Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 3/4
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Die Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik


94-3/4-394
Die Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik Österreich : ausgenommen die Österreichische Nationalbibliothek und das Österreichische Theatermuseum / von Gerhard Renner. - Wien ; Köln [u.a.] : Böhlau, 1993. - 581 S. ; 27 cm. - (Verzeichnis der schriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik Österreich ; 1). - ISBN 3-205-05519-5 : öS 980.00, DM 140.00
[1909]
94-3/4-395
Die Nachlässe in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek : ein Verzeichnis / von Gerhard Renner. - Wien : Wiener Stadt- und Landesbibliothek, 1993. - XVII, 244 S. ; 22 cm. - (Publikationen aus der Wiener Stadt- und Landesbibliothek). - (Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Rathaus, A-1082 Wien)
[1797]
94-3/4-396
Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren / Murray G. Hall ; Gerhard Renner. - Wien ; Köln [u.a.] : Böhlau, 1992. - XXI, 344 S. ; 24 cm. - (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur ; 23). - ISBN 3-205-05528-4 : öS 686.00, DM 98.00
[1871]

Seit langem ein Desiderat nicht nur der germanistischen Forschung, wird nun ein erstes allgemeines Verzeichnis von Nachlaßmaterial in Österreich in kurzem zeitlichen Abstand zu einem Nachlaß-Verzeichnis Österreichischer Schriftsteller vorgelegt; beide sind in Entstehung und Konzeption in engem Zusammenhang zu sehen. Die Forschung wartete um so dringender hierauf, da für Österreich bislang kein Zentralkatalog der Autographen existiert. Der Nachweis der Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik Österreich ist ein Novum, in den übrigen deutschsprachigen Ländern steht Vergleichbares schon seit längerem zur Verfügung: für die Bundesrepublik mit Denecke/Brandis[1] für Bibliotheken bzw. mit Mommsen[2] für die Archive, für die DDR mit Wolf/Lülfing/Unger[3] sowie für die Schweiz mit dem seit 1967 vorliegenden Repertorium von Schmutz-Pfister, das jetzt in der 2., von Knoch-Mund bearbeiten Auflage zu benutzen ist.[4]

Die Erhebungen, die zu Einträgen von 2.399 Nachlässen in 218 Bibliotheken führten sowie das Beschreibungsmodell orientieren sich u.a. stark an Brandis und den DFG-Richtlinien.[5] Verzeichnet werden Bestände von Bibliotheken (ausgenommen die Österreichische Nationalbibliothek und die Theatersammlung des Österreichischen Theatermuseums, deren Nachlässe gemeinsam in einem zweiten Band folgen sollen) und bibliothekarischen Einrichtungen, wie z.B. von Gesellschaften, Vereinen, Stiftungen, Universitäten, Museen (eine ähnliche Abgrenzung wie bei Brandis); Österreichische Archive des Bundes, der Länder und Gemeinden sollen ihre Nachlässe unter Federführung des Österreichischen Staatsarchivs in einem dritten Band verzeichnen.

Die Einträge beginnen mit dem Namen oder gebrauchten Pseudonym (vom jeweils anderen wird im Register verwiesen), den Lebensdaten (nur Jahre) und dem Beruf und dem Tätigkeitsbereich. Das Beschreibungsmodell kennt mit Denecke/Brandis den gleichen, dem Provenienzprinzip folgenden Nachlaßbegriff, eine ähnliche Einteilung in Nachlaß, Teil- und Splitternachlaß, Kryptonachlaß und Sammlung. Abweichungen hiervon bei den vier Hauptkategorien: Werkmanuskripte, Korrespondenzen, Lebensdokumente, Sammlungen sowie Nachlasser-Bibliothek. Bei der Verzeichnung von Korrespondenz sind 20 Briefe als Mindestgrenze für den Eintrag nötig, was häufig Autopsie voraussetzt; bei den Werkmanuskripten wurden 5 Manuskripte eines Autors aus einer Provenienz festgelegt. Erwerbungsart und -jahr und Hinweise auf andere Standorte von Teilnachlässen folgen. Ohne die Bestände der ÖNB war kein Übergewicht an Schriftstellernachlässen zu erwarten, überraschend aber ist aufgrund der Museumsbibliotheken der große Anteil von Nachlässen bildender Künstler, von Naturforschern und -wissenschaftlern.[6] Anders als bei Brandis werden wenig Abkürzungen verwendet, was die Lesbarkeit verbessert, das zweispaltig und mit relativ großer Type gedruckte Werk jedoch etwas aufbläht. Demgegenüber leidet die Übersichtlichkeit deutlich durch die Nachstellung der Standortangabe hinter die Bestandsbeschreibung, was bei ungünstigen Spalten- und Seitenumbrüchen verwirrend sein kann. Problematisch sind die Umfangsangaben: Brandis' Kompromiß, die Angaben der Bibliotheken unverändert zu lassen, ist dem vorliegenden Versuch vorzuziehen, Umfangsangaben dadurch vergleichbar zu machen, daß meist in "Kartons" gerechnet wird - bei so heterogenen Institutionen eine zu unspezifische Behältnisgröße. - Exzellente Register (Standorte, Berufe und Arbeitsgebiete, Personen und Institutionen) helfen bei der Erschließung.

Eine Teilmenge stellt das ebenfalls von Gerhard Renner erarbeitete Nachlaßverzeichnis der Wiener Stadt- und Landesbibliothek dar; da dessen Redaktionsschluß später lag, sind gegenüber dem nationalen Verzeichnis hier noch zusätzliche Nachlässe zu finden. Eine Unterteilung der Nachlaßmaterialien nach Standorten innerhalb der verschiedenen Sammlungen der Bibliothek nützt der direkten Benutzung in der Bibliothek, jedoch kaum dem recherchierenden externen Benutzer des Verzeichnisses; ebenso scheint der großzügige, einspaltige Druck mit breiten Seitenrändern speziellen Bedürfnissen am Ort zu dienen. Ein Register (Namen, Institutionen, Periodika) bietet nützliche Erschließungshilfe. Abweichend vom nationalen Nachlaßverzeichnis werden hier auch Hinweise auf nachlaßbezogene Forschungsliteratur geboten.

Nicht nur hierin sind Gemeinsamkeiten mit dem dritten hier anzuzeigenden Handbuch zu finden: Das von Murray G. Hall und (wiederum) Gerhard Renner erarbeitete Handbuch der Nachlässe und Sammlungen Österreichischer Autoren, in das die relevanten Nachweise aus den beiden anderen Österreichischen Nachlaßverzeichnissen eingeflossen sind.

Hall/Renner verzeichnen Nachlässe von 1.100 Autoren an in- und ausländischen Standorten (auch solche in Privatbesitz). Als österreichische Schriftsteller werden diejenigen definiert, die in Österreich geboren wurden (vor 1918: in den Grenzen der Habsburgermonarchie) bzw. für die Österreich "eine wichtige Wirkungsstätte" (IV) war: letzteres kann zu fragwürdigen Entscheidungen führen, z.B. verwundert die Aufnahme des englischen Schriftstellers W. H. Auden. Der Personenkreis umfaßt "belletristische Autoren" (IV) sowie Journalisten, Literaturkritiker und Literaturhistoriker. Lebende Autoren wurden nur dann berücksichtigt, wenn ein Teilnachlaß bereits abgegeben worden ist. Es überrascht der Eintrag von Autoren, von denen kein Nachlaß (mehr) existiert wie z.B. bei Fritz Janowitz: hier wird das Nachlaßverzeichnis zum Literaturlexikon. Es ist auch das Nachlaßmaterial von Verlagen aufgenommen (sofern österreichische Autoren betroffen sind), so daß z.B. der Nachlaß des Exil-Verlages Allert de Lange zu finden ist sowie Zeitungsarchive (unter der gleichen Bedingung), wie z.B. das der Prager Presse oder das Nachlaßmaterial der Landesleitung Wien der Reichsschrifttumskammer. Die Quellenbasis der Eintragungen beruht bei den österreichischen Bibliotheken auf Autopsie, wenn keine Verzeichnisse vorhanden waren; Privatbesitz wurde größtenteils autopsiert, wobei positiv auffällt, daß hier die Beschreibungen häufig umfangreicher sind als bei öffentlichen Institutionen.

Die Einträge nennen: Name bzw. gebrauchte Pseudonyme, die vollständigen Lebensdaten, Beruf, die literarischen Arbeitsschwerpunkte, evtl. die Wirkungsstätten und somit Daten, die auch in Literaturlexika zu finden sind. Hierbei sollten - laut Einleitung - verbreitete Fehler korrigiert werden, doch diese Absicht führte auch zu unnötigen Eigenwilligkeiten, wie z.B. der Charakterisierung von Alma Mahler-Werfel als "Schriftstellerin, Gesellschaftsdame" (170). Weitere Eintragskategorien sind Standorte des Nachlasses, Kategorien des Materials (wie bei den bereits beschriebenen Verzeichnissen von Renner) und der unbefriedigenden Standardisierung der Mengenangaben des Nachlaßmaterials: wiederum die Umfangsangabe "Karton", die innerhalb eines Archivs eine feste Größe darstellen mag und deshalb nur in Verzeichnissen einer Institution als Vereinheitlichung sinnvoll ist.[7] Die Literaturhinweise umfassen nicht nur nachlaßbezogene Literatur, sondern auch Editionen, wohl aber beschränkt auf wissenschaftliche Gesamtausgaben, denn z.B. bei Caroline Pichler oder Stefan Zweig sind keine erwähnt, obwohl es große Werkausgaben gibt. Überraschend und wichtig für die Benutzung ist die Entdeckung, daß in dem Verzeichnis der Nachlässe in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek bei den entsprechenden, meist textidentischen Bestandseinträgen erheblich umfangreichere Hinweise zur Forschungsliteratur zu finden sind als bei Hall/Renner. Anordnung und zweispaltiges Druckbild sind erheblich übersichtlicher als bei Renners nationalem Nachlaßverzeichnis, auch steht der Standort jeweils vor der Bestandsbeschreibung.

Trotz des etwas unscharfen Profils als Nachlaßverzeichnis mit dem Teil-Anspruch eines Literatur- bzw. Autorenlexikons: ein überaus wichtiges Handbuch, das, sozusagen auf Verdacht, bei deutschsprachigen Autoren immer dann konsultiert werden sollte, wenn nicht mit Sicherheit eine Geburt oder ein längerer Aufenthalt in K.u.K.-Monarchie und/oder der Republik Österreich ausgeschlossen werden kann.

Unabhängig vom großen Wert des ersten umfassenderen Nachlaßverzeichnisses für Österreich und des unnötigerweise in Teilen damit konkurrierenden[8] germanistischen Nachlaßverzeichnisses Österreichischer Autoren ist zu fragen, ob nicht ein Projekt nach dem Konzept des neuen Handbuchs der Handschriftenbestände in der Bundesrepublik Deutschland[9] auch für Österreich nachahmenswert sein könnte.

Klaus Ulrich Werner


[1]
Die Nachlässe in den Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland / bearb. von Ludwig Denecke. - 2. Aufl. / völlig neu bearb. von Tilo Brandis. - Boppard am Rhein : Boldt, 1981. - XXX, 538 S. - (Verzeichnis der schriftlichen Nachlässe in deutschen Archiven und Bibliotheken ; 2). - ISBN 3-7646-1802-7. (zurück)
[2]
Die Nachlässe in den deutschen Archiven : (mit Ergänzungen aus anderen Beständen) / bearb. im Bundesarchiv Koblenz von Wolfgang A. Mommsen. - Boppard am Rhein : Boldt, 1971 - 1983. - Tl. 1 - 2. - (Verzeichnis der schriftlichen Nachlässe in deutschen Archiven und Bibliotheken ; 1) (Schriften des Bundesarchivs ; 17). - ISBN 3-7646-1544-3 (Bd. 1) - ISBN 3-7646-1816-7 (Bd. 2). (zurück)
[3]
Gelehrten- und Schriftstellernachlässe in den Bibliotheken der Deutschen Demokratischen Republik. - Berlin : Deutsche Staatsbibliothek.
1. Die Nachlässe in den wissenschaftlichen Allgemeinbibliotheken : Stand vom 1. 8. 1959. - 1959. - 103 S.
2. Die Nachlässe in wissenschaftlichen Instituten und Museen und in den allgemeinbildenden Bibliotheken / im Auftrage des Instituts für Bibliothekswissenschaft und Wissenschaftliche Information der Humboldt-Universität zu Berlin unter Mitwirkung von Horst Wolf hrsg. von Hans Lülfing und Ruth Unger. - 1968. - 102 S.
3. Nachträge, Ergänzungen, Register / im Auftrage des Instituts für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche Information der Humboldt-Universität zu Berlin hrsg. von Hans Lülfing und Host Wolf. - 1971. - 248 S. (zurück)
[4]
Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz ... / ... bearb. von Anne-Marie Schmutz-Pfister. - 2., stark erw. Aufl. / bearb. von Gaby Knoch-Mund. - [Bern] ; Basel, 1992 [1751]. - Vgl. die folgende Rezension (IFB 94-3/4-397). (zurück)
[5]
Richtlinien Handschriftenkatalogisierung / Deutsche Forschungsgemeinschaft, Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung. - 5., erw. Aufl. - Bonn-Bad Godesberg : Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1992. - 94 S. - IFB 93-1/2-004. (zurück)
[6]
Vgl. auch das folgende Spezialverzeichnis, das davon zeugt, wie eifrig in unserem Nachbarland an der Erschließung gerade auch der nicht-literarischen Nachlässe gearbeitet wird:
Verzeichnis der unveröffentlichten Nachlässe im Wissenschaftlichen Archiv der Bibliothek der Geologischen Bundesanstalt / von T. Cernajsek & G. Wöber. - Stand 1990. - Wien : Geologische Bundesanstalt, 1990. - 29 S. - 30 cm. - (Berichte der Geologischen Bundesanstalt ; 21). - (Geologische Bundesanstalt, Rasumofskygasse 23, A-1031 Wien).
Verzeichnet ca. 400 Nachlässe in ganz knapper Form: Name, Geburts- und Todestag und -ort sowie Nachlaßkategorien. [sh] (zurück)
[7]
Nicht nur in diesem Punkt ist das folgende ein immer noch vorbildliches Verzeichnis: Die Nachlässe und Sammlungen des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar : ein Verzeichnis / Ingrid Kussmaul. - [Erw. Aufl.] - Marbach am Neckar : Deutsche Schillergesellschaft, 198r. - 835 S. - (Verzeichnisse, Berichte, Informationen / Deutsches Literaturarchiv ; 10). (zurück)
[8]
Vgl. dazu die kritischen Ausführungen der Herausgeberin der Gesamtreihe: Das Verzeichnis der schriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik Österreich von Gerhard Renner / Eva Irblich. // In: Altes Buch und neue Medien : Vorträge und Kommisssionssitzungen ; der Österreichische Bibliothekartag 1992. - Wien, 1993. - (Biblos-Schriften ; 159), S. 153 - 157, insbes. S. 156. (zurück)
[9]
Handbuch der Handschriftenbestände in der Bundesrepublik Deutschland / hrsg. vom Deutschen Bibliotheksinstitut. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut ; Wiesbaden : Harrassowitz. - 25 cm. - Teil 1. [Alte Bundesländer] ; Baden-Württemberg, Bayern, Berlin (West), Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein / bearb. von Tilo Brandis und Ingo Nöther. - 1992. - XVIII, 653 S. - ISBN 3-447-03228-6 (Harrassowitz) : DM 96.00. - IFB 93-1/2-037. (zurück)

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