Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 3/4
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Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den


94-3/4-397
Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz = R‚pertoire sommaire des fonds manuscrits conserv‚s dans les bibliothŠques et archives de Suisse = Repertorio sommario dei fondi manoscritti nelle biblioteche e negli archivi della Svizzera / im Auftrag der Vereinigung Schweizerischer Archivare und des Verbandes der Bibliotheken und der Bibliothekarinnen/Bibliothekare der Schweiz bearb. von Anne-Marie Schmutz-Pfister. - 2., stark erw. Aufl. / bearb. von Gaby Knoch-Mund. - [Bern] : Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz ; Basel : Krebs, 1992. - 599 S. ; 23 cm. - (Quellen zur Schweizer Geschichte : N.F. : Abt. 4, Handbücher ; 8a). - ISBN 3-85513-401-7 (Allg. Geschichtsforschende Ges.) : SFr. 90.00. - (Verlagsbuchhandlung G. Krebs, St.-Alban-Vorstadt 56, CH-4006 Basel)
[1751]

Etwa 2.300 Einträge waren es 1967 in der 1. Auflage,[1] und weitere 700 Nachlässe vereinigte der (bescheidene) Nachtrag von 1980.[2] Nun liegt die lang erwartete Neuausgabe vor uns. Sie berichtet über beinahe 7.000 Nachlässe aus 260 schweizerischen Institutionen, aus doppelt so vielen wie 1967. Allein schon diese Zahlen deuten an, warum eine Neuauflage gerechtfertigt war. Ins Repertorium aufgenommen wurde Schriftgut, das sich bei einzelnen Personen oder Familien angesammelt hat oder das von anderen Personen über sie zusammengetragen wurde. "Abermals" unberücksichtigt blieben Nachlässe von Körperschaften, Vereinen und Firmen. In bezug auf die Definition des Begriffs Nachlaß verweist die Bearbeiterin auf Mommsen.[3] Es werden auch keine genaueren Nachlaßarten[4] unterschieden. Entscheidend für eine Aufnahme blieb der "Nachlaßbegriff" der befragten Institution.

Die Inventarisierung beruht auf einer Umfrage, deren Ergebnisse in eine Datenbank übertragen wurden. Sie besteht aus lediglich neun Datenfeldern: (1) Name (bei Familien evtl. Herkunft), (2)˙Lebensdaten, (3)˙Beruf und Tätigkeit (nur bei Einzelnachlässen), (4)˙Aufbewahrungsort samt Signatur, (5)˙Umfang in Metern, (6)˙unpublizierte Findmittel (ja / nein), (7)˙Benutzungsbeschränkungen (ja / nein), (8)˙detaillierte Inhaltsangaben, (9)˙Titel publizierter Findmittel (falls vorhanden). Erfreulich ist die Durchnumerierung der Nachlässe, die eine angenehme und präzise Handhabung der Register gewährleistet.

Unterhalten und weitergeführt wird die Datenbank vom Schweizerischen Literaturarchiv, das Interessenten an seinem Sitz in der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern zugänglich ist. Wenn man im Repertorium eine Angabe vermißt, dann ist es die genaue Herkunft des Nachlassers. Der Bürgerort, eine schweizerische Eigenart, hätte in diesem Nachschlagewerk auch angegeben werden können, was nur in einigen Fällen bei Familiennamen auch tatsächlich geschieht. Ein unzureichender Ersatz für die fehlende Herkunft bleibt alleine der Aufbewahrungsort des Nachlasses, der aber, bei einer Aufbewahrung in nationalen und überregionalen Institutionen, keine Rückschlüsse erlaubt.[5]

Die ausreichenden Angaben in dieser Datenbank hätten eine gute Voraussetzung für die Erschließung dieser bedeutsamen privaten Quellen geboten. Leider ist das Repertorium nur über zwei Register zusätzlich erschlossen: dem der aufbewahrenden Institutionen und einem Personenregister. Im letzteren wird auch auf Namen und Familien verwiesen, die in Punkt 8 (Inhaltsangabe) genannt sind. Ein Nachschlagen im Hauptteil und im Register ist also unerläßlich. Nachlässe dienen der Forschung aber nur dann, wenn sie auch von der Sache und nötigenfalls vom Ort her angegangen werden können. Gerade privates Schrifttum ist wichtig als Ergänzung zu den staatlichen Quellen, so man das Gesuchte auch findet! Eine wahre Fundgrube könnte sich öffnen, wenn das notwendige Instrumentarium dafür geschaffen worden wäre.

Für nachfolgende Fragestellungen erweist sich das fehlende Berufs-, Amts- und Tätigkeitsregister als empfindliche Unterlassung: Was beschäftigte Chirurgen des 19. Jahrhunderts (Nr. 3352)? Wieviele Nachlässe von Schriftstellerinnen sind greifbar (z.B. 491)? Wo liegen welche Nachlässe von Genealogen und Musikern? Wer hat Reiseberichte aus China (3850)? Wer bearbeitete die Geschichtsakten des Gasterlandes (1969)? Wer sammelte Wetteraufzeichnungen (1409)? Wo befinden sich unerwartete Notariatsakten (1391)? Was bieten Nachlässe dem Heraldiker (1424 und 2897) und dem Familienforscher (1553)? Solche und ähnliche Fragen lassen sich nur anhand eines Sach- oder eines geographisches Register beantworten, aber sie sucht der Leser vergebens und gerade die präzisen Inhaltsangaben hätten unbedingt zum Erstellen von solchen Registern verleiten sollen.

Hingewiesen wurde bereits darauf, daß Namen aus dem "Kleingedruckten" ins Namenregister aufgenommen wurden. Auch diese Behauptung scheint eher zuzutreffen, wenn einem Namen der Suchbegriff wie "Familie..." vorausgeht. Weicht ein Eintrag von dieser Praxis ab, so bleibt die Suche erschwert oder gar erfolglos.[6]

Kein Werk, sei es noch so gut bearbeitet, kann vollständig sein und lückenlose Angaben geben. Diesen Anschein erweckt aber der Titel Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven, als ob es nicht noch weitere Nachlässe und noch andere Institutionen gäbe. Ein Titel wie Nachlässe in Bibliotheken und Archiven oder ... in öffentlichem Besitz wäre nicht nur kürzer gewesen, sondern hätte auch Museen eingeschlossen.[7]

"Ist der gesuchte Name weder im Hauptteil noch im alphabetischen Register ... verzeichnet, kann angenommen werden, dass es dazu in der Schweiz kein eigentliches Privatarchiv und keinen Nachlass gibt", heißt es in der Einleitung und das läßt wenig Hoffnung aufkommen, nach unentdeckten Quellen zu suchen. Dem ist aber nicht so. 1990 wurden 540 Institutionen angeschrieben, 260 haben auf die Umfrage reagiert. Dabei wurden die über 3.000 Gemeindearchive (und wohl auch Pfarrarchive und lokale Dokumentationsstellen) geflissentlich übergangen. Das läßt sich ohne weiteres anhand von publizierten Findmitteln zeigen. So fehlt der Nachlaß von Pater Protasius Wirz (1806 - 1868), der im Archiv der Bürgergemeinde Solothurn verwahrt wird.[8] Ebenso fehlen die von Hans Ludwig Bartenschlager (1692 - 1773) angefangenen genealogischen Register der Stadt Schaffhausen, die im städtischen Zivilstandsamt auf Interessierte warten.[9] Die Auswertung von Bibliographien hätte manche Lücke erst gar nicht entstehen lassen.

Angaben aus der Umfrage hätten leicht überprüft werden können und sollen. Im Staatsarchiv Zürich sind im Katalog B˙X (Archivalien privater Herkunft) verschiedene Nachlässe aufgeführt. Vieles ist ins Repertorium gelangt, einige namhafte genealogische Sammlungen blieben ausgespart.[10] Ärgerlich ist dies für Geschlechter, die Inventare ihrer eigenen Familienarchive veröffentlicht und auch angezeigt haben. Im neuen Repertorium werden sie dafür schlecht belohnt.[11] Auch kleinere Archive mit vorbildlichen gedruckten Inventaren fanden in das Repertorium keinen Eingang.[12] Dass der Weg zu einer solchen ausgedehnten Sammlung von Nachlässen sicher auch grosse Probleme in sich birgt, erkennt der Benutzer natürlich nur indirekt. Vergleicht er aber den ausführlichen Handschriftenkatalog der Zentralbibliothek Zürich[13] mit dem Repertorium und fragt sich, welche Nachlässe aufgenommen und welche weggelassen wurden, so werden die Zweifelsfälle bald offensichtlich. Betrachten wir nochmals genealogische Nachlässe, so stellen wir fest, dass vier Zürcher Stadtgenealogien aufgezeichnet, drei dagegen weggelassen worden sind.[14] Das Winterthurer Genealogienwerk des Apothekers Johannes Künzli glänzt ebenfalls durch Abwesenheit.[15]

Vergleicht man aber das Repertorium mit dem Gesamtregister zum Schweizer Familienforscher,[16] so stellt man erfreut fest, daß die meisten der genannten Genealogen im neuen Repertorium ihren verdienten Platz gefunden haben. Daß gelegentlich ein publiziertes Findmittel nicht angezeigt wird, kann hingenommen werden.[17]

Etwas grotesk mutet der Umstand an, daß beim Nachlaß von Beat Zurlauben (Nr. 6934) kein Hinweis auf die Acta Helvetica aufgenommen wurde. Mit bald 100 gedruckten Bänden "Regesten und Register" zur Zurlaubiana, handelt es sich um das umfangreichste je in der Schweiz publizierte Findmittel.[18]

Mario von Moos


[1]
Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz / im Auftrag der Vereinigung Schweizerischer Bibliothekare und der Vereinigung Schweizerischer Archivare bearbeitet von Anne-Marie Schmutz-Pfister und hrsg. von der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz. - Bern-Bümliz, 1967. - 200 S. - (Quellen zur Schweizer Geschichte : N.F. :˙Abteilung 4, Handbücher ; 8). (zurück)
[2]
Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz. Zuwachsliste 1968 - 1978 / im Auftrag der Vereinigung Schweizerischer Bibliothekare und der Vereinigung Schweizerischer Archivare bearbeitet von der Schweizerischen Landesbibliothek. - Bern, 1980. - 26 S. (zurück)
[3]
Die Nachlässe in den deutschen Archiven / bearb. von Wolfgang A. Mommsen. - Boppard am Rhein, 1971. - (Verzeichnis der schriftlichen Nachlässe in deutschen Archiven und Bibliotheken). (zurück)
[4]
Echter Nachlaß, angereicherter Nachlaß, unechter Nachlaß, Mischnachlaß, Vorlaß, Teilnachlaß, Restnachlaß, Splitternachlaß. (zurück)
[5]
Also greift man auch heute noch zum legendären HBLS, dem Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz. - Neuenburg, 1921 - 1934. - Bd. 1 - 7 & Suppl. (zurück)
[6]
Bei Einzelnachlässen fehlt oft ein Hinweis auf die Familie: Ammann (Nr. 105) = Zitat: Genealogie; Del‚glise (1401) = Zitat: Archives de famille; Fischer von Merenschwand (1887) = Zitat: Familienchronik; Fischer von Reinach (1688) = Zitat: Chronik der Fischer ...; Mann (3786) = Zitat: Familienarchiv; Piazza von Olivone (1351) = Zitat: Fondo Piazza, famiglia da Olivone. - Vorschläge für weitere Suchbegriffe wären: Archives de famille, Familienchronik, Familienpapiere, Fondo, G‚n‚alogie, Genealogisches, Notes g‚n‚alogiques, Stammbaum, Stammtafel. - Der Name Manitz (5266) steht fälschlich für die Familie Maritz von Burgdorf, eine namhafte Geschützgießerfamilie. (zurück)
[7]
Daß auch Nachlässe aus Museen und anderen öffentlichen Stiftungen berücksichtigt sind, entnimmt man der Einleitung (S. 10). Auch der kürzere Titel ... Nachlässe in Bibliotheken ... wird hier (wohl irrtümlich) der ersten Auflage zugeschrieben. (zurück)
[8]
Ein gedrucktes Findmittel ist unter Nr.˙10682 erwähnt in: Bibliographie der Schweizer Geschichte : enthaltend die selbständig erschienenen Druckwerke zur Geschichte der Schweiz bis Ende 1912 / bearb. von Hans Barth. - Basel, 1914 - 1915. - Bd. 1 - 3. - (Quellen zur Schweizergeschichte : N.F. ; Abt. 4). (zurück)
[9]
Vgl. den Hinweis unter Nr. 388 in: Bibliographie der Schweizergeschichte. - 1946 (1947). (zurück)
[10]
Gachnang: B X 242; Kägi: B X 164; Stahel: B X 162; Weinmann: B X 221; Wydler: B X 279. (zurück)
[11]
Bibliographie der schweizerischen Familiengeschichte = Bibliographie g‚n‚alogique suisse / Schweizerische Gesellschaft für Familienforschung. - 1946 - 1982/83 (1985). - Damit Ersch. eingest.
Im besonderen beachte man: a Marca 1969, Nr. 331; Gautier 1963, Nr. 193; Hess 1982, Nr. 176; Künzli 1957, Nr. 251; Latour 1978/79, Nr. 191. (zurück)
[12]
Inventar des Stadtarchivs Stein am Rhein : Urkunden, Akten und Bücher / im Auftrag der Stadt Stein am Rhein bearb. von Heinrich Waldvogel. Hrsg. vom Verein für Geschichte des Hegaus. - o.O., 1967 - 1968. - Bd. [1] - 3. - Darin S. 375 - 406: Steiner Familien Blass, Büel, Etzweiler, Immenhauser, Schmid, Schmid von Schwarzhorn, Schnewlin u.a.). (zurück)
[13]
Neuere Handschriften seit 1500 : (ältere schweizergeschichtliche inbegriffen) / von Ernst Gagliardi und Ludwig Forrer. - Zürich, [1931] - 1982. - 22 S., 1888, 242 Sp. - (Katalog der Handschriften der Zentralbibliothek Zürich ; 2). (zurück)
[14]
Aufgeführt sind: Erhard Dürsteler (1561); Carl Keller-Escher (3249); Wilhelm Hofmeister (2867); Hans Jakob Leu (3636). Es fehlen: Johann Jakob Hirschgartner (ZBZ, Ms. V 801 - 810); Johannes Esslinger (ZBZ, Ms. E 82, E 46, E47 & a, E 47b) Hans Heinrich Schweizer (ZBZ, Ms. P 137-139 und Z II 8). (zurück)
[15]
Die genealogischen Quellen von Winterthur / Alice Denzler. // Sonderabdr. aus: Der Schweizer Familienforscher. - 11 (1944) und 12 (1945). - Ferner: Künzli-Handschriften / Peter Sulzer. // In: Winterthurer Jahrbuch. - 4 (1957), S. 105 - 113. (zurück)
[16]
Schweizer Familienforscher. Inhaltsverzeichnis = Le g‚nealogiste suisse. Table des matiŠres. - 1/17 (1934/50) / Ulrich Friedrich Hagmann. - Bern, 1951 - 1952. - 51 S. - 18/40 (1951/73) / Mario von Moos. - Zürich, 1985. - 133 S. (zurück)
[17]
Familiengeschichtliche Quellen aus dem Nachlass von Paul Zuber im Stiftsarchiv St.˙Gallen / Paul Stärkle. // In: Schweizer Familienforscher. - 19 (1952), S. 12 - 14. (zurück)
[18]
Regesten und Register zu den Acta Helvetica, Gallica, Germanica, Hispanica, Sabaudica etc. necnon genealogica stemmatis Zur-Laubiani / Sammlung Zurlauben. Bearb. von Kurt-Werner Meier ; Josef Schenker ; Rainer Stöckli. - Aarau [u.a.], 1976 - . - Bisher erschienen 9 Serien in 97 Bänden; 1994 - 1995 folgt Serie 10 mit den Bände 98 - 106). (zurück)

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