Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 2
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Der große Kulturfahrplan


95-2-269
Der große Kulturfahrplan : die wichtigsten Daten der Weltgeschichte ; Politik, Kunst, Religion, Wirtschaft / Werner Stein. - [Aktualisierte Neuaufl. bis 1.1.1993]. - München : Herbig, 1993. - 1980 S. ; 25 cm. - ISBN 3-7766-1798-5 : DM 93.00
[1905]
95-2-270
Weltgeschichte in einem Griff : vergleichende Zeittafeln von der Urzeit bis in die Gegenwart / Kurt M. Jung. - Fortgeschriebene Ausg. - Frankfurt am Main ; Berlin : Ullstein, 1994. - 1478 S. ; 25 cm. - ISBN 3-550-07250-3 : DM 49.50
[2267]
95-2-271
Chronik des 20. Jahrhunderts. [CD-ROM-Ausgabe] : mit Personenlexikon ; mit Grafik und Ton. - Gütersloh : Bertelsmann-Lexikon-Verlag ; München : Bertelsmann Electronic Publishing, 1993. - 1 CD-ROM + Begleitbuch (44 S.). - (BEE-BOOK). - ISBN 3-570-11006-0 : DM 240.00
[2268]

Die vorliegende Neuauflage des Großen Kulturfahrplans, auch einfach als Stein zitiert, ist bis zu den Ereignissen des Jahres 1992 aktualisiert worden. Wie auch in den 9 Vorauflagen gibt es einen chronologischen Hauptteil, beginnend vor 20 Millionen Jahren, der in synoptischer Weise Ereignisse aus allen Bereichen des menschlichen Lebens von der Politik über die schönen Künste, die Naturwissenschaften, die Geisteswissenschaften, bis hin zu den Dingen des täglichen Lebens in einer Tabelle darstellt. Im Anhang befinden sich die Abschnitte Leben in Zahlen, Ordnung der menschlichen Erkenntnis nach Lebensbereichen, Wissensgebieten, Gegenständen und Methoden[1] und zuletzt ein kombiniertes Personen- und Sachregister, ohne das dieses Nachschlagewerk mit seiner unüberschaubaren Zahl von Ereignissen kaum zu benutzen wäre.

Sinn und Zweck macht eine derartige historische Synopse eigentlich nur, um "... vor Besuch eines Theaterstückes mit wenigen Blicken das kulturelle und politische "Klima" seiner Entstehungszeit zu erfassen" (Vorwort). An diesem Punkt sei auf ein besonderes Charakteristikum des Stein hingewiesen: In der gesamten Tabelle werden keine Zeitangaben gemacht. Wollte man z.B. wissen, wann Albert Einstein gestorben ist oder wann die EXPO 92 in Sevilla von König Juan Carlos eröffnet wurde, führt das Register zu keinem genauen Datum sondern lediglich zum Jahr, und man ist gezwungen, alle in diesem Jahr aufgeführten Ereignisse durchzusuchen. Das heißt, daß bestimmte Fragen nach Daten "Wann war was" sich mit dem Stein in dieser Form nicht beantworten lassen.

Neben dem traditionsreichen Großen Kulturfahrplan gibt es eine ähnliche Publikation von Kurt M. Jung aus dem Ullstein-Verlag. Die Weltgeschichte in einem Griff liegt jetzt nach der Erstauflage 1986 in einer fortgeschriebenen und erweiterten Neuauflage 1994 vor. Der Zusatz zum Sachtitel - "vergleichende Zeittafeln von der Urzeit bis in die Gegenwart" - belegt bereits auf den ersten Blick die Verwandtschaft zu der synoptischen Darstellung des Großen Kulturfahrplans. Auch der Umfang (Stein 1980 S., Jung 1371 S.) deutet auf große Gemeinsamkeiten hin. Man könnte jetzt darüber streiten, ob es wichtiger ist, mit der Darstellung der Weltgeschichte vor 20 Millionen Jahren (Stein) oder vor 5 - 1 Millionen Jahren (Jung) zu beginnen. Bedingt durch das etwas spätere Erscheinen seines Werkes ist der Berichtsstand beim Jung Ende 1993 statt Anfang 1993 beim Stein. Aufbau und Struktur sind nahezu identisch, d.h. durchgehende synoptische Darstellung, erschlossen durch gute Personen- und Sachregister. Inhaltlich wartet Jung jedoch mit Besonderheiten auf. Z.B. finden sich häufiger genaue Zeitangaben mit Nennung zumindest des Monats oder sogar des Tages (so fast durchgehend bei Ereignissen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts). Dazu kommen Schwarz-weiß-Abbildungen und die Hervorhebung wichtiger Ereignisse, Begriffe oder Daten in Fettschrift. Beides trägt zu einer größeren Übersichtlichkeit des Jung gegenüber dem Stein bei. Bei einer Stichprobe kommt man zu dem Schluß, daß Jung versucht hat, aus möglichst unterschiedlichen Bereichen möglichst viele Informationen, auch Hintergrundinformationen, zusammenzutragen. Im Vergleich zum Stein leidet darunter aber die Informationstiefe. So findet man bei einem Vergleich der Zeiträume ab 1700 v.Chr. in beiden Chroniken, daß sich der Stein fast ausschließlich auf Informationen zur hellenistischen Epoche beschränkt, während Jung versucht, auch über andere frühe Hochkulturen, z.B. die indische oder die keltische, zu informieren. Die unterschiedliche Zielrichtung beider Chroniken erweist sich schon am Umfang der in einem Jahr stattgefundenen Ereignisse: Jung bietet für das Jahr 1905 nur 2 Seiten, Stein dagegen deren 4; auch fehlen bei Jung im Gegensatz zum Stein statistische Zahlenreihen; letzterer berücksichtigt auch mehr Personen, d.h. auch unbekanntere, während Stein weniger Personen berücksichtigt, dafür zu jeder aber mehr Informationen bietet. Die Weltgeschichte in einem Griff ist oftmals eher interpretierend als rein darstellend und geht selten so in die Tiefe wie der Große Kulturfahrplan. Somit haben beide Titel ihre Bedeutung für eine öffentliche Bibliothek und können sich, wenn es der Etat zuläßt, sinnvoll ergänzen. - Bei beiden Publikationen stellt sich allerdings die Frage nach der laufenden Aktualisierung, und das insbesondere nach dem Tod von Werner Stein 1993.

In den letzten Jahren hat sich zu der konsequent synoptischen Darstellung eine weitere Form von Chroniken hinzugesellt. Die große Chronik des 20. Jahrhunderts war nur der Anfang einer ganzen Reihe von Chroniken aus dem Harenberg-Verlag, der diese Produkte inzwischen an den Bertelsmann-Verlag abgegeben hat. Kennzeichen dieser Chroniken[2] ist die sehr populäre und benutzerfreundliche Darstellung mit vielen Abbildungen, Photographien und Graphiken. Die gesamte Aufmachung, unabhängig davon ob es sich um eine der vielen Jahreschroniken oder um eine Fachchronik handelt, erinnert stark an Zeitungsseiten. Natürlich sind auch diese Publikationen mit guten, umfassenden Registern ausgestattet, so daß die systematische Suche nach einem bestimmten Sachzusammenhang möglich ist. Inhaltlich wird auch hier eine immense Stoffülle verarbeitet, doch muß - zur Unterscheidung von Stein und Jung - darauf hingewiesen werden, daß der Harenberg-Verlag erst in den letzten zwei Jahren verstärkt daran arbeitet, den Verzeichniszeitraum über das 20. Jahrhundert hinaus in die Vergangenheit hinein auszudehnen.

Diese Entwicklung findet seit kurzem ihre Fortführung durch das Angebot einer Chronik des 20. Jahrhunderts in Form einer multimedialen CD-ROM-Publikation als BeeBook (Bertelsmann encyclopedic electronic book). Dabei handelt es sich um nichts anderes als um die multimediale CD-ROM-Ausgabe der Chronik des 20. Jahrhunderts, des Harenberg Personenlexikon 20. Jahrhundert, der Chronik des Sports und der Harenberg Schlüsseldaten 20. Jahrhundert. Schon anhand dieses inhaltlichen Umfanges ist die CD-ROM nicht nur eine technische Neuentwicklung des Verlages, sondern auch eine inhaltliche Erweiterung gegenüber den entsprechenden Druckausgaben. Was die Aktualität angeht, fällt zumindest der Vergleich zwischen der gedruckten Ausgabe und dem elektronischen Jahreskalender der CD-ROM-Ausgabe zugunsten der ersteren aus, da diese um ein halbes Jahr - bis Mitte 1993 - aktueller ist. In der gesamten Datenbank finden sich aber dennoch in einzelnen Kategorien, wie z.B. Personenlexikon und Regierungswechsel, Fakten mit Bezug auf 1993. Ursache dieses nicht eindeutig feststellbaren Berichtsstandes sind die oben erwähnten unterschiedlichen Quellen.

Die technischen Anforderungen sind die für solche multimedialen Daten-banken üblichen, d.h. Betriebssystem Windows, Graphikkarte mit hoher Farbauflösung (möglichst 256 Farben), Soundkarte und mindestens 4 MB Speicherplatz. Im Zuge der rasanten technischen Entwicklung gerade im Bereich der CD-ROM-Datenbanken kann man den Umfang der hier vorhande-nen multimedialen Elemente nur als normal und nicht etwa als revolutionär bezeichnen. Von den 5500 biographischen Einträgen sind 1230 mit einem Photo ausgestattet. Die Photographien können leider nicht mit ausgedruckt oder abgespeichert werden und kommen auch nur bei den Biographien vor; auch Tabellen finden sich nur in der Sparte Statistik: hier zeigt sich der nagative Effekt der weiter unten erläuterten Zerstückelung von Informationen in der CD-ROM-Ausgabe gegenüber der Druckausgabe. Graphiken fehlen ganz. Interessant sind die 75 Tonaufnahmen von Personen mit einem biographischen Artikel. Es handelt sich dabei um Originalaufnahmen; bei ausländischen Persönlichkeiten wurden möglichst entweder deutschsprachige Radioberichte von Staatsbesuchen oder Reden mit Übersetzung ins Deutsche ausgewählt.

Die graphische Benutzeroberfläche ermöglicht den ersten Sucheinstieg ohne weitere Kenntnis der Bedienungsanleitung. Jeder Benutzer sieht relativ schnell, daß er sich zwischen einer thematisch unabhängigen Recherche durch Anklicken einer Jahreszahl oder einer themengebundenen Recherche, in der erst im zweiten Schritt die zeitliche Eingrenzung möglich ist, entscheiden muß. Folgende Themen sind durch Anklicken eines icons aufrufbar: Buchneuerscheinungen, Filme, Uraufführungen, Regierungen, Kriege und Krisenherde, Personenlexikon, Statistiken, Wetter und Sport. Von den einzelnen Einträgen wird zum Teil über farbige Hervorhebung oder spezielle Zeichen auf einen zusätzlichen Eintrag verwiesen. Einen weiteren Suchweg bieten die Felder Index, womit die Stichwortsuche in den Themenüberschriften gemeint ist,[3] und Suchen, eine durch Bool'sche Operatoren unterstützte Recherche, sowohl im Gesamttext als auch in einzelnen Eintragsüberschriften. Vor allem an dieser Stelle zeigt sich der Vorteil der kombinierten Recherche gegenüber dem eindimensionalen Zugriff in der gedruckten Ausgabe. Für diesen mehrdimensionalen Recherchezugriff bedarf es bereits eines genauen Studiums des Bedienungshandbuches. Neben den bekannten Bool'schen Operatoren kann auch mit Platzhaltern bzw. Trunkierung gearbeitet werden, um dadurch die Trefferzahl zu reduzieren bzw. zu erweitern. Die Anzeigeformate - z.B. Anzeigetexte verkleinern oder Schriftbild ändern - sind nicht veränderbar. Man hat jedoch die Möglichkeit, von Tag zu Tag, Monat zu Monat oder von Jahr zu Jahr zu blättern, ohne eine neue Suchanfrage starten zu müssen. Zudem gehen die bisher erfolgten Recherchen - maximal die letzten 40 - nicht verloren, sondern können durch das Aufrufen der Funktion Bisher an jeder beliebigen Stelle der Recherche wieder aktiviert werden.

Die Ausgabe der Ergebnisse über Drucker ist grundsätzlich zufriedenstellend. Nur ist es - wie schon oben erwähnt - leider nicht möglich, die in der Datenbank enthaltenen Portraits mit zu übernehmen. Der Export der Daten auf Diskette ist ebenso problemlos wie auch eingeschränkt. Das elektronische Nachschlagewerk ermöglicht dem Benutzer einen individuellen Umgang mit den Ergebnistexten. Dazu gehört die Funktion Anmerken, d.h., einem recherchierten Artikel eigene Informationen hinzuzufügen, und das Lesezeichen, einer Softwarekomponente, durch die der Benutzer bestimmte Artikel mit Lesezeichen versehen und somit jederzeit schnell wiederfinden kann.

Der Wortlaut des Handbuches ist, abgesehen von einigen zusätzlichen Erläuterungsbeispielen, nahezu identisch mit dem Text der Online-Hilfe, so daß sich der Benutzer entsprechend seines Interesses und seiner Gewohnheit der einen oder anderen Form der Hilfestellung bedienen kann.

Selbstverständlich stehen bei beiden Publikationsformen Ereignisse des 20. Jahrhunderts im Vordergrund. Trotzdem finden sich im Vergleich beider Publikationsformen große Unterschiede, die sich sowohl durch die Quellenvielfalt der CD-ROM-Ausgabe als auch durch die technischen Möglichkeiten einer CD-ROM-Datenbank im allgemeinen erklären lassen. Multimedia-Lexika ermöglichen einen mehrdimensionalen Zugriff auf die Inhalte, weil sie "... das enthaltene Wissen in zugriffsfähigen Informationshäppchen anbieten".[4] Auf den ersten Blick sehen somit einzelne Beiträge relativ "mager" aus, aber bei einer korrekten Recherche in allen relevanten Indizes ist es möglich, sich diese "Informationshäppchen" zu einem Gesamtbild zusammenzustellen. Dies setzt natürlich eine genau überlegte Suchstrategie voraus und nicht eine Suche nach dem Zufallsprinzip, zu der die gedruckten Chroniken aufgrund ihrer zeitungsähnlichen Aufmachung verleiten. Auch diese Tatsache hat Gödert mit einer Bewertung auf den Punkt gebracht. Eine mehrdimensionale Recherche "... punktualisiert die enthaltenen Informationen", z.B. durch die Recherche im Index Kriege/Krisenherde, Regierungen, Fakten, Personenlexikon etc. Grundsätzlich unterscheiden sich die Inhalte beider Publikationsformen nicht, es ist also nur die Technik, durch die verschiedene Formen der Nutzung ermöglicht werden.

Zur Zeit üben CD-ROM-Enzyklopädien und -Lexika auf alle Anwender noch einen faszinierenden Reiz aufgrund ihrer multimedialen Elemente aus. Aber durch die umfangreiche Werbemaschinerie und die rasante technische Entwicklung auf diesem Gebiet steigen bei den Anwendern die Erwartungen an CD-ROM-Datenbanken. Meist zeigt sich die wahre Qualität eines solchen Nachschlagewerkes erst, nachdem der erste Spieltrieb und die besagte Faszination nachgelassen haben. Auch die Technik kann dann nicht mehr darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei den Chroniken nicht um solch umfangreiche Darstellungen handelt, wie bei den oben beschriebenen Synopsen, sondern eher um ein ausschnittartiges Zeitarchiv. Das bedeutet aber nicht, daß diese Chroniken für allgemeine, populäre Auskünfte, nach dem Motto "was war in welchem Jahr", nicht einzusetzen wären. Sie haben ihren Stellenwert für öffentliche Bibliotheken genauso wie die etwas wissenschaftlicher aufgemachten Werke von Stein und Jung. Den Einsatz einer solchen zeitgeschichtlich Datenbank könnte man sich besonders gut im Bereich der Schul- und Jugendbibliotheken vorstellen.

Der Preis der CD-ROM-Datenbank ist auf den ersten Blick relativ hoch. Man muß jedoch berücksichtigen, daß sich die Inhalte von vier gedruckten Publikationen in ihr wiederfinden, die zusammengenommen denselben Preis ergeben.

Silke Tychsen


[1]
Der Autor versucht, mit dieser Tabelle "... die Zusammengehörigkeit, ... Einheitlichkeit allen menschlichen Erkennens und Wissens..." darzustellen (S. 1833). Hier zeigt sich, wie sehr das Zusammenstellen des Kulturfahrplans für den Autor zu einer umfassenden Lebensaufgabe mit philosophischem Charakter geworden war. (zurück)
[2]
Im Harenberg-Verlag sind mittlerweile, wie eine Recherche an der DNB-CD-ROM 1986 ff. ergab, 83 Chroniktitel erschienen, darunter eine Chronik des 19. Jahrhunderts und diverse Spezialchroniken. Hinzu kommen noch ähnlich Chroniken wie z.B. Das Kulturtagebuch. - Gütersloh, 1978 oder Unser Jahrhundert im Bild. - Gütersloh, 1984. (zurück)
[3]
Hier stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, im Index unter der Sparte Kriege und Krisenherde (nach Themen) zu recherchieren, da einem kaum die genauen Bezeichnungen bekannt sein wird, wie z.B. Gewalt regiert Nordirland oder Rassenunruhen in Südafrika, zumal über den Index nur das erste Wort der Überschrift suchbar ist. (zurück)
[4]
Multimedia-Enzyklopädien auf CD-ROM : eine vergleichende Analyse von Allgemeinenzyklopädien / Winfried Gödert. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1994. - 125 S. : Ill. ; 24 cm. - (Informationsmittel für Bibliotheken : Beiheft ; 1), hier S. 11. - Vgl. IFB 95-2-182. (zurück)

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