Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
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Romantik-Handbuch


95-1-081
Romantik-Handbuch / hrsg. von Helmut Schanze. - Stuttgart : Kröner, 1994. - XXIV, 802 S. ; 18 cm. - ISBN 3-520-83101-5 : DM 98.00
[2629]

Der Verlag Kröner erweitert mit diesem Band seine literaturgeschichtliche Handbuch-Reihe, deren Themen bisher nur Autoren (Shakespeare, R. Wagner, T. Mann) gewesen sind, zum ersten Mal auf eine Epoche. Der griffige Titel gibt nicht gleich zu erkennen, daß es sich - trotz der komparatistischen Perspektive - um ein Handbuch zur deutschen Romantik handelt. Das Romantik-Handbuch gliedert sich in vier Teile: 1. Zeitkontext - Einflüsse und Wirkungen, 2. Literarische Formen, 3. Künste und Wissenschaften, 4. Bio-Bibliographien.

Der erste Teil beschreibt - nach einem kurzen Blick auf die politische Situation - die Phasen der Romantik von der frühen Jenenser über die Heidelberger Hoch- zur Wiener und Münchener Spätromantik, schildert die Auseinandersetzung der Romantik mit der Aufklärung, stellt die europäischen Einflüsse (Calderón, Shakespeare, englische Vorromantik usw.) sowie Bezüge zwischen deutscher und europäischer Romantik heraus und rekonstruiert die Romantikkritik sowie die Forschungsgeschichte.

Der zweite Teil ist den "literarischen Formen" gewidmet (Roman, Novelle, Märchen, Drama, Lyrik und dem für die Romantik charakteristischen Fragment, dem der Aphorismus zugeordnet wird), behandelt unter dieser Überschrift aber auch die Grundbegriffe Ironie, Symbol/Allegorie und Mythologie.

Im dritten Teil werden die Interferenzen von Literatur, anderen Künsten, Politik, Gesellschaftstheorie, Historiographie (unter Einschluß der Mittelalter- und Europa-Vorstellungen), Theologie, Psychologie und Naturwissenschaften erörtert. Haben doch gerade diese Interferenzen die Romantik recht eigentlich konstituiert. Vorzüglich in diesem Zusammenhang etwa die Ausführungen zum Einheitsgedanken in der romantischen Naturwissenschaft, zum neuen Krankheitsbild der Medizin usw. (S. 606 ff.) - Von besonderem Reiz sind mehrere wirkungsgeschichtliche Passagen. So ist z. B. im Abschnitt "Die Bedeutung der Frauen für die romantische Gruppenbildung" (S. 528 ff.) auch vom "enthusiastischen Hochpreis der romantischen Frauen als Leitbilder von Women's Lib und Studentenrevolte am Ende der sechziger Jahre" die Rede. Die Schreibung Autor/Innen (z. B. S. 615 und S. 617) verläßt dagegen das vorzügliche philologische Niveau, das den Band ansonsten durchweg kennzeichnet.[1]

Den einzelnen Kapiteln sind Bibliographien beigegeben. Sie verzeichnen selbständig und unselbständig erschienene Forschungsliteratur in sorgfältiger Auswahl und zeichnen sich durch große Aktualität aus; man stößt immer wieder auf einschlägige Titel aus dem Jahre 1993. - Alle bibliographischen Partien des Bandes weisen Petit-Satz auf. Man muß das als Preis für die Handlichkeit des Buches in Kauf nehmen.

Den vierten und letzten Teil bildet eine Bio-Bibliographie Romantische Lebensläufe von knapp 200 Seiten. Sie beschränkt sich auf Literaten. Die Biographien sind sorgfältig recherchiert und auf dem Stande der Forschung. Fragliches ist im Text als solches gekennzeichnet. Die Bibliographien der Artikel sind nur subjektive Personalbibliographien, wieder einschließlich wichtiger unselbständig erschienener Quellenpublikationen. Leider fehlt die personenbezogene Forschungsliteratur - ein Manko, das bei einer Neuauflage behoben werden sollte. So findet sich Bonaventura endlich richtig unter Klingemann, aber man sucht vergeblich nach den Forschungsarbeiten, in denen erst jüngst der endgültige Nachweis der Identität geführt worden ist.

Was hier auf knapp 800 Seiten geboten wird, ist ein imponierendes Panorama der Romantik, von gleich fundamentaler Bedeutung für Forschung und Lehre.

Hans-Albrecht Koch


[1]
Man ist versucht, zur Sache wieder einmal an folgenden Aufsatz aus der Feder einer Sprachwissenschaftlerin zu erinnern: "Neutrale" Männer - "markierte" Frauen : Feminismus und Sprachwissenschaft / Miorita Ulrich. // In: Sprachwissenschaft. - 13 (1988),4, S. 383 - 399. (zurück)

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