Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
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Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450 - 1600)


95-1-073
Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450 - 1600) : ihr Leben und Werk / hrsg. von Stephan Füssel. - Berlin : Erich Schmidt, 1993. - 680 S. ; 23 cm. - ISBN 3-503-03040-9 : DM 238.00
[2320]

Die von Benno von Wiese im Verlag E. Schmidt begründete ungezählte Reihe Deutsche Dichter, ihr Leben und Werk hat Generationen von Studenten der Literaturwissenschaft als wichtiges Orientierungsinstrument begleitet. Mit diesem Band greift die Reihe in die bisher nicht berücksichtigten Zeiten des 15. und 16. Jahrhunderts zurück und faßt die Spezialforschung, die auf diesen Feldern in den letzten zwei Jahrzehnten an Extensität und Intensität beträchtlich zugenommen hat, dem Konzept der Reihe entsprechend für ein weiteres Fachpublikum zusammen.

Es werden Leben und Werk von 36 frühneuzeitlichen Autoren vorgestellt, darunter solche, deren Bedeutung die Forschung erst in letzter Zeit erschlossen hat oder zu denen wesentlich Neues zu sagen ist, wie z. B. Johannes Turmair, gen. Aventinus, oder Hermann Bote. Es ist dem Herausgeber gelungen, die Beiträge an hervorragende Gelehrte zu vergeben, die nicht nur zu den einzelnen Autoren vorzüglich lesbare biographische Porträts und Werkanalysen verfaßt haben, sondern immer auch die weiteren Zusammenhänge in den Blick rücken: mit Schule und Universität, Bildender Kunst, Technik, Verfassung oder Theologie. Nur beispielhaft seien die Studien von F. J. Worstbrock und N. Henkel zu den Übersetzern Niklas von Wyle und Heinrich Steinhöwel, von D. Wuttke zu Conrad Celtis, W. Kühlmann zu Johann Fischart und von K. Löcher zu Dürer genannt.

Der Herausgeber S. Füssel bietet in einer "Kontinuität und Umbruch : die Literaturentwicklung von 1450 bis 1600" überschriebenen Einleitung mit wenigen scharfen Strichen eine Skizze der wichtigsten Kennzeichen der Epoche und der vordringlichsten Probleme der Forschung (Einfluß des Buchdrucks auf die Rezeption von Literatur; Zweisprachigkeit und literarische Mischformen im Kontext zeitgenössischer publizistischer Auseinandersetzungen, Entstehung des Romans u. v. a. m.). So liegt hier ein höchst brauchbares Lehr- und Studienbuch vor, das zugleich den Charakter eines Nachschlagewerkes aufweist, da alle Beiträge sorgfältige Bibliographien der Quellen und der neueren Forschungsliteratur einschließen.

Die prinzipiell biographische Grundkonzeption folgt nicht einem überholten Modell, sondern bietet gerade für den akademischen Unterricht den Vorzug, die frühneuzeitliche Literatur in quellennaher Arbeit zu vermitteln - wenigstens am Beispiel der Autoren, zu denen ausgewählte Texte in den Ausgaben des Reclam-Verlags greifbar sind. Wie zu hören ist, steht es um diesen Teil der Reclamschen Universal-Bibliothek geschäftlich nicht zum besten. So bedauert man angesichts des bei Studenten durchaus zu weckenden Interesses an frühneuzeitlicher Literatur, daß die Bibliographien des hier vorgestellten Sammelbandes nur auf die großen Werkausgaben, nicht jedoch auf die (einstweilen noch und hoffentlich auch künftig) leicht greifbaren Reclam-Ausgaben mit ihrem wissenschaftlichen Apparat verweisen. Daß hier ein wünschenswerter Synergieeffekt verschenkt worden ist, ist der einzige Wermutstropfen bei der Anzeige des gelungenen Unternehmens.

Hans-Albrecht Koch


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