Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Der Kolportageroman


94-3/4-443
Der Kolportageroman : Bibliographie 1850 bis 1960 / Günter Kosch ; Manfred Nagl. Mit einer Beil.: Der Kolportagehandel : praktische Winke / von Friedrich Streissler, (1887). - Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1993. - X, 333, [54 S.], 71 S. : Ill. ; 25 cm. - (Repertorien zur deutschen Literaturgeschichte ; 17). - ISBN 3-476-00940-8 : DM 298.00
[2221]

Die beiden Bearbeiter der vorliegenden Bibliographie sind für ihr Unternehmen geradezu prädestiniert: der erste - von Beruf Mathematiker - als Sammler mit profunden Spezialkenntnissen und Eigentümer einer umfangreichen Bibliothek einschlägiger Titel, der zweite als Professor für Medienwissenschaft und Bibliothekssoziologie an der Fachhochschule für Bibliothekswesen in Stuttgart. Die ausführliche Einleitung mit Literaturverzeichnis[1] stellt den deutschen Kolportageroman als in Fortsetzungslieferungen an der Haustür vertriebene Massen-Unterhaltungsliteratur vor, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufblühte und im 20. Jahrhundert eine rückläufige Tendenz, besonders einschneidend nach 1930, zeigte. Als Schund- und Schmutzliteratur verachtet und bekämpft, wurde sie teilweise absichtlich vernichtet, endete aber meist ohnehin beim Altpapier.

Neben dem Abdruck von Textproben und reichhaltigen, z.T. farbigen Illustrationsteilen fehlt nicht der Blick auf die Kolportageverlage (mit Register), die Vertriebssysteme des Buchhandels, die rechtlichen Bestimmungen und die Verbote solcher Literatur (hierzu drei ausführliche Abdrucke im Anhang und ein separat in einer Tasche beiliegender Nachdruck der im Untertitel genannten Broschüre von Streissler). Ergänzend werden zwei Auswahlbibliographien Fachzeitschriften des Kolportagegewerbes ...[2] und Unterhaltungszeitschriften aus Kolportageverlagen sowie ein Abschnitt Autorenbiographien geboten.

Ausgehend von der Spezialsammlung Koschs (deutschsprachige Titel incl. Übersetzungen) wurden während der Arbeit an dieser Bibliographie engagiert weitere Recherchen über Sammler und Antiquariate durchgeführt und nach Möglichkeit Käufe getätigt, so daß die ca. 1.550 Titelnachweise (vgl. S. 1) im wesentlichen auf Autopsie beruhen. Diese sind - etwas ungewöhnlich - nach Sachtiteln geordnet. Die handgestrickten Ordnungsprinzipien[3] hätten wenigstens erläutert werden müssen und stellen - auch wenn sie konsequent angewandt worden wären - eine mißlungene Lösung dar. Den Nachweis unter dem Verfasser gewährleistet ein Register.[4]

Die Titelaufnahmen sind folgendermaßen gegliedert: Sachtitel; Verfasser; Impressum; Umfang (Lieferungen, Bände, Seiten); Illustrationen; bibliographische Quellen;[5] Standort; Hinweise auf Maßnahmen der Zensur, Nachdrucke u. ä.; Annotationen (Schlagwörter zum Inhalt, die zusätzlich über ein Sachregister erschlossen sind).

Diese neue Bibliographie, die ein Standardwerk zu werden verspricht, ist wegen der aufwendigen Illustrationen und umfangreich geratenen Beigaben leider so teuer geworden, daß sie selbst für viele Bibliotheken unerschwinglich sein dürfte.

Gertrud Bader


[1]
Darin vermißt man zumindest Goedeke N.F. 1. Dieser Band bzw. sogar das Goedeke-Grundwerk wären hinsichtlich des biographischen und / oder bibliographischen Materials für die Schriftsteller Albert, Alvensleben, Graf Auersberg und Temme zu berücksichtigen. (zurück)
[2]
Dagegen fehlt der im Waschzettel angekündigte Nachdruck einer dieser Branchenzeitschriften. (zurück)
[3]
Durchgängige Einbeziehung von Sachtitelzusätzen jeglicher Art als Ordnungselemente ohne Berücksichtigung der Interpunktion, z. B. Nr. 591 - 593, 794 - 796, 1350 - 1351, 1495 -1498 (anders 1090a/1091). - Keine Verweisungen bzw. Vereinheitlichungen bei unterschiedlicher Orthographie, z. B. Nr. 64 und 80 - 81 (nur vom Sachregister her), 163 - 164 und 1468, 383 - 395, 1071 - 1078, 1267 - 1268 (anders 428 - 430, 536 - 537, 1045 - 1046, 1345 - 1346, 1357 - 1361); die Behauptung, die Orthographie sei "soweit möglich" vereinheitlicht worden (S. 79), trifft also nicht zu. - Sonderstellung von Komposita mit Bindestrich, z. B. Nr. 97 - 100, 468 - 475, 862 - 866, 1435 - 1438 (anders 1066 - 1067). - Kein Übergehen des ersten Artikels im Genitiv oder Dativ, Nr. 171 - 179, 228 (anders 1437). - Falsche alphabetische Einordnung z. B. Nr. 75, 602, 1017, 1455, 1482. (zurück)
[4]
Pseudonym veröffentlichte Romane werden überflüssigerweise sowohl unter dem Pseudonym als auch unter dem wirklichen Namen aufgeführt. Die Eintragungen A.v.S. und S.J.R. unter dem jeweils ersten Buchstaben im Gegensatz zu allen Parallelbeispielen bleiben unklar. (zurück)
[5]
Die Abkürzung AUT - nicht im Abkürzungsverzeichnis enthalten - meint sicher Autopsie. (zurück)

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