Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 2
[ Bestand in K10plus ]

Die nordostniedersächsische Tagespresse


95-2-178
Die nordostniedersächsische Tagespresse : von den Anfängen bis 1945 ; ein Handbuch / Peter Stein. [Hrsg. vom Landschaftsverband der Ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden e.V. und dem Verein "Regionale Kulturförderung im Ehemaligen Fürstentum Lüneburg"]. - Stade, 1994. - 511 S. ; 25 cm. - (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der Ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden ; 6). - Enth. S. 363 - 485: Bibliographie der Zeitungen. - ISBN 3-9801919-5-8 : DM 48.00. - (Landschaftsverband ..., Im Johanniskloster, 21682 Stade)
[2678]

Die Arbeit von Peter Stein nennt sich nicht nur Handbuch, sie ist es in der Tat auch - entgegen so mancher schnell gezimmerten Publikation dieser Art oder Möchtegern-Bibliographie. Man kann es auch anders sagen: Dieses 511 Seiten umfassende Buch mutet wie ein unvorstellbares Wunder in dürrer pressebibliographischer Landschaft an. Es hält, was es verspricht und dies ohne hochgestochenes Beiwerk. Es ist aus den Quellen gearbeitet, die erst einmal ermittelt und dokumentiert werden mußten, ist gründlich und gewissenhaft bis ins Detail und arbeitet so ein kleines Stück deutscher Zeitungslandschaft vorbildlich auf. Wo gibt es dergleichen in unserer gegenwärtigen Wissenschaftspublizistik?!

Doch im einzelnen: Peter Stein hat in acht Jahren die Heimatpresse Nordostniedersachsens, d.i. im wesentlichen der heutige Regierungsbezirk Lüneburg, bis zum Erscheinungsjahr 1945 in Bibliotheken, Archiven, Museen sowie Druckerei- und Verlagsarchiven aufgespürt und sie bibliographisch-dokumentarisch erfaßt. Diese Basisarbeit - von "unten her" - hat es möglich gemacht, 52 Zeitungsorte (Druck- und Verlagsorte) mit insgesamt 346 Presseorganen topographisch darzustellen. Die meisten dieser Orte sind hier zum ersten Mal pressehistorisch abgehandelt.

Das Handbuch wird mit einer umfangreichen Gesamtdarstellung der Druck- und Zeitungsgeschichte der Region eingeleitet, die die Ergebnisse der zweiten Abteilung - der lokalen Recherchen - in den gesellschaftlichen und politischen Zusammenhang stellt. Die Topographie, die naturgemäß den weitaus größeren Teil der Arbeit ausmacht, ist nach gleichbleibenden Standards aufgebaut und macht so Vergleiche auf lokaler Ebene leicht; aber auch die historische Darstellung wieder durchsichtig und nachvollziehbar. Zu den dokumentarischen Standards gehören - unterhalb des regierenden Zeitungserscheinungsorts - Angaben zum Ort (Verwaltung, Einwohner, Wirtschaft), eine quellenorientierte Darstellung des Pressewesens und schließlich ein Literaturverzeichnis. Abbildungen von Zeitungsköpfen ergänzen die einzelnen Abhandlungen.

Die Bibliographie der nordostniedersächsischen Tagespresse von den Anfängen bis 1945, die den dritten Teil des Handbuchs bildet, macht deutlich, mit welcher Akribie Peter Stein vorgegangen ist. Es ist dies auch jene Abteilung, die den Bibliothekar immer wieder brennend interessiert. Unterhalb des Erscheinungsorts werden hier die ermittelten Titel in der Folge ihres Gründungsdatums aufgeführt und zwar nach dem jüngsten Titel. Die historischen Namen werden in eine der nachgestellten Kategorien verwiesen. Die präzisen Lebensdaten werden genannt, sofern ermittelbar, es folgen Angaben über Haupt- und Nebenausgaben, über Erscheinungsweise, über Titelwechsel und Untertitel, Verleger, Beilagen und Jubiläumsausgaben, nicht zu vergessen die Kategorie Bestandsnachweise, in der weithin unbekannte Funde, auch Einzelnummern, zusammengetragen wurden. Diese Angaben sind so genau wie möglich gehalten, versehen mit Tagesdaten, Mikrofilmkennzeichnung, Lückenhinweisen etc. 75 Fundorte, zumeist in der Region, konnten ermittelt werden. Im Anhang befinden sich ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Register, das auf die Zeitungstitel (wichtig für die nur kategorial erfaßten historischen Titel) und auf Namen, Sachen und Orte hinführt.

Bei der Benutzung des bibliographischen Teils erweist sich die Entscheidung, nur den jüngsten Titel des Zeitungsunternehmens als bibliographisch relevant anzusetzen und die historischen Namen in der Kategorie T zu benennen, als problematisch. Günstiger wäre sicherlich gewesen, entweder alle Titel in alphabetischer Folge zu dokumentieren und auf das Unternehmen, wo alle Namen angezeigt wären, zu verweisen oder aber das Unternehmen als historischen Komplex mit allen Titeln nacheinander darzustellen. Als störend muß sich auch bei schneller Nutzung des Werkes - ohne Konsultation der Erläuterungen - erweisen, daß bei den Erscheinungsdaten die Abfolge Jahr/Monat/Tag gewählt wurde. Was mag der hastige Benutzer lesen, der bei der Norddeutschen Volksstimme (Nr. 46) als Gründungsdatum feststellt: 1890. 04.06? Hierzulande liest man anders. Aber das sind Randbemerkungen, die den so überaus positiven Gesamteindruck nicht beeinflussen.

Es steht zu befürchten, daß dieses Handbuch aufgrund seiner regionalen Eingrenzung nicht die Verbreitung finden wird, die es verdient. Wer kennt schon jenseits der niedersächsischen Landesgrenzen die Region Nordostniedersachsen? Eine historisch übergreifende Titelfassung mit regionaler Eingrenzung im Untertitel wäre publizistisch wie verlegerisch wirksamer gewesen. Wer vor Nordostniedersachsen "zurückschreckt", dem sei gesagt, daß es sich hier um ein richtungsweisendes Standardwerk handelt.

Gert Hagelweide


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