Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 2
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Medien in Deutschland


95-2-211
Medien in Deutschland / Heinz Pürer ; Johannes Raabe. - München : Ölschläger. - 20 cm. - (UVK, Universitätsverlag Konstanz, Postfach 102051, 78420 Konstanz)
[2670]
Bd. 1. Presse. - 1. Aufl. - 1994. - 569 S. - ISBN 3-88295-202-4 : DM 48.00

In der Fülle der laufend publizierten Spezialliteratur über Massenmedien in Deutschland fällt das Fehlen groß angelegter Einführungen und Überblicke auf wissenschaftlichem Niveau seit längerem auf. Das tägliche Geschäft des Lehr- und Wissenschaftsbetriebes läuft offensichtlich der Arbeit an umfangreichen Darstellungen entgegen, die als einheitlich konzipierte, umfassende Lehrbücher für den wissenschaftlichen Unterricht und zur allgemeinen Information geeignet wären. Um so mehr ist dem Münchner Universitäts-Professor Heinz Pürer zu danken, daß er zusammen mit Johannes Raabe die Aufgabe bewältigt hat, den ersten Teil eines zweibändigen Werkes über die Massenmedien in Deutschland fertig zu stellen; auf den von einem anderen Autorenteam verfaßten zweiten Teil - über die elektronischen Medien - müssen wir allerdings noch warten.

Die beiden Verfasser gehen ihre Aufgabe in einer Kombination aus historischer und systematischer Darstellung an. Sie gliedern das Buch in mehrere selbständige Abschnitte, die sich zwar aufeinander beziehen, aber in den Einzelheiten nicht aufeinander abgestimmt sind und auch nicht aufeinander verweisen, sondern nur über ein ausführliches Register miteinander verzahnt sind. Auch wenn man versucht ist, die verschiedenen Kapitel den einzelnen Autoren zuzuweisen, so wirkt das Buch doch einheitlich und aus einem Guß, wozu nicht zuletzt der gut lesbare und flüssig formulierte Text beiträgt. Um so ärgerlicher wirken gelegentliche kleinere Ungenauigkeiten, Widersprüche und Flüchtigkeitsfehler, die den auf exakte Details bedachten Leser irritieren müssen.[1]

Das Buch beginnt mit 60 Seiten Pressegeschichte bis 1933, danach folgen 30 Seiten zur Presse im Nationalsozialismus, 17 Seiten zur Lizenzpresse bis 1949, dann 210 Seiten zur Presse in der Bundesrepublik bis 1990, zwei Kapitel zur Presse in der DDR mit 56 Seiten bis zur Wende und 33 Seiten bis zur Wiedervereinigung, danach 70 Seiten zur Presse nach 1990 und noch ein kurzer, abschließender Ausblick. Es folgen ein Literatur- und Quellenverzeichnis, ein Tabellenverzeichnis und ein ausführliches Personen- und Sachregister. Anmerkungen und Belege sind jeweils den einzelnen Kapiteln nachgestellt, sie dienen der Verifikation und erleichtern weitere Literaturstudien. Wie erwähnt, sind alle Kapitel nicht nur historisch gearbeitet, sondern enthalten jeweils systematische Abhandlungen zu Strukturfragen und zu Einzelthemen. So finden sich schon im ersten Kapitel grundsätzliche Bemerkungen zur Definition von Zeitung und Zeitschrift und eine zeitübergreifende Abhandlung zur "Pressefreiheit". Insbesondere im umfangreichen Kapitel über die Presse in der BRD wird so mit Abhandlungen zu wirtschaftlichen Grundlagen, zur Nutzung, zur Betriebswirtschaft und zum Presserecht verfahren. Besonders hervorzuheben ist das Kapitel über die Presse der "alten" DDR, das erstmals unter voller Kenntnis der Quellen aus westdeutscher Sicht eine umfassende, systematische Beschreibung von Funktion und Struktur der DDR-Presse bietet. Die ostdeutsche Presse des Übergangs wird gleichfalls ausführlich in ihren Veränderungen und Besonderheiten beschrieben. Es fällt auf, daß sich auch das Kapitel zur Presse nach 1990 i.w. der ostdeutschen Presse widmet, da dort die entscheidenden Veränderungen stattfinden, während die Strukturänderungen der westdeutschen Presse unauffälliger sind. Lediglich hier und im Ausblick-Kapitel kommen grundsätzlichere Fragen der übergreifenden Medienkonzentration, der Europäisierung und der veränderten Medienkonkurrenz zur Sprache. Berufsfragen des Pressejournalismus werden ausführlicher nur im historischen ersten Kapitel und im DDR-Kapitel behandelt, ähnliche Ausführungen hätte man sich auch für das BRD-Kapitel gewünscht, zumal hier einige Vorarbeiten vorliegen. Man darf sich also eine Überarbeitung wünschen, die die Kapitel noch besser aufeinander abstimmt und einige Flüchtigkeiten beseitigt.

Dennoch ist diesem Handbuch über die deutsche Presse auch in der vorliegenden ersten Auflage zu bescheinigen, daß es seinem Anspruch als grundlegendes Lehr- und Informationsbuch voll gerecht wird. Nicht nur Hochschulbibliotheken, sondern alle Bibliotheken bis hin zur größeren Zweigstelle sollten diesen Band und den hoffentlich bald folgenden über die elektronischen Medien bereitstellen (auch wenn die Titelaufnahme Schwierigkeiten bereitet). Eine weite Verbreitung und weitere bearbeitete Neuauflagen sind dem Werk gern zu wünschen.

Wilbert Ubbens


[1]
Z. B. im Kapitel Presse- und Journalismusgeschichte (bis 1933), S. 22: "Gegen Ende des 19.Jahrhunderts entstanden auch die ersten großen Pressekonzerne, von denen Mosse, Ullstein (später Springer) und Scherl (später im Besitz Hugenbergs) die wichtigsten waren." Schon genauer S. 29: "Der Ullstein-Verlag entwickelte sich zu einem der größten Presseimperien Europas, ehe er 1934 vom nationalsozialistischen Regime übernommen wurde. Die Familie Ullstein war jüdischer Herkunft und fiel daher unter die von den Nationalsozialisten betriebene Ausschaltung 'jüdischer Elemente'. Der 1952 neu gegründete Ullstein Verlag wurde später von Axel C. Springer übernommen." Genauere Informationen zu 1934 folgen im Kapitel Presse im Nationalsozialismus (1933 bis 1945) auf S. 82, im Kapitel Presse in der Bundesrepublik Deutschland fehlen dagegen jegliche Hinweise zur Neugründung und zur Übernahme von Ullstein durch Springer. (zurück)

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