Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 3/4
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Bibliographie der geheimen DDR-Dissertationen


94-3/4-375
Bibliographie der geheimen DDR-Dissertationen = Bibliography of secret dissertations in the German Democratic Republic / hrsg. und eingel. von Wilhelm Bleek und Lothar Mertens. - München [u.a.] : Saur, 1994. - Bd. 1 - 2 ; 25 cm. - ISBN 3-598-11209-2 : DM 398.00
[2306]

Daß eine Dissertation, die sich mit Zahnversorgung beschäftigt, in der DDR sekretiert wurde, hat selbst die Aufmerksamkeit der Tagespresse gefunden.[1] Daß in der DDR, in der Dissertationen nicht dem Druckzwang unterlagen, diese nicht in allen Fällen allgemein zugänglich waren, wußten auch die Bibliothekare in der Bundesrepublik schon auf Grund der Tatsache, daß etwa ein Fünftel aller Dissertationen "Nur in der DDR verleihbar" waren, also im Leihverkehr nicht in die Bundesrepublik gelangten. Während diese Dissertationen aber regulär in der Deutschen Nationalbibliographie. Reihe C sowie im Jahresverzeichnis der Hochschulschriften[2] angezeigt wurden, galt das nicht (es sei denn aus Versehen) für Dissertationen höherer Sekretierungsstufen. Diese Geheimhaltungspraxis wenn nicht entdeckt, so doch im Rahmen eines von der DFG finanzierten Forschungsprojekts offengelegt zu haben, ist das Verdienst von Wilhelm Bleek und Lothar Mertens, die darüber u.a. auch in der bibliothekarischen Fachpresse berichtet haben[3] und die mit der vorliegenden Bibliographie sozusagen die materielle Grundlage ihrer Untersuchungen nachreichen. Die Bibliographie verzeichnet ca. 8.600 Dissertationen - was unter Einbeziehung der leider gleichfalls numerierten Verweisungen 9.805 Eintragungen ergibt - im Alphabet der Hochschulorte, innerhalb nach Promotionsinstituten, dann im Alphabet des ersten Verfassers[4] in getrennten Abschnitten für B- bzw. A-Dissertationen.[5] Angaben: Verfassername(n), Sachtitel, Ort und Hochschule, A- oder B-Dissertation, Jahr, Umfang (letztere nur selten) und Kürzel für eine der folgenden Geheimhaltungsstufen: Nfd = Nur für den Dienstgebrauch; VD = Vertrauliche Dienstsache; VS = Verschlußsache; VVS = Vertrauliche Verschlußsache; GVS = Geheime Verschlußsache. Entsprechend dieser Stufenfolge wurde die Verzeichnung in Katalogen und Bibliographien, die Aufbewahrung und der Zugang immer restriktiver, bis hin zum Verschluß in Panzerschränken. Daß mit zunehmender Geheimhaltungsstufe die Chancen der Deutschen Bücherei abnahmen, überhaupt von einer Dissertation zu erfahren, geschweige denn ein Exemplar zu erhalten, liegt auf der Hand. Entsprechend kompliziert ist der Standortnachweis (S. XIII) ausgefallen, und man kann nicht davon ausgehen, daß die dort genannten Standorte die endgültigen bleiben werden; vermutlich war das auch der eine Grund dafür, daß bei den Dissertationen der aktuelle Standort nicht durch ein Kürzel angegeben wurde; der andere mag darin liegen, daß die Bearbeiter keineswegs alle Dissertationen nach Autopsie aufnehmen konnten, sondern häufig auf die Promotionsakten und (handschriftlichen) Sekretierungslisten angewiesen waren.[6] Der Registerband enthält außer dem Verfasserregister drei Sachregister: 1. der Geographica, 2. der Personen und 3. der übrigen Stichwörter.

So verdienstvoll die vorliegende Bibliographie ist, so kann sie nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit sprechen; dieses kommt Der Deutschen Bibliothek zu, die versuchen müßte, alle bei ihr nicht abgelieferten Dissertationen zu beschaffen (und sei es in Mikrofiche), dazu ggf. weitere, den beiden Bearbeitern bisher entgangene[7] und alle nachträglich in den nationalbibliographischen Verzeichnissen anzuzeigen (aber bitte nicht in der Deutschen Nationalbibliographie. Reihe H), sondern in einer Neuausgabe der CD-ROM Hochschulschriften 1945/92,[8] bzw. im nächsten Fünfjahresverzeichnis (falls ein solches überhaupt noch einmal in gedruckter Form erscheinen sollte).

sh


[1]
Verschlußsache Zahnversorgung : die geheimen Doktorarbeiten der DDR und ihr Inhalt / Siegfried Stadler. // In: Frankfurter Allgemeine. - 1994-07-14, S. 35.
Eine dazu passende Dissertation ist unter Nr. 4066 verzeichnet und sei hier angeführt als Beispiel für die Form der Eintragungen:
Zückner, Martina: Effektivität und Einsatzmöglichkeit der Zahnpflegegarnitur; 85, 14 Bl., Dresden, Medizinische Akademie, Diss. A 1984 [NfD]. (zurück)
[2]
Das bedeutet allerdings nicht, daß hier immer die vollständige Dissertation nachgewiesen ist, da "bei einer Doktorarbeit über ein klassifiziertes Thema ... häufig die sensiblen Daten und Textstellen im Anhang aufgeführt (wurden), der gesondert aufbewahrt wurde (S. XXIII - XXIV). (zurück)
[3]
ZfBB 39 (1992),4, S. 315 - 326 und 41 (1994),3, S. 304 - 311. Es ist ausgesprochen bedauerlich, daß die ausführlichen Informationen dieser beiden Beiträge, insbesondere auch die Tabellen, nicht in die Einführung zur vorliegenden Bibliographie übernommen wurden, in der relativ knapp u.a. auch über die z.T. nicht nachvollziehbaren Gründe für die Sekretierung berichtet wird.
Die zusammenfassende Publikation über das Forschungsprojekt liegt vor: DDR-Dissertationen : Promotionspraxis und Geheimhaltung von Doktorarbeiten im SED-Staat / Wilhelm Bleek ; Lothar Mertens. - Opladen : Westdeutscher Verlag, 1994. - 259 S. - ISBN 3-531-12614-8 : DM 39.00. (zurück)
[4]
In der DDR gab es auch zahlreiche Kollektivdissertationen. (zurück)
[5]
"Die Promotion A vermittelte den Doktor eines Wissenschaftszweiges (Dr.)" und entsprach damit der herkömmlichen Promotion. "Die Promotion B führte zum Doktor der Wissenschaften (Dr. sc.) ... (und) trat an die Stelle der herkömmlichen Habilitation ..." (S. XXI). (zurück)
[6]
In den Fällen, in denen in den Promotionsakten die genauen Titelangaben fehlen, wird der Sachtitel durch einen schwarzen Balken ersetzt; dieses beim Blättern ins Auge springende Verfahren wird leider im Vorwort nicht erwähnt; eine Erklärung findet sich lediglich in einer Fußnote auf S. 120 mit Anwendung auf den speziellen Fall der ehemaligen Hochschule für Ökonomie "Bruno Leuschner", doch wird auch bei anderen Hochschulen in derselben Weise verfahren. (zurück)
[7]
Daß immer weitere Dissertationen ermittelt wurden, geht aus den in den jeweiligen Berichten genannten Zahlen hervor, die von Mal zu Mal ansteigen und die auch den Verlag der Bibliographie ins Schleudern gebracht haben: "rund 9.000 Dissertationen" nennt die Einführung auf S. XXIII, während es dann auf S. XXVI heißt: "die Gesamtzahl aller über 8.600 klassifizierten Doktorarbeiten"; diese Zahl übernimmt der Spezialprospekt des Verlages, während die jüngere Anzeige vom 22.07.1994 im Börsenblatt ... - 161 (1994),58, S. 7236 noch die längst überholte Zahl von "über 6.500" nennt. Daß die Bibliographie selbst dann 9.805 Eintragungen hat, liegt an der oben geschilderten Numerierungspraxis. (zurück)
[8]
Hochschulschriften / Die Deutsche Bibliothek : (CD-ROM). - Leipzig ; Frankfurt ; Berlin : Die Deutsche Bibliothek. - (Buchhändler-Vereinigung GmbH, Frankfurt am Main). - [2093] - 1945/92, Ausg. 1993. - 1 CD-ROM + Benutzerdokumentation [20 Bl.]. - ISBN 3-922051-53-7 : DM 840.00 (zurück)

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