Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 2
[ Bestand in K10plus ]

The encyclopedia of language and linguistics


94-2-267
The encyclopedia of language and linguistics / ed.-inchief R. E. Asher. - 1. ed. - Oxford [u.a.] : Pergamon Press, 1994. - Vol. 1 - 10 ; 30 cm. - ISBN 0-08-035943-4 : $ 2975.00
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Zu Recht begreift die vorliegende Enzyklopädie - für die der Herausgeber den Zitiertitel ELL vorschlägt - die Linguistik als "an interdisciplinary subject par excellence" (Vol. 1, S. XIII - XVIII). Konsequenterweise finden Grenzfelder zu benachbarten Wissenschaften wie Anthropologie, Philosophie, Psychologie und Soziologie eine für linguistische Nachschlagewerke ungewöhnlich große Beachtung; unter den ca. 2.400, von Fachleuten aus 75 Ländern geschriebenen und - mit wenigen Ausnahmen - namentlich gezeichneten Beiträgen begegnen daher Artikel wie Epistemology, Intellectuals, Ontology und Self, definition of. Auch der Sprachgebrauch im Erziehungswesen, in der Rechtsprechung und der Politik wird großzügig einbezogen. Welch großes Gewicht überdies dem wechselseitigen Verhältnis zwischen Religion und Sprache beigemessen wird, belegen Artikel wie Hinduism, Judaism, Religion, Religious language, Roman religion. Wie ernst man die Sprachverwendung in massenmedialen und populärkulturellen Kontexten nimmt, bezeugen Artikel wie Comics, Film, Media, mass media, and multimedia und Rock music. Bei alledem wird der Kernbereich der Linguistik, u. a. vertreten durch grammatikalische Termini wie Verbs and verbs phrases oder linguistische Modelle wie Dependency grammar, nicht vernachlässigt. Die neueren linguistischen Strömungen werden erwartungsgemäß dokumentiert, ungewöhnlich hingegen - und vorbildlich - ist das große Engagement, mit dem man sich für die Darstellung der älteren abendländischen (Beispiel: Linguistic theory in the later middle ages) und auch der außereuropäischen Theoriegeschichte der Sprachwissenschaft einsetzt (Beispiele: Hindu views on language, Japan: history of linguistic thought). Die traditionellen Anliegen der Humaniora werden somit in mustergültiger Weise mit neueren semiotischen, kommunikationstheoretischen und medienwissenschaftlichen Ansätzen verbunden.

Die in unterschiedlichem Maße von den meisten linguistischen Nachschlagewerken vernachlässigten oder gar ausgeschlossenen Beiträge zu einzelnen Sprachen, Sprachengruppen, Sprachfamilien und Ländern einerseits sowie biographische Artikel andererseits sind in der ELL reichlich vertreten. Unter den mehr als 500 biographischen Artikeln finden sich allein in der Buchstabenfolge Ra die folgenden Namen: Radulphus Brito; Rajarajavarma, A. R.; Ralph of Beauvais; Ramaswami Aiyar, L. Vishwanatha; Ramus, Petrus; Rask, Rasmus Kristian; Ratke, Wolfgang; Raumer, Rudolf von.

Die vornehmlich an einen akademischen Adressatenkreis gerichtete, aber dennoch in einem anschaulichen Stil geschriebene, zweispaltig gedruckte Enzyklopädie zielt nicht in Art einer micropaedia auf die Berücksichtigung möglichst zahlreicher Kleinartikel ab; sie weist eher Züge einer auf Bündelung und Synthese des Wissens ausgerichteten, mit Großartikeln versehenen macropaedia auf. Beispielsweise begegnet anstelle kleinerer Einzelartikel zu Dative und Genitive ein umfassender Artikel zu Case. Ungeachtet dieser Tendenz zur macropaedia finden sich neben längeren Artikeln (Semiotics, 12 S.) auch kleinere Beiträge (Madeira: language situation, 3 Zeilen). Umfänglichere Artikel werden durch Zwischentitel strukturiert; um allzu große Umfänge zu vermeiden, durch die die Vorteile der macropaedia in ihr Gegenteil gekehrt würden, werden vielfach (wie anhand einiger bereits angezeigter Lemmata erkennbar) präkombinierte Lemmata gewählt, z. B. Machine translation in Europe, Machine translation: history and general principles, Machine translation in North America. In manchen Fällen trägt dies zu einer gewinnbringenden Aspektuierung bzw. Facettierung bei (Beispiel: France: language situation, Franglais, French, French dictionaries: Estienne to the late twentieth century, French: period dictionaries). Die Artikel sind in der Regel mit Auswahlbibliographien versehen, die grundlegende weiterführende Literatur enthalten, deren Titelzahl aber sinnvollerweise nicht linear zur Bedeutung des Gegenstandes bzw. Länge des Artikels wächst (Beispiele: Netherlands: language situation, 1 Titel, Lexicography, 20 Titel). Die Verweisungen zwischen den einzelnen Artikeln lassen eine gewisse Übersichtlichkeit und Stringenz vermissen (vgl. in diesem Kontext die problematischen Ausführungen zur Aufnahme von Artikeln zu einzelnen Indianersprachen im Beitrag Native American languages).

Weitere Informations- und zusätzliche Zugriffsmöglichkeiten eröffnet neben Bd. 1 (List of articles, S. XXIX - XLVII) vor allem Bd. 1O. Ein für die rasche Konsultation gedachtes, mit mehr als 3.000 Begriffen bestücktes Glossary (S. 5087 - 5188) enthält für den Laien gedachte Kurzdefinitionen (Beispiel Idiolect: "The dialect of one person, an individual's personal speech habits", S. 5132). Das Verzeichnis Languages of the world (S. 5189 - 5240) informiert unter dem Lemma der Sprachbezeichnung über synonyme Benennungen, die sprachgenetische Zuordnung, die Länder, in denen die jeweilige Sprache gesprochen wird, und die geschätzte Zahl der native speakers (Beispiel Fur: "Nilo-Saharan. Sudan, Chad. 501,086", S. 5204). Es folgen List of major language and linguistic journals (S. 5241 - 5247), List of abbreviations (S. 5249 - 5268), List of logical symbols used (S. 5269), Transcriptional conventions and the IPA alphabet (S. 5271 - 5275) und eine Classified list of entries (S. 5277 - 5307), die für einen thematic guide (S. 5277) zu stark am Prinzip der alphabetischen Ordnung ausgerichtet ist (Beispiel: unter Semantics begegnet Applied semantics vor General theoretical notions in semantics). Den Abschluß bilden: List of contributors (S. 5309 - 5340), Name index (S. 5341 - 5421) und Subject index (S. 5423 - 5644).

Der Kauf der ELL ist für jede Universalbibliothek trotz des - in Zeiten kulturfeindlicher Etateinschränkungen - prohibitiven Preises insbesondere aufgrund des interdisziplinären und anthropologischen Ansatzes und der damit verbundenen großen Inklusivität von Artikeln, die in anderen Nachschlagewerken nicht zu finden sind, unbedingt zu empfehlen.

Werner Bies


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