Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

The Blackwell encyclopedia of industrial archaeology


94-3/4-496
The Blackwell encyclopedia of industrial archaeology / ed. by Barrie Trinder. Editorial board: Axel Föhl ... - Oxford : Blackwell, 1992. - XII, 964 S. ; 27 cm. - ISBN 0-631-14216-9 : œ 100.00
[1675]

Dem veränderten bzw. erweiterten Denkmalverständnis Rechnung tragend, erschienen 1992 zwei Nachschlagewerke zum Themenbereich Industriearchäologie, in Großbritannien eine umfassende Enzyklopädie, in Deutschland ein für weitere Kreise bestimmter Führer zu wichtigeren Denkmälern der Industriearchitektur.

Die Enzyklopädie wurde in einem Zeitraum von acht Jahren von einem internationalen Herausgebergremium unter Leitung von Barrie Trinder vom Ironbridge Institute[1] konzipiert und erarbeitet, dem sich für Einzelbeiträge zahlreiche weitere Spezialisten der Industriearchäologie und -denkmalpflege (Konservatoren, Denkmalpfleger, Universitätsmitglieder) aus verschiedenen Ländern hinzugesellten. Vorwort und Einleitung verdeutlichen den umfassenden (und wissenschaftlichen) Anspruch der Publikation: Angestrebt wird nicht nur die Erstellung eines Führers zu Industriedenkmälern, -ensembles, -landschaften sowie zu Industrie- und Technikmuseen in allen wichtigen, seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Industrienationen, sondern darüber hinaus sollen zusätzliche Überblicksartikel zur Geschichte und insbesondere zur industriellen Entwicklung einzelner Länder und Regionen, biographische Einträge und industrie- und technikthematische Sachartikel den enzyklopädischen Charakter unterstreichen. Ab- und Ausgrenzungen werden vorab dargelegt. Dies gilt z.B. für den Darstellungszeitraum, der zwar als äußere Begrenzungen 1650 - 1950 nennt, aber schwerpunktmäßig erst mit der industriellen Revolution in Großbritannien einsetzt, im Einzelfall aber durchaus flexibel gehandhabt wird. Dies gilt auch für den geographischen Schwerpunkt, der in Entsprechung zu dem zeitlichen, die Beiträge auf Europa, Kanada, die USA und Australasien zentriert. Thematisch und definitorisch abgegrenzt und in der Folge zumindest nicht umfassend als eigenständige Komplexe berücksichtigt werden die Bereiche Landwirtschaft und Militärarchäologie.[2] Der Entstehungszeitraum und damit auch der Forschungsstand für die einzelnen Beiträge wird mit 1986 - 1990 angegeben; einschneidende politische Veränderungen, wie etwa die in Mittel- und Osteuropa seit 1989, wurden bei den Länderartikeln soweit noch möglich angesprochen. Schließlich bringt der Einleitungsteil Beschreibungen und Referenzhinweise für Normierungen in der Terminologie, für Abkürzungen, Maße, Zitate und bibliographische Angaben in den Einzelbeiträgen. Dem alphabetischen Hauptteil, der eigentlichen Enzyklopädie, folgen am Schluß eine klassifikatorische Übersicht der Sachartikel, eine umfangreiche allgemeine Bibliographie und ein detailliertes Register.

In seiner kritischen Würdigung der Blackwell encyclopedia of industrial archaeology hat Walter Minchinton einige grundsätzliche Anmerkungen zu folgenden Aspekten des Werkes beigesteuert, nämlich zum Definitionsumfang von Industriearchäologie, zum gewählten Zeitschnitt, zu der historischen Ballast mitschleppenden, wichtige neuere Literatur dagegen nicht erfassenden, in Teilen unausgewogenen Gesamtbibliographie, zur Ungenauigkeit und Unvollständigkeit einzelner Einträge sowie dem letztlich fehlenden enzyklopädischen Charakter des Werks.[3] Dem ist hierin nichts hinzuzufügen. Und dennoch ergibt sich daraus keine unbedingt negative Bewertung des Werkes: Mit Blick auf den Stand der industriellen Denkmalpflege in vielen Ländern wird man kaum eine wirklich enzyklopädische Darstellung erwarten können, deren einzelnen Einträgen die Zuverlässigkeit eines Inventars eignet.[4] Stichproben etwa zu einigen deutschen Objekten ergaben ebenfalls Ungewichtigkeiten sowohl im Hinblick auf die Auswahl als auch die Ausführungen innerhalb der Einträge. Z.B.sind für die Völklinger Eisenhütte (mit Bild der Gasgebläsehalle) manche Angaben zum Teil erstaunlich detailliert und gehen über entsprechende Ausführungen bei Skalecki[5] und auch über die in diesem Fall sogar recht detaillierten Beschreibungen bei Rödel[6] hinaus; umgekehrt fand aber auch Vergleichbares wie das Neunkircher Eisenwerk gar keinen Eintrag. Es bleibt somit der Versuch zu würdigen, mit wissenschaftlichem Anspruch und unter Offenlegung der gewählten Kriterien eine über englische Spezifika dennoch weit hinausgehende Zusammenschau von thematischen Aspekten und Objekten im Bereich der Industriearchäologie vorgelegt zu haben, die Umfang und Güte nach (bei aller Kritik im Detail) zur Zeit konkurrenzlos sein dürfte und somit im Moment ein wesentliches Hilfsmittel für diesen Themenkomplex darstellt.

Angela Karasch


[1]
In Ironbridge fanden seit 1973 Konferenzen zur Industriearchäologie statt, die sich inzwischen als International Committee for the Conservation of the Industrial Heritage (TICCIH) institutionalisiert haben. (zurück)
[2]
Zu diesem Themenkomplex vgl. u.a. Bunker... Archäologie / Paul Virilio. Aus dem Französischen von Bernd Wilczek. - München [u.a.] : Hanser, 1992. - 212 S. : überw. Ill. - ISBN 3-446-17162-2. - Vergleichbar den Photobänden von B. und H. Becher, dokumentiert Virilio photographisch die Bauten des Atlantikwalls. - In Großbritannien kümmert sich die Fortress Studies Group um die Denkmäler der Militärarchitektur. (zurück)
[3]
Die Rezension trägt den Titel Tilting at tidemills / Walter Minchinton. // In: Times literary supplement. - 1993-12-10, S. 13. (zurück)
[4]
Nicht speziell der Industriearchitektur gewidmet, aber unübertroffen in der Vollständigkeit der Inventarisierung dürfte sein: Inventar der neueren Schweizer Architektur, 1850 - 1920 / hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. - Zürich : Orell-Füssli, 1984 - 1992. - Bd. 1 - 10. Hier werden Straßenzug für Straßenzug alle Gebäude eines Ortes im gewählten Zeitraum inventarisiert und dabei auch die entsprechenden Objekte der Industriearchitektur berücksichtigt. Man vgl. z.B. nur den Eintrag für die Gießerei und Maschinenfabrik Gebr. Sulzer oder für die Schweizerische Lokomotivfabrik in Winterthur in Bd. 10. Für viele Länder dürfte, zumindest was die Berücksichtigung von Denkmälern der Industrie und Technik anbelangt, ein derartiges Inventar noch länger ein Desiderat bleiben.
In Großbritannien, das vermutlich reicher als andere Nationen an Industriedenkmälern ist, finden diese innerhalb der offiziellen Inventare die ihnen gebührende Berücksichtigung; einen Hinweis verdient die preiswerte, für den interessierten Laien konzipierte ungezählte Reihe Civil engineering heritage. - London : Telford, 1985 - . - Bisher liegen Bände für folgende Regionen vor: Wales and western England; Eastern and central England; Southern England; der abschließende Band Northern England ist für 1995 angekündigt. [sh] (zurück)
[5]
So etwa bei Maßangaben, Kapazitäten etc., Details, auf die Skalecki in seinem folgenden Aufsatz verzichtet: Neunkirchen und Völklingen : zwei Fallbeispiele saarländischer Denkmäler der Eisenverhüttung / Georg Skalecki. // In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege. - 48 (1990), S. 106 - 114. (zurück)
[6]
Reclams Führer ... - Bd. 1 (1992), S. 303 - 304. (zurück)

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