Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 2
[ Bestand in K10plus ]

The literature of music bibliography


94-2-293
The literature of music bibliography : an account of the writings on the history of music printing & publishing / D. W. Krummel. - Berkeley, Calif. : Fallen Leaf Press, 1992. - XIX, 447 S. ; 24 cm. - (Fallen Leaf reference books in music ; 21). - ISBN 0-914913-21-2 : $ 75.00. - (Fallen Leaf Press, P.O. Box 10034, Berkeley, CA 94709-5034)
[1652]

Donald William Krummel, Professor of Library and Information Science an der University of Illinois in Urbana-Champaign (USA), Autor zahlreicher wichtiger Veröffentlichungen zum Thema Musikbibliographie (u.a. Artikel im New Grove[1]) und zur Geschichte des Musikdrucks,[2] ist im angelsächsischen Bereich eine Autorität seines Faches.[3] Was seine musikbibliographischen Publikationen auszeichnet sind nicht nur akribischer Sammlerfleiß und eine im Zeitalter EDV-unterstützter Kompilation von Daten keineswegs mehr selbstverständliche - auf Autopsie beruhende - Kenntnisse dessen, was er verzeichnet. Krummel ist darüberhinaus ein ebenso versierter Theoretiker, der die bibliographische Tätigkeit nicht nur als Handwerk, sondern ebenso als Wissenschaft begreift. Konzeptionale und methodenkritische Reflexion über das Bibliographieren und der formalistische Akt des Titelverzeichnens gehen Hand in Hand.

Auch Krummels neuestes Werk ist mehr als eine kenntnisreiche Reihung von Buch- und Aufsatztiteln. Die rahmenden Kapitel (1 und 9) sind ausschließlich der Theorie vorbehalten; dort referiert er intelligent und lehrreich - und das meint: diskussionswürdig - Aufgabenstellung, Anforderung und Problematik im Hinblick auf das Erstellen einer idealtypischen Musikbibliographie. Dabei profitiert er in den Grundgedanken natürlich sehr stark von dem bereits im Grove-Artikel Geschriebenen. Den übrigen Kapiteln, die die Literatur verzeichnen, gehen nicht selten umfangreiche Einleitungen voraus, die die Prinzipien der Systematisierung innerhalb der einzelnen Kapitel[4] reflektieren und zu legitimieren versuchen; was denn nun als major oder special qualifiziert ist, muß ja begründet sein. Das Buch ist also eine Mischung von "bibliographical list" und "prose narrative" in der ausgesprochenen Hoffnung des Autors "that it will be both read as a text and consulted as an index" (S. 358).

Das Buch ist in 9 Großkapitel gegliedert. Hauptteil von Kapitel 1 ist eine Agenda of music bibliography, in der er die Problematik im Umgang mit gedruckten musikalischen Werken darlegt: Description, dating, plate numbers, u.a. Seine Ausführungen zu den einzelnen Stichwörtern leitet er stets mit einer Frage ein ("nine interrelated questions"), die ein Bibliograph nach Krummels Auffassung an die Vorlage zu richten habe. Es folgen als weitere Kapitel: 2. Historical surveys of music printing, 3. The technology of music printing, 4. Printed music as a graphic art, 5. Musical commerce and property, 6. National literatures (nach Ländern gegliedert mit jeweils umfangreichem Verzeichnis aller wichtigen Drucker und Verleger eines Landes, von den Anfängen bis 1920), 7. The institutional setting (Literatur zu: Geschichte der Musikbibliotheken, Musikantiquare und -sammler, Bibliophile Editionen), 8. Reference works, 9. Epilogue (reflektiert noch einmal auf die Agenda im 1. Kapitel "with a view to future scholarship"). Ein Verfasser- und ein Sachregister bilden den Erschließungsteil.[5] Berichtszeitende ist 1991.

Der Autor selbst sieht sein Buch als eine Ergänzung zum Grove handbook on music printing and publishing, als dessen Mitherausgeber er zeichnet, und stellt sich zugleich bewußt in die Nachfolge von ke Davidssons Bibliographie zur Geschichte des Musikdrucks.[6] Krummel allerdings annotiert ausführlich, während Davidsson nur die Titel aufführt. Außerdem hat er die Namen von Autoren, die bei Davidsson nur mit Initialen aufgeführt sind, eruiert und wo nötig die bibliographischen Angaben vervollständigt. Eine Überprüfung ergab, daß sämtliche wichtigen Titel zu "Noten- und Musikdruck" im 15. Jahrhundert[7] bei Krummel verzeichnet sind, und: er hat auch hier vorbildlich die dort nur abgekürzt wiedergegebenen Vornamen ausgeschrieben. Kapitel 6, National Literatures, allerdings leidet an einer zu stark auswählenden Verzeichnung, der in diesem Falle offenbar rein formale Kriterien zu Grunde liegen. In der Regel nennt Krummel ausschließlich nationalsprachliche Publikationen des jeweiligen Landes und natürlich englischsprachige Literatur. Eine für den Forscher informative Veröffentlichung wie die von Rudolf Harneit[8] ist deshalb in dieser Bibliographie nicht zu finden. Doch das mag ein Einzelfall sein. Mitunter erwähnt er in den Annotationen noch Veröffentlichungen, die aber keinen eigenen Haupteintrag erhalten, weil, wie er selbstbewußt anmerkt, "I have not seen them".

Das Buch ist an keiner Stelle trocken oder spröde geschrieben. Gelegentlich schleicht sich gar ein Schmunzeln in den Text.[9] Die Annotationen vermitteln sämtlich einen kompetenten Eindruck und machen deutlich, daß Krummel einen Großteil des nicht englisch Geschriebenen gelesen und verstanden hat. Ganz ohne Zweifel ist dies ein faszinierendes Werk, intelligent und anspruchsvoll gemacht. So hat es alles, was es zu einem Standardwerk prädestiniert.

Reiner Nägele


[1]
Bibliography of music. // In: The New Grove dictionary of music and musiciens / ed. by Stanley Sadie. - London : Macmillian [u.a.]. - Vol. 2 (1980), S. 682 - 692. (zurück)
[2] Neben unzähligen Artikeln und Rezensionen in einschlägigen Zeitschriften sind vor allem zu nennen: English music printing 1553 - 1700 / D. W. Krummel. - London : The Bibliographical Society, 1975. - XII, 188 S. und Music printing and publishing / ed. by D. W. Krummel and Stanley Sadie. - London : Macmillan ; New York, NY : Norton, 1990. - XIV, 615 S. - (New Grove handbooks in music). - Auch zu allgemeinen Problemen der Bibliographie hat er ein lesenswertes Büchlein verfaßt: Bibliographies : their aims and methods / D. W. Krummel. - London [u.a.] : Mansell, 1984. - X, 192 S. - (Vgl. ZfBB 32 (1985),1, S. 51 - 61.) (zurück)
[3]
Man lese nur einmal die Rezension zu Krummels English music printing // In: Notes. - 34 (1977),1, S.65 - 67. (zurück)
[4]
Z.B. untergliedert er das 2. Kapitel "Historical surveys of music printing" nochmals in vier Sektionen: A. Major scholary writings, B. Brief historical surveys, C. Major general reference sources, D. Special topics. (zurück)
[5]
Eigentümlicherweise taucht Krummels Name im Verfasserregister nicht auf, obwohl natürlich seine Publikationen in den entsprechenden Kapiteln aufgeführt sind. (zurück)
[6]
Uppsala : Almquist & Wiksell, l965. - (Studia musicologica Upsaliensia : N.S. ; 1). Krummel nennt es "the major precursor of this book" (S.VIII). (zurück)
[7]
Im Vergleich mit Der Buchdruck im 15. Jahrhundert : eine Bibliographie / hrsg. von Severin Corsten ... - Stuttgart : Hiersemann. (Hiersemanns bibliographische Handbücher ; 7). - Teil 1. Bibliographie. - 1988. - XVIII, 699 S. - (Vgl. ABUN in ZfBB 36 (1989),5, S. 447 - 450.) (zurück)
[8]
Fingierter Druckort: Paris : zum Problem der Raubdrucke im Zeitalter Ludwigs XIV / Rudolf Harneit. // In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte. - 14 (1989),1, S. 1 - 18. (zurück)
[9]
Unter Nr. 250 verzeichnet er "Der Notenstecher, Die Musik, 26 (1933), 71 - 72." Dazu Krummels kurzer Kommentar: "Brief astonishment at the wonder of it all". (zurück)

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