Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 2
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A bibliography of Murray's handbooks for travellers and


94-2-317
A bibliography of Murray's handbooks for travellers and biographies of authors, editors, revisers and principal contributors / by W. B. C. Lister. - Dereham, Norfolk : Dereham Books, 1993. - XXXVIII, 187 S. ; 22 cm. - ISBN 0-9510115-2-9 : œ 18.00. - (Dereham Books, 5 Quebec Road, Dereham, Norfolk NR19 2DP, United Kingdom)
[2138]

Im Jahre 1978 erschien in der Reihe der Bibliophilen Taschenbücher ein Nachdruck der 6. Aufl. der Rheinreise von Karl Baedeker von 1849.[1] Im Nachwort dazu erwähnt Peter Baumgarten die Kontakte von Karl Baedeker zu John Murray jr. Dabei werden zwei Briefe von 1846 und 1847 des Koblenzer an den Londoner Verleger zitiert, um die geschäftlichen Beziehungen zwischen beiden aufzuzeigen. Nach der 1991 in 2. Aufl. erschienenen Baedeker-Bibliographie[2] ist es nun dank der neuen Murray-Bibliographie möglich, einen intensiven Vergleich zwischen Baedeker und seinem Zeitgenossen Murray und zwischen den von diesem herausgegebenen englischsprachigen Reisehandbüchern und den Publikationen des Koblenzer/Leipziger Verlages vorzunehmen.

Der Autor W. B. C. Lister hat in jahrelanger, intensiver Arbeit eine Bibliographie der rund 400 bei Murray zwischen 1836 und 1982 erschienenen Reiseführer vorgelegt. Sie ist in vier Abschnitte unterteilt. An die Darstellung der Reiseführer außerhalb des englischen Königreiches schließt sich die der Reiseführer über einzelne Regionen Großbritanniens an. Sprachführer und Companions to the handbooks werden ergänzend vorgestellt. Darauf folgt ein biographischer Teil von fast 90 Seiten, in dem Autoren, Herausgeber und Überarbeiter sowie sonstige Personen, die zum Inhalt der Bände beigetragen haben, vorgestellt werden mit Erwähnung, welche Bände von Ihnen bearbeitet worden sind. Eine Einführung von John R. Gretton und das Vorwort von Lister schließen die Verlagsgeschichte auf, soweit sie sich auf die Reiseführer und die bibliographischen Inhalte bezieht.

Natürlich wird auch auf das Verhältnis zwischen John Murray III. und Karl Baedeker eingegangen. Der Vergleich auf S. II soll die Schwerpunkte der unterschiedlichen Verlagsaktivitäten aufzeigen, aber gleichzeitig auch darauf hinweisen, daß Baedeker seine ersten Reisehandbücher in Aufbau und Inhalten von Murray übernommen hat. Daraus kann man nach heutigem Forschungsstand unterschiedliche Schlüsse ziehen: Baedeker war ein konzilianter Geschäftsmann, der bei allem Bemühen um die Wahrung seiner Interessen den Partner und/oder Konkurrenten geschickt in seine Aktivitäten einzubinden verstand.[3] So wie man sich gegenseitig beobachtete und auch zusammenarbeitete - London (1861) erschien als Gemeinschaftswerk beider Verlage - so lernte man voneinander bzw. war auch gemeinsam vor Raubdrucken der Firma Maison in Paris nicht sicher.

In der Firmengeschichte von Hachette[4], die anläßlich des 150jährigen Jubiläums erschien, werden die Anfänge nicht sehr genau wiedergegeben. John Murray findet ebenso wie auch Karl Baedeker Erwähnung. Dabei wird die Herausgabe der 3. Aufl. 1839 der Rheinreise von Baedeker auf Murrays Arbeit zurückgeführt. Adolphe Joanne veröffentlichte seinen ersten Reiseführer über die Schweiz im Jahre 1841, drei Jahre nach Murrays erster Auflage von Switzerland. Nach der Murray-Bibliographie soll der erste Raubdruck des Murrayschen Produktes von Maison (bei dem dann die 2. Aufl. des Reiseführers von Joanne im Jahre 1853 erschien) in englischer Sprache im Jahre 1839 erschienen sein, und zwar in Blau gebunden (Hachette gibt 1841 an). Ab 1843 folgten dann französische Übersetzungen; Ähnliches widerfuhr Baedeker im Jahre 1851. Später arbeiteten Murray und Maison zusammen, wie die 10. Aufl. des Manuel du voyageur en Suisse et en Tyrol[5] zeigt. Ob nun Raubdruck oder Zusammenarbeit, hier scheint noch einiges klärungsbedürftig. 1855 verkaufte Maison seine Reiseführer-Serie, die bis dahin aus 38 Bänden bestand, an Hachette, und somit bedarf die Angabe zu den französischen Drucken von Murray/Maison unter Nr. 56 der Bibliographie entweder von Hachette oder von Lister der Erklärung.

Grettons Feststellung in seiner Einführung, daß Baedekers erste eigene Arbeit die 6. Aufl. 1849 der Rheinreise sei, ist nicht zutreffend. Als Baedeker die Röhlingschen Produkte im Jahre 1832 übernahm, kannten sich beide Verleger noch nicht. 1835 folgte bei Baedeker die 2. Aufl. und 1839, drei Jahre nach Murrays erstem Band, die 3. Aufl., die sich nur auf den Rhein beschränkte. Im gleichen Jahr folgten dann noch die ersten Auflagen von Holland und Belgien. Dabei bezieht sich der deutsche Verleger auf das Vorbild des Murray mit dem "rothen Buch". Die Baedeker dieser Zeit waren in gelb-grünen Biedermeiereinbänden gebunden, die Inhalte unterscheiden sich. Ein genauer Textvergleich sowohl vom Englischen zum Deutschen als auch in späteren Bänden in der umgekehrten Richtung könnten inhaltliche Erkenntnise zulassen. Für den erstmals 1842 erschienenen Deutschland-Band hatte Baedeker schon 1839 versucht, Otto v. Czarnowsky als Bearbeiter zu gewinnen, dessen Mosel-Band 1841 bei Hölscher in Koblenz erschienen war. Da dieses nicht klappte, bereiste Karl Baedeker Deutschland, um den Band dann fertigzustellen. Das Vorbild dürfte sich damit etwas relativieren.

Lister erläutert in seinem Vorwort ausführlich die Prinzipien, die ihn bei der Bearbeitung seiner Bibliographie geleitet haben und jeder Benutzer sollte diese Ausführungen lesen. Es zeigt sich auch bei den Reisehandbüchern von Murray, daß sie durch das Bemühen um Aktualität Veränderungen im Laufe der Herstellung von ein und derselben Auflage erfuhren. Das Auswerten bibliographischer Daten anhand der Verlagsveröffentlichungen konnte nur im Vergleich mit Originalbänden erfolgen. Dabei mußte die eine oder andere Angabe ungeklärt bleiben; auch konnten einige Bände noch nicht beschrieben werden, da sie bisher nicht auffindbar waren. Neben drei bisher nicht entdeckten Bänden (S. XXXIV) vermutet der Autor auch noch die Existenz bisher nicht registrierter Ausgaben der Sprachbücher. Nicht berücksichtigt hat der Autor die Beigabe von Karten und Plänen in den Reisehandbüchern, so daß ein Kollationieren vorliegender Bände in dieser Hinsicht nicht möglich ist. Ähnliches gilt z.T. für die lediglich aus den Bänden übernommenen Seitenangaben. Die Anzeigenanhänge, die es seit 1840 in den Reisehandbüchern gegeben hat, sind gleichfalls nicht erfaßt.

Die Bibliographie führt die Bände nach den ersten Erscheinungsdaten der einzelnen Gruppen in fortlaufender Numerierung auf. Die z.T. ausführlichen Annotationen enthalten Angaben zu den Autoren, zu Varianten in Inhalt und beim Einband sowie bei der Beschriftung. Zusätzlich zu den vom Verlag veröffentlichten Ausgaben werden auch nicht vom Verlag Murray herausgegebene Publikationen zitiert, wie z.B. die französische Ausgabe von Richard, die als Übersetzung des Murray'schen Handbook 1841 und 1847 über die Rheinlande erschienen ist (dem Rezensenten ist auch eine Ausgabe von 1842 bekannt).

Die Systematik von Lister ist auf den ersten Blick nicht immer klar erkennbar. Die 3. Aufl. des Handbook for travellers on the Continent... : Northern Germany ist unter den Nummern 5 - 9 zu finden, während die 3. Auflagen von Southern Germany von 1843 und 1844 unter einer Ordnungsnummer zusammengefaßt sind. Am Beispiel der 7. Aufl. des Reisehandbuches für Süddeutschland von 1855 darf die Schwierigkeit der exakten bibliographischen Erfassung erläutert werden.[6]

Der erste Teil dieser Bibliographie mit der Beschreibung der Bände außerhalb der Britischen Inseln umfaßt 286 laufende Nummern. Unter den Ausgaben finden sich im Gegensatz zu Baedeker auch Reiseführer über Japan und Formosa sowie Neuseeland. Der Band für Indien mit Ceylon, Burma, Pakistan und Nepal wurde (verständlicherweise) bis 1982 veröffentlicht. Murray hatte schon früh zahlreiche Autoren zur Beschreibung der Länder herangezogen (vgl. den biograpischen Teil). Beim Band über Neuseeland könnte das vollständige Manuskript zur Erweiterung des Verlagsprogramms übernommen worden sein, wie Listers Hinweis auf den Erwerb des Copyrights für 126 œ vermuten läßt.

Die regionalen Reiseführer für das englische Königreich wurden mit einem London-Band im Jahre 1849 begonnen. Als letzter Band erschien ein Band für Schottland in der 9. Aufl. von 1913 (Nr. 287 - 404). Die Sprachführer gab es - wie schon erwähnt - seit 1844, die letzte Auflage erschien 1927.[7] Unter den Companions to the handbooks fällt die Erwähnung eines Ansichtenbuches in der Kombination mit einem Reiseatlas aus dem Jahre 1844 auf. Hier handelt es sich um nichts anderes als um eines der zahlreichen Werke von Karl Jügel, die nicht nur unter seinem Verlagsnamen, sondern in Ergänzung auch bei anderen Verlagen erschienen waren, wie auch z.B. das in der Bibliographie nicht erwähnte Buch Bubbles from the Brunnen of Nassau by an old man, das u.a. auch mit den Verlagsnamen Murray bzw. Baedeker erschienen ist.

Im ersten in der Bibliographie verzeichneten Titel, A hand-book for travellers on the Continent[8] von 1836, sind in einem dem Rezensenten vorliegenden Exemplar Vorläuferbände zu den Handbooks als Guidebooks for travellers on the Continent aufgeführt. Diese in der Bibliographie von Lister nicht genannten Vorläuferbände wären jedoch aufnehmenswert gewesen, da der Verleger im Vorwort ausdrücklich sagt, daß das Handbuch für die Schweiz in einer 3. Aufl. mit neuen Informationen erscheinen wird, währenddessen die 2. Aufl. sich gerade im Druck befinde. Die 2. Aufl. hieß: Simon's Switzerland, 2nd edition. Der erste Teil enthielt die Beschreibung einer Reise durch die Schweiz mit Angaben zum Aufenthalt, den zweiten Teil bildete ein historischer Abriß des Landes. Es gibt zumindest 14 Vorläufertitel, die John Murray bis zur Herausgabe des ersten eigenen Bandes verlegt hat.

Die Bibliographie der Reisehandbücher von Murray schließt eine weitere Lücke, die insbesondere von Sammlern dieser Reisehandbücher empfunden wurde. Der Benutzer wird sich zu Beginn genau einarbeiten müssen, da - abgesehen vom Inhaltsverzeichnis - der Band leider durch kein Register erschlossen wird. Inwieweit inhaltliche Verbesserungen notwendig werden, vermag der Rezensent derzeit nicht zu beurteilen, da ihm ausreichend Vergleichsbände hier nicht zugänglich sind. Genauere Kollatiosangaben (Karten und Pläne, Anzeigenanhänge) sind für eine neue Auflage wünschenswert. Darüber hinaus scheint eine klarere Gliederung denkbar, die sich nicht nur an den ersten Erscheinungsdaten der Bände orientiert.

Zum Abschluß soll auf die zunehmende Bedeutung alter Reiseführer auf dem Antiquariatsmarkt eingegangen werden. 1975 wurden in Deutschland 10 Baedeker und 1 Murray versteigert, 15 Jahre später waren es rund 400 Baedeker und wiederum 1 Murray.[9] Die Preise haben sich z.T. verdoppelt bzw. verdreifacht. Dabei ist die Geldentwertung in 15 Jahren zu berücksichtigen, aber auch ganz deutlich die verstärkte Nachfrage. Gesammelt wird aus unterschiedlichen Gründen: Vollständigkeit oder Teilvollständigkeit eines Sammelgebietes, Wertanlage und besonders bei Reiseführern das wachsende Interesse für das touristische Reisen nach 1800. Die Reiseführer enthalten eine Fülle von reisetechnischen, kulturellen, wissenschaftlichen und ethnischen Angaben, die eine Fundgrube für Sammler darstellen und sich zur wissenschaftlichem Auswertung anbieten. Es fanden inzwischen mehrere Symposien statt, die sich mit diesem Thema beschäftigten, in Berlin gibt es ein Institut für Tourismus, das sich mit der Geschichte des Reisens befaßt und in den letzten zehn Jahren sind zahlreiche, aber keineswegs genügend Publikationen zu dieser Thematik erschienen. Die Wertschätzung des Sammlers für das einzelne Produkt weist in Deutschland die Rangordnung Baedeker, Meyer, Grieben, Woerl, Murray auf, in Frankreich und in England haben die Namen von Hachette (Guides Joanne) und Murray neben Baedeker einen sehr guten Klang. Der Antiquariatsbuchhandel benötigt daher in immer stärkerem Maße zur Beurteilung dieser Spezies Buch verläßliche Bibliographien und Untersuchungen, da dieses Teilgebiet bisher in Seminaren nicht gelehrt wird. Die Bibliographien über Baedeker, Meyer[10] und nun Murray sind die ersten Ansätze zur bibliographischen Kontrolle der Reiseführerliteratur nach 1800; weitere sollen und werden folgen, auch solche in elektronischer Angebotsform.

Alex W. Hinrichsen


[1]
Rheinreise von Basel bis Düsseldorf... / Karl Bädeker. - 6. verbesserte und vermehrte Auflage der Klein'schen Rheinreise, Koblenz 1849. - Nachdruck. - Dortmund : Harenberg, 1978. - LVIII, 376 S. : Ill. - (Die bibliophilen Taschenbücher ; 29). (zurück)
[2] Baedeker's Reisehandbücher : 1832 - 1990 ; Bibliographie 1832 - - 1944, Verzeichnis 1948 - 1990, Verlagsgeschichte / von Alex W. Hinrichsen. - 2. Aufl. - Bevern : Hinrichsen, 1991. - 344 S. ; 16 cm. - ISBN 3-922293-19-0 : DM 76.00. - (Verlag Ursula Hinrichsen, Postfach 1451, 37594 Holzminden). - Vgl. ABUN in ZfBB 38 (1991),4, S. 395 - 400. (zurück)
[3]
Dazu eine bemerkenswerte Tatsache: 1836 erschien bei Baedeker erstmals das Travellers manual of conversation in English, German, French and Italian, Murrays Sprachführer folgte 1844. (zurück)
[4]
L'art du voyage : 150e anniversaire des Guides bleus. - Paris : Hachette, 1991. - 126 S. (zurück)
[5]
Manuel du voyageur en Suisse et en Tyrol / L. Maison. - 10. éd., revue et corrigee. - Paris, 1852. (zurück)
[6]
Murray nennt auf Seite VI die dem Band beigegebenen Pläne von München, Nürnberg, Wien und Prag auf den Seiten 50, 91, 189 und 451 sowie die Reisekarte, die am Ende eingebunden ist. In einem Originalband ist der Plan von Prag der Seite 449 zugeordnet. Nach der Seite 573 folgt ein nn. Bl., dann die Index map to the Travellers handbook to the Continent. Ein 32seitiger Anhang schließt sich an. Lister verzichtet auf diese ausführlichen Angaben. (zurück)
[7]
Das Conversation dictionary in English, French and German von 1884 fand bei Baedeker fünf Jahre später als viersprachiges Werk eine Nachahmung. (zurück)
[8]
A hand-book for travellers on the Continent : being a guide through Holland, Belgium, Prussia, and Northern Germany, and along the Rhine, from Holland to Switzerland. - London : John Murray and Son, 1836. - Das Vorsatzpapier stammt von August 1836. Die Paginierung ist wie folgt: XXXII, 6 [Corrections and ... 1837], 462 S. (zurück)
[9]
Taschenbuch der Auktionspreise alter Bücher. - Aachen. - Bd. 1 (1975) bzw. Bd. 16. 1990 (1991). (zurück)
[10]
Wegweiser durch Meyers Reisebücher : 1862 - 1936 ; Bibliographie / von Werner Hauenstein. Mit Abb., Tabellen, Register und einer Einführung von Alex W. Hinrichsen. - Stadtoldendorf : Hinrichsen, 1993. - 169 S. ; 16 cm. - ISBN 3-922293-28-X : DM 69.00. - (Verlag Ursula Hinrichsen, Postfach 1451, 37594 Holzminden). - Vgl. IFB 94-1-147. (zurück)

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