Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 2
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Lexicon topographicum urbis Romae


95-2-274
Lexicon topographicum urbis Romae / a cura di Eva Margareta Steinby. - Roma : Quasar
[2511]
Vol. 1. A - C. - 2. ed. - 1993. - 479 S. ; 31 cm. - ISBN 88-7097-019-1 : Lit. 240.000
95-2-275
A new topographical dictionary of ancient Rome / L. Richardson. - Baltimore [u.a.] : Johns Hopkins University Press, 1992. - XXXIV, 458 S. ; 29 cm. - ISBN 0-8018-4300-6 : $ 78.00
[1796]

Die Liste der Bücher zur Topographie des antiken Rom ist jüngst um zwei interessante Neuerscheinungen verlängert worden. Zum einen erschien 1992 als Ergebnis einer mehr als zehnjährigen Arbeit das New topographical dictionary of ancient Rome von L. Richardson, jr und zum anderen kam 1993 der erste Band eines auf insgesamt fünf Bände (4 Textbände und ein Index- und Bibliographieband) angelegten Lexicon topographicum urbis Romae heraus, zu dem 73 Mitarbeiter - vorwiegend aus Italien - unter der Leitung von Eva Margareta Steinby Artikel beigesteuert haben.

Trotz identischer Thematik bleibt das Gemeinsame beider Werke auf einige wenige Aspekte begrenzt: Nach Anspruch und Anlage verstehen sich beide als Nachfolger des Topographical dictionary of ancient Rome von Samuel B. Platner und Thomas Ashby,[1] also eines anerkannten Standardwerkes in diesem Bereich.[2] Ferner bedienen sich beide Nachschlagewerke derselben Vorgehensweise für die alphabetische Ordnung: Überreste sakraler Bauwerke findet man z.B. hier wie dort unter der dazugehörigen Gottheit bzw. verehrten Person, also etwa die Ara pacis Augustae unter Pax Augusta, ara usw. Die Abfolge der Einträge ist infolgedessen direkt und leicht vergleichbar. Beide geben darüber hinaus am Ende der Einträge Literaturhinweise, z.T. in einer Kurzform, die mittels der jeweils beigefügten Bibliographie aufgelöst werden kann, oder mit vollständigen Angaben bzw. unter Verwendung gebräuchlicher Abkürzungen. Allerdings verzichtet das Dictionary insbesondere bei kürzeren Artikeln völlig auf bibliographische Angaben, was seinen Wert als Hilfsmittel und die Überprüfbarkeit der Inhalte nicht unerheblich beeinträchtigt. Hier liegt der erste wichtige Unterschied.

Ein weiterer hängt mit der zeitlichen Eingrenzung der Thematik zusammen, obwohl beide Werke als Obergrenze den Eintritt der Stadt Rom ins Mittelalter, etwa die Zeit um 600, angeben. Hierbei sind bei Richardson allerdings die frühchristlichen Bauwerke im Anschluß an Platner/Ashby ausgelassen, während es das Lexicon als eines seiner Ziele formuliert hat, die Grenzen zwischen klassischer und christlicher Archäologie zu überwinden.[3]

Im direkten Vergleich der Inhalte ergeben sich dann freilich noch mehr Differenzen, bei deren Bewertung man aber nicht vergessen darf, daß das Dictionary mit 434 Seiten, die noch um ein zehnseitiges Glossar und eine knappe Chronologie der römischen Baugeschichte erweitert sind, abgeschlossen ist. Das Lexicon belegt dagegen nur 100 Seiten weniger allein für die Artikel von A bis C - und bietet auf weiteren 140 Seiten bibliographische Hinweise und reichliches Bildmaterial - Photos, Pläne, Skizzen, Rekonstruktionen usw.[4] Es versteht sich daher von selbst, daß die ganz überwiegend italienisch verfaßten Beiträge (einige wenige sind englisch, französisch oder deutsch) im Lexicon ausführlicher sein können.

Aber das erklärt die Unterschiede nur sehr formal und äußerlich. Es wird vor allem auch deutlich, daß sich für das Lexicon die derzeitige Prominenz zur topographischen und archäologischen Forschung des alten Rom zusammengefunden hat. Insbesondere da, wo Kapazitäten wie Coarelli, Palombi oder Torelli selbst Beiträge geschrieben haben, treten qualitative Vorzüge des Lexicon deutlich hervor. Dann nämlich spiegelt das Lexicon viel eher den aktuellen Forschungsstand als das Dictionary, wobei nicht allein die fachliche Kompetenz der Mitarbeiter des Lexicon ins Gewicht fällt.[5] Auch die grundsätzlich breiter angelegte Diskussion aller relevanten Quellengattungen zu einem Begriff wirkt sich letztlich vorteilhaft aus. Mögen sich auf den ersten Blick die Einträge im Dictionary auch leichter überfliegen lassen, den besseren Einstieg in die Forschung erlaubt zweifellos das Lexicon, ganz besonders dann, wenn Lage, Zuordnung und Gestalt von Monumenten schwer bestimmbar und deshalb gründlicher zu diskutieren sind.[6]

Auch unter dem Aspekt der Aktualität bleibt das Dictionary hinter dem Lexicon zurück, wie ein Vergleich der Artikel zur Basilica Hilariana zeigt. Hier liegen seit einigen Jahren die Ergebnisse der Forschungen von Carignani, Gabucci u.a. vor, die die bisherige Kenntnis dieses Bauwerkes erheblich verbessert haben. Daß die entsprechenden Ergebnisse im Lexicon enthalten, im Dictionary dagegen kaum angedeutet werden, dürfte wohl kaum befriedigend damit erklärt sein, daß letzteres ein Jahr vor dem Lexicon publiziert wurde, denn immerhin zitiert Richardson eine Veröffentlichung der o.g. Archäologen von 1990.[7] Die Literaturauswahl im Lexicon ist vielmehr durchweg aktueller. Bedenkt man außerdem noch, daß für den fünften Band dieses Werkes eine bibliografia generale vorgesehen ist, dann wird der Interessent mit dem Lexicon auch hierin besser bedient.

Zusammengefaßt: Stand der Forschung, Präzision der Angaben, Informationsgehalt, Hinweise auf Quellen und Einstiegsmöglichkeiten für weitere Recherchen sind im Lexikon höher zu bewerten. Gegenüber Platner/Ashby nimmt es sich zudem deutlich selbständiger aus als das Dictionary, dessen Artikel zwar alle neu verfaßt wurden, sich aber doch z. T. noch eng an die Vorbilder bei Platner/Ashby anlehnen. Das Lexicon darf deshalb als neues Standardwerk für die altrömische Topographie angesehen werden, zu dessen Niveau es derzeit keine Konkurrenz gibt. Für Richardson und seine mühevolle Arbeit ist es dagegen fast tragisch, daß das Dictionary kurz nach seinem Erscheinen schon wieder überholt ist. Es kann sich zwar mit anderen Nachschlagewerken zum Thema - nicht zuletzt mit Platner/Ashby - messen und vorhandene Literatur zu diesem Themenbereich sinnvoll ergänzen,[8] aber keine Alternative zum Lexicon sein.

Joachim Migl


[1]
A topographical dictionary of ancient Rome. - London : Oxford University Press, 1929. - XXIII, 608 S. : Ill. - Reprints erschienen: London 1950 und Roma 1965. (zurück)
[2]
Es muß den Leser der Vorworte deshalb doch verwundern, daß beide Unternehmungen offensichtlich ohne Kenntnis des jeweils anderen Projektes betrieben wurden; Hinweise auf ein parallel entstehendes Werk gibt es jedenfalls bei keinem der beiden, was um so erstaunlicher ist, als einer der Berater von Richardson, Fred S. Kleiner, zugleich Autor am Lexicon topographicum ist. Daß Ferdinando Castagnoli ebenfalls mit einer Neubearbeitung des Platner/Ashby befaßt war, ist allgemein bekannt gewesen, aber daß er - wie Richardson mitteilt - noch vor seinem Tode 1988 die Arbeit an dem neu entstehenden Lexikon unvollendet zur Seite gelegt, und an seiner Stelle nun Richardson sein Buch der Topographie des alten Rom in Angriff genommen hatte, muß den Herausgebern des Lexicon verborgen geblieben sein; sie nehmen an, Castagnoli habe bis zum Schluß selbst noch an seinem Plan gearbeitet und sei "chino sul manoscritto" verstorben. - Eine mehr als 1100 Seiten umfassende Sammlung seiner Aufsätze zur antiken Topographie liegen inzwischen vor, ergänzt um eine Personalbibliographie (Bd. 1., S. IX - XVI) : Topografia antica : un metodo di studio / Ferdinando Castagnoli. - Roma : Istituto Poligrafico e Zecca dello Stato, 1993. - Vol. 1 - 2. - 27 cm. - ISBN 88-240-0394-X : Lit. 230.000. (zurück)
[3]
Es gibt daher im Lexicon zahlreiche Lemmata, die im Dictionary fehlen, wie Arcus Iohannis Basilii, Basilidis; SS. Cyrus et Iohannes; Arcus portae Salariae etc. (zurück)
[4]
Die Qualität mancher Abbildungen läßt allerdings bedauerlicherweise zu wünschen übrig, so daß das folgende, in mehreren Auflagen erschienene Werk sicher nicht ersetzt wird, was allerdings auch nicht das Ziel des Lexicon war: Pictorial dictionary of ancient Rome / Ernest Nash. - London, 1961 - 1962. - Vol. 1 - 2; - 2., rev. ed. - London, 1968. - Reprint. - New York, 1981. - Deutsche Ausg. u.d.T.: Bildlexikon zur Topographie des antiken Rom. - Tübingen : Wasmuth, 1961 - 1962. - Bd. 1 - 2. (zurück)
[5]
Nur ein Beispiel: Im Lexicon bringt Coarelli zum Stichwort Arcus Tiberii (Forum) gute Gründe vor, die gängige Ansicht zur Lage dieses nicht erhaltenen Monumentes zu revidieren, während Richardson nur sehr knapp eben diese referiert. (zurück)
[6]
Einige Stichwörter, bei denen die Überlegenheit des Lexicon besonders augenfällig wird: Athenäum, Arcus Pompei, Balneum Phoebis, Atria septem. (zurück)
[7]
Der Name beim Literaturhinweis ist von Corignani in Carignani zu verbessern. Auf denselben Aufsatz verweist auch das Lexicon. Die unterschiedliche Zitierweise erklärt sich dadurch, daß Band 10 von Archeologia laziale (Lexicon) innerhalb der Schriftenreihe Quaderni di archeologia etrusco-italica als Bd. 19 (Dictionary) erschienen ist. (zurück)
[8]
Z.B. Topografia di Roma antica / Ferdinando Castagnoli. - 2. ed. - Torino : S.E.I., 1980. - VIII, 119 S. : Ill. - (Manuali universitari). - Rom : ein archäologischer Führer / Filippo Coarelli. - 4. Aufl. - Freiburg [u.a.] : Herder, 1975. - 357 S. (zurück)

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