Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

TV-Filmlexikon


94-3/4-504
TV-Filmlexikon : Regisseure, Autoren, Dramaturgen 1952 - 1992 / Egon Netenjakob. - Orig.-Ausg. - Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1994. - 518 S. ; 19 cm. - ([Fischer-Taschenbuch] ; 11947). - ISBN 3-596-11947-2 : DM 29.90
[2368]

Die sperrige Titelformulierung deutet schon an, daß das Lexikon einen medialen Übergangsbereich erschließt: "Fernsehfilme" oder "Fernsehspiele" heißen gewöhnlich die von den Fernsehanstalten produzierten fiktionalen Beiträge, denen auch eine eigene Ästhetik und Dramaturgie nachgesagt wird; "Filme" oder "Spielfilme" heißen dagegen die für den Vorführort "Kino" produzierten fiktionalen Unterhaltungen, die erst in den letzten Jahren zum Standardrepertoire des Fernsehprogramms geworden sind. Ob der primäre Vorführort "Kinoleinwand" resp. "Fernsehbildschirm" nun eine je spezifische Ästhetik und künstlerische Gattung bedingt, mag dahingestellt bleiben (Netenjakob lehnt dies jedenfalls ab), die Verbindung ist aber nicht nur durch die wechselseitigen Vorführplätze gegeben, sondern auch durch Finanzierung und Produktion. Viele Spielfilme wurden von Fernsehanstalten (mit)finanziert und (mit)produziert, aber zunächst im Kino aufgeführt und erst danach im Fernsehen gezeigt. Andere Filme sind nur im Fernsehen gezeigt worden, wieder andere nur im Kino (oder auch nur auf dem Videogerät). Insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland wurden aufgrund des Film-Fernsehabkommens von 1974 in großem Umfang Filme produziert, die dem Publikum primär als Kinofilme in Erinnerung sind, aber doch "eigentlich" Fernsehfilme waren. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nahmen und nehmen auf diese Weise wesentlichen Anteil an der deutschen Filmproduktion.

Diesen Übergangsbereich "Spielfilm/Fernsehspiel" macht der Filmjournalist Netenjakob zum Gegenstand seines Personenlexikons: Er informiert über das künstlerische Personal, das diese Produktionen in den Fernsehanstalten gestaltet und verantwortet hat, über Regisseure, Drehbuchautoren und Dramaturgen. Geographisch beschränkt er sich auf die Bundesrepublik Deutschland ohne DDR, aber mit Österreich und Schweiz. In mehr als 300 Artikeln skizziert er knapp Leben und Werk der Personen, bewertet es mit Zitaten und eigenen Urteilen und dokumentiert es filmographisch mit mehr als 5.000 Filmtiteln. Gelegentlich lockert er mit Filmbildern den zweispaltigen Satzspiegel auf. Für die Auswahl der Personen berücksichtigt Netenjakob vornehmlich Langfilme (keine Serien) und umfangreiche Oeuvre (keine Einzelarbeiten), entscheidet also nach Kriterien, die ältere Autoren und Spielfilme gegenüber jüngeren Autoren und Serienstücken bevorzugen. Die Charakterisierungen und Wertungen sind kompetent und folgen eigenen Urteilen, sie beruhen auf einem umfangreichen Videoarchiv, auf den Veröffentlichungen der Fernsehanstalten und auf Pressekritiken. Kleinere sprachliche Unebenheiten, einige ins Leere gehende Verweisungen und vermißte Personenartikel sind bei einem originär erarbeiteten Lexikon, das mit einem vorgegebenen Raum auskommen mußte, wohl unvermeidlich und fallen auch nicht ernstlich ins Gewicht. Ein Titelregister aller erwähnten Filme verweist auf die Personen-Artikel, in denen die Filme mit ihren Produktionsjahren notiert sind. Dies ist deshalb erwähnenswert, weil sich auf diese Weise leicht der Zugang zu den von Achim Klünder im Deutschen Rundfunkarchiv herausgegebenen und nach Jahren resp. Jahresgruppen gegliederten Verzeichnis Fernsehspiele resp. Lexikon der Fernsehspiele erschließt.[1] Dort sind seit 1952 alle Fernsehspiele der ARD und seit 1973 alle Fernsehspiele von ARD, ZDF, ORF, SRG und Fernsehen der DDR mit allen Vorspann-Angaben und ergänzenden Daten, aber ohne Inhaltsangaben oder kritische Hinweise dokumentiert. Beide Nachschlagewerke können aufeinander bezogen werden: Netenjakob bietet die zusammenfassenden, kritischen Personenartikel, während Klünder die filmographischen Angaben komplettiert. Netenjakobs TV-Filmlexikon bietet den Vorteil der leichten Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit für ein breites Publikum: Ihm ist die Propagierung und Erschließung eines weithin vernachlässigten Gebiets deutschsprachigen kulturellen Schaffens zu danken.

Wilbert Ubbens


[1]
Fernsehspiele in der ARD 1952 - 1972 / zsgest. und bearb. von Achim Klünder und Hans-Wilhelm Lavies. - Frankfurt : Deutsches Rundfunkarchiv, 1978. - Bd. 1 - 2. - (Bild- und Tonträger-Verzeichnisse ; 11). - Die Fernsehspiele 1973 - 1977 / zsgest. und bearb. von Achim Klünder. - Frankfurt : Deutsches Rundfunkarchiv, 1986. - Bd. 1 - 2. - (Bild- und Tonträgerverzeichnisse ; 15). - Lexikon der Fersehspiele 1978 - 1987 / zsgest. und bearb. von Achim Klünder. - München [u.a.] : Saur, 1991. - Bd. 1 - 3. - (Bild- und Tonträgerverzeichnisse ; 20). - Lexikon der Fernsehspiele 1988 / zsgest. und bearb. von Achim Klünder. - München [u.a.] : Saur, 1991. - (Bild- und Tonträgerverzeichnisse ; 21). - Seither in Jahresbänden, zuletzt 1992 (1994). - (... ; 25). - ISBN 3-598-11189-4 : DM 148.00. (zurück)

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