuterungen durch Hinweise auf andere Begriffe innerhalb des gleichen Landes "systemimmanent" zu gestalten, statt - wie es leider häufig der Fall ist - die im englischen oder amerikanischen Hochschulwesen benutzten Termini als Äquivalente einzusetzen.

Insgesamt sind 4101 Termini aufgeführt, die sich unterschiedlich auf die behandelten Länder verteilen. Die im Durchschnitt 205 Einträge pro Land streuen von 496 (Großbritannien) bis 46 (Island). Laut Vorwort ist dies u. a. dadurch bedingt, daß der Rücklauf der Erhebungsbögen unterschiedlich war; andererseits basiert diese Streuung auf den nationalen Gegebenheiten, wie etwa auf der unterschiedlichen Entwicklung und Ausdifferenzierung der einzelnen Hochschulsysteme; auch die Unterschiede zwischen zentralisierten und dezentralisierten Systemen kommen hierin zum Ausdruck. Eine Durchsicht des Länderkapitels Deutschland hat ergeben, daß kein wichtiger für das Hochschulsystem kennzeichnender Terminus fehlt. (Dies bezieht sich auf die Strukturen des Systems; studienfach- und forschungsdisziplinbezogene Einträge gibt es nicht, dies ist allerdings auch weder Anspruch noch Zweck des Werks.) Soweit dem Rezensenten eine Beurteilung möglich ist, läßt sich festhalten, daß in der Regel für alle Länder die zur Beschreibung des Systems nötigen Bezeichnungen umfassend verzeichnet sind.

Den 20 Länderkapiteln folgt ein alphabetisches Register aller Abkürzungen (vorwiegend Eigennamen von Körperschaften und Bezeichnungen für Abschlüsse) und eine Auswahlbibliographie. In einem country index werden die in den einzelnen Länderkapiteln sachlich geordneten Begriffe für jedes Land alphabetisch zusammengestellt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, daß einzelne Benutzer bestimmte Termini möglicherweise in einer anderen als der von den Verfassern gewählten Sachgruppe suchen.

Sehr ärgerlich ist jedoch, daß ein Gesamtregister aller verzeichneten Termini, das auch ein Nachschlagen über Ländergrenzen hinweg ermöglichen würde, fehlt; sind doch entsprechende Recherchen (etwa die Frage danach, in welchem Land beispielsweise ein bestimmtes französisches Wort benutzt wird oder welchen Begriffsinhalt und -umfang es in einzelnen Ländern repräsentiert) nachgerade diejenigen, für die man zu einem als multilingual bezeichneten Werk greifen würde. Es bleibt zu hoffen, daß diese höchst beklagenswerte Lücke im zweiten Band (Eastern and Southeastern Europe and Israel), der noch für 1995 angekündigt ist - geschlossen wird. Nachgerade dazu beglückwünschen muß man die Autoren dagegen, daß sie nicht der naheliegenden Versuchung erlegen sind, die Bezeichnungen aus einzelnen Ländern in einem "internationalen Thesaurus" sachlich zusammenzuführen, würde doch gerade dadurch der Gewinn verspielt, den die Anlage des Werkes bedeutet, nämlich der Betonung, daß jedes System anders und etwas Eigenständiges ist.

Nicht nachvollziehbar ist auch, was die Verfasser unter Western Europe verstehen. Geographisch kann diese Bezeichnung nicht gemeint sein, denn das behandelte Finnland beispielsweise liegt bedeutend weiter östlich als die nicht berücksichtigte Tschechische Republik. Auch auf die frühere Unterteilung Europas nach politischen Systemen kann sich die Einteilung nicht beziehen, denn das unter diesem Gesichtspunkt "westliche" Griechenland fehlt.

Unverständlich ist auch, warum zwar für Belgien oder Kanada die beiden im Hochschulwesen vertretenen Amtssprachen aufgeführt werden, nicht aber beispielsweise für Finnland. In diesem Land ist Schwedisch nicht nur zweite Amtssprache, sondern es gibt auch eine nicht unerhebliche Anzahl von schwedischen Hochschulen. Auch wenn sich aufgrund Jahrhunderte währender Herrschaftsverhältnisse das finnische Hochschulsystem aus dem früher in diesem Land bestehenden schwedischen entwickelt hat, kann dennoch kaum davon ausgegangen werden, daß sich auch heute noch die im Länderkapitel Schweden aufgeführten Termini ohne weiteres vollständig auf die schwedischen Hochschulen in Finnland übertragen lassen.

Insgesamt läßt sich zu dem Band sagen: Das, was er enthält, ist gut, die Terminologie ist für die jeweiligen Länder, soweit so etwas überhaupt möglich ist, vollständig, und die Erläuterungen sind sachgerecht und präzise; sie beziehen sogar die historisch gewachsenen Veränderungen in der Verwendung einzelner Bezeichnungen ein. Insbesondere gewinnt man durch die systemimmanenten Verweisungen der Termini aufeinander ein Bild davon, was ein bestimmter Begriff in der Gesamtheit des Systems bedeutet.

Selbst wenn man auf ein Gesamtregister aller Termini noch warten (oder hoffen) muß, kann der Erwerb des vorliegenden ersten Bandes sowohl den wissenschaftlichen Universalbibliotheken als auch denen solcher Institutionen, die sich mit vergleichender Bildungsforschung oder internationaler Bildungszusammenarbeit (insbesondere, wo es um die gegenseitige Anerkennung von Berechtigungen geht) befassen, und - last but not least - Fachübersetzern empfohlen werden.

Ulrich Schäfer


Zurück an den Bildanfang