Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
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Lexikon deutsch-jüdischer Autoren


95-1-059
Lexikon deutsch-jüdischer Autoren / Archiv Bibliographia Judaica. Red. Leitung: Renate Heuer. Unter Mitarb. von: Andrea Boelke-Fabian ... - München [u.a.] : Saur. - 25 cm. - ISBN 3-598-22680-2 (Gesamtwerk)
[1460]
Bd. 1. A - Benc. - 1992. - XXXIV, 488 S. - ISBN 3-598-22681-0 : DM 228.00
Bd. 2. Bend - Bins. - 1993. - XLIII, 474 S. - ISBN 3-598-22682-9 : DM 228.00
Bd. 3. Birk - Braun. - 1995. - XLVI, 457 S. - ISBN 3-598-22683-7 : DM 228.00

Das seit 1966 mit Unterstützung der DFG auf Grund der Bestände des Archivs Bibliographia Judaica[1] in Frankfurt mit seinen ca. 65.000 gespeicherten Informationen zu erarbeitende Lexikon deutsch-jüdischer Autoren versteht sich als biobibliographisches Auswahlverzeichnis. Wieviele Autoren es letztendlich sein werden, ist nicht zu erfahren und auch die Angabe des Verlages, das Werk werde ca. 14 Bände (zuzüglich 2 Registerbände) umfassen, dürfte einen sehr ungefähren Wert darstellen, wenn man berücksichtigt, daß die bisher erschienenen 3 Bände erst 282 Personenartikel enthalten und dabei noch nicht einmal den Buchstaben B abschließen.[2] Diese relative Unsicherheit über die Zahl der zu berücksichtigenden Personen hängt in erster Linie mit den nicht gerade stringenten Auswahlkriterien zusammen. Eindeutig sind nur die beiden ersten: 1. Berücksichtigt werden Autoren, die sich der deutschen Sprache bedient haben, also unabhängig von dem Land ihrer Geburt und ihres Aufenthalts; dies bedeutet, daß nicht nur selbstverständlich Autoren aus Österreich und der deutschsprachigen Schweiz aufgenommen werden, sondern daß sehr zahlreiche aus den östlichen Nachbarländern des Deutschen Reiches und Österreichs stammende Berücksichtigung finden. 2. Behandelt wird die Epoche ab Moses Mendelsson, also ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Generation, die vor dem Holocaust zu publizieren begann. Viel problematischer sind die beiden folgenden Auswahlkriterien: 3. Die ursprünglich vorgesehene Begrenzung auf belletristische Autoren wurde fallengelassen zugunsten eines weiten Schriftstellerbegriffs, allerdings mit Schwerpunkt bei den Geisteswissenschaften, während z.B. Juristen und Mediziner (wiederum mit gewissen Ausnahmen) nicht berücksichtigt werden bzw. "aus den Gebieten Musik und Kunst nur Musik- und Kunstgeschichte" Eingang fanden (Bd. 1, S. VIII), was nicht der Erwähnung bedürfte, da das unter die zuvor genannten Geisteswissenschaften fällt. Noch problematischer, obwohl offensichtlich ein Hauptanliegen dieses Verzeichnisses, ist die Stellung der Autoren zum Judentum bzw. ihre Rolle bei der Vermittlung zwischen jüdischer und deutscher Kultur. Es führt zu nichts, über diese Auswahlkriterien zu rechten: man wird bei der Suche nach Informationen über jüdische Autoren hier nachschlagen, in der Hoffnung fündig zu werden, denn die mitgeteilten Informationen sind außerordentlich reichhaltig.

Sie sind nach folgendem Schema gegliedert: 1. Biographisches: Name, Titel, Beruf, Pseudonym(e); Geburts- und Todesdaten/orte; Glaubenszugehörigkeit (jüdisch, mosaisch, israelitisch, evangelisch bzw. katholisch getauft, Austritt aus dem Judentum, ohne Konfession); Genealogisches (Eltern, Ehepartner, Lebensgefährten, Kinder jeweils mit Lebensdaten, Berufen, Konfession etc.); Ausbildung; Lebensstationen; Freundeskreis; politisches bzw. zionistisches Engagement; Stellung zum Judentum; 2. Bibliographisches: journalistische Tätigkeit, Mitarbeit an Zeitungen und Zeitschriften (deren Titel genannt sind); Aufsätze, zumeist in Auswahl; Nachlässe, Autographen, Briefe; Sekundärliteratur; Material im Archiv Bibliographia Judaica mit Hinweisen auf eine geplante Mikrofiche-Edition[3] und ein geplantes Biographisches Handbuch;[4] Werke (d.h. Monographien) vollständig oder in Auswahl, chronologisch und durchnumeriert. Die Präsentation ist vor allem in den langen bibliographischen Abschnitten überaus unübersichtlich, was die Benutzung unnötig erschwert; dazu kommt, daß es von Abkürzungen nur so wimmelt, darunter viele völlig unnötige, die auch keinen Platz sparen; wenn man Platz hätte sparen wollen, dann bei den bibliographischen Angaben: so ist es z.B. unsinnig, das Format der Bücher in der Form 23,3 x 16,5 cm anzugeben (so zumeist, es kommen auch Formen wie 21 cm oder gr 8ø vor); Standardisierung der bibliographischen Beschreibung ist sowieso nicht die Stärke dieser Bibliographie. Zu prüfen wäre auch, ob sich nicht dadurch Platz sparen ließe, daß in den Fällen, in denen zureichende Personalbibliographien bereits vorliegen, nur auf diese verwiesen wird. Auch die zahlreich eingestreuten Zitate sind vielfach nicht so wichtig, daß sich der Abdruck lohnte.[5]

Wie gesagt: wenn man Biobibliographisches zu einem jüdischen Autor sucht und dieser im Lexikon ... behandelt wird, hat man Glück und findet umfangreiche, wenngleich wenig übersichtlich dargebotene Informationen. Trotzdem würde es nicht schaden, wenn die Herausgeber Konzeption, Auswahlkriterien und Präsentation noch einmal überdenken würden, bevor der DFG und dem Verlag der notwendige lange Atem möglicherweise ausgeht; auch die Nutzer würden es danken, denn wenn die Publikation weiterhin so langsam voranschreitet, werden sie bis weit ins nächste Jahrtausend auf die Fertigstellung dieses Autorenlexikons warten müssen, dem eine Verschlankung gut anstünde.

sh


[1]
Über Geschichte, Aufgaben, Bestände, Arbeitsvorhaben oder gar Publikationen dieser sicherlich selbst in der interessierten Öffentlichkeit nicht sehr bekannten Institution erfährt man aus dem Vorwort leider nichts oder allenfalls Andeutungen. Etwas ausführlicher aber keineswegs umfassend äußert sich dazu die Leiterin Renate Heuer in einem früheren Nachschlagewerk, das unverständlicherweise im Vorwort gleichfalls nicht erwähnt wird:
Bibliographia Judaica : Verzeichnis jüdischer Autoren deutscher Sprache / bearb. von Renate Heuer. - Frankfurt : Campus-Verlag, 1981 - 1988. - Bd. 1 - 3. - ISBN 3-593-33060-1 (Gesamtwerk). - Bd. 1 im Verlag Kraus International Publ., München, erschienen. - ISBN 3-601-00347-3. "Die Ergebnisse der bisherigen Arbeit weist dieser Katalog aus" (Vorw. Bd. 1, S. VII), der in Tabellenform folgende Angaben zu ca. 13.500 deutschsprachigen jüdischen Autoren macht: Name, Titel, Beruf; Geburts/Todesdaten und -orte; das Sigel W (Werke) bzw. Z (Zeitschriftenbeiträge) gibt an, ob solche bisher ermittelt wurden, mit unterscheidenden Markierungen, ob nach Autopsie oder aus zweiter Hand.
Ein in Bd. 3 angekündigter Erg.-Bd. 4 steht bis heute aus; "er wird in Kürze erscheinen, er enthält nur Korrekturen, Ergänzungen und ein Pseudonymenverzeichnis" (Brief der Leiterin des Archivs Bibliographia Judaica an den Rezensenten vom 09.02.1994).
Demselben Brief und freundlicherweise beigelegten Informationen ist zu entnehmen, daß das Archiv, seit 1983 ein eingetragener Verein, zum Institut für Deutsche Sprache und Literatur II der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main gehört und "daß es für Benutzer geöffnet ist und schriftliche Auskünfte erteilt - beides gegen Gebühren." Die Anschrift: Große Seestr. 32 - 34, 60486 Frankfurt, Tel. 069/7988573. (zurück)
[2]
Legt man den Lemmabestand von Walks Kurzbiographien zur Geschichte der Juden (IFB 95-1-061) einer Hochrechnung zugrunde, so müßte das Lexikon ca. 28 Bd. umfassen. (zurück)
[3]
Die Mikrofiche-Edition gilt der Sammlung Steininger; was der Name bedeutet, verschweigt das Vorwort. Einem inzwischen erschienenen Verlagsprospekt ist zu entnehmen, daß es sich um die von Carl Steininger in Dresden gesammelten Zeitungsexzerpte mit Kritiken und Berichten zu Personen aus allen Gebieten der Kunst handelt. "Eine erste Auswahl aus dieser wertvollen, bisher unveröffentlichten einmaligen Sammlung wird durch die Mikrofiche-Edition jetzt zugänglich." Der Prospekt nennt als Titel: Dokumentation zur jüdischen Kultur in Deutschland 1840 - 1940 : die Zeitungsausschnittsammlung Steininger. - [Geplant für] 1995. - 3 Lfg. auf ca. 160 Fiches. - ISBN 3-598-33310-2 (Diazo) : DM 3980.00. (zurück)
[4]
Was es mit dem Biographischen Handbuch auf sich hat, an dem "gleichzeitig gearbeitet wird", erfährt man nicht aus dem Vorwort, sondern nur, daß es "vor allem ... Bände 'Schriftsteller' und 'Judentum'" haben wird. (Bd. 1, S. IX). Dem zitierten Brief ist weiterhin zu entnehmen, daß noch kein Band erschienen ist, da eine Einigung mit dem Verlag über die Konzeption noch aussteht. "Es ist daran gedacht, diese Handbücher auch nach Themen anzulegen, etwa eins den jüdischen Bildenden Künstlern zu widmen, das dann die Mikrofiche-Edition sinnvoll ergänzen könnte." (zurück)
[5]
"Der vorl' Band enthält Vorarbeiten ... u' Forschungen d' Theorie u' Praxis d' Individualpsychol' u' hat d' Aufgabe, durch eine Reihe von älteren u' neueren Arbeiten d' Weg zu unserer Wissenschaft zu erweisen." (Bd. 1, S. 29, aus dem Vorwort zu A. Adlers Praxis und Theorie der Individualpsychologie, zugleich zitiert als Beispiel für die Abkürzungsmanie. (zurück)

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