Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 1
[ Bestand in K10plus ]
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The Witt Library in the Courtauld Institute of Art


94-1-069
The Witt Library in the Courtauld Institute of Art . - Haslemere : Emmett Publishing
[1994]
[Grundwerk]. - 1990. - [Pt.] 1 - 4. - 14854 Mikrofiches. - ISBN 1-869934-28-8 : œ 25000.00
10 year update 1981/91. - 1992. - 5719 Mikrofiches + Printed microfiche contents list [56 S.]. - ISBN 1-869934-29-6 : œ 13860.00

Die Witt Library, eine von Robert Witt seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert privat aufgebaute Abbildungssammlung mit den Schwerpunkten Malerei und Graphik, wurde nach seinem Tod 1952 definitv Teil des Courtauld Institute of Art. Sie wurde seitdem kontinuierlich ausgebaut und bildet inhaltlich das Pendant zur Conway Library. Bei der Reproduzierung der Sammlung auf Mikrofiche 1981 erbrachte dies 1.400.000 Abbildungen von Gemälden, Zeichnungen und Druckgraphik von mehr als 50.000 Künstlern auf knapp 15.000 Mikrofiches, wozu weitere ca. 560.000 Abbildungen im Supplement kommen. Damit ist die Witt Library jetzt eine der größten über das Medium Mikrofiche allgemein zugänglichen Abbildungssammlungen zur bildenden Kunst, insbesondere zur Malerei.

Die primäre Ordnung der Sammlung erfolgt nach Länderschulen (im Länderalphabet), die in vier Teilen auch getrennt zum Kauf angeboten werden: Teil 1: American, Australian, British, Canadian and Czech & Bohemian School; Teil 2: French and German & Austrian School; Teil 3: Greek, Hungarian, Italian and Middle Eastern School; Teil 4: Netherlands, Polish, Portuguese, Rumanian, Russian, Scandinavian, South & North African, South & Central American, Spanish, Swiss, Westernised Oriental and Yugoslavian School. Die Aufführung macht die Eurozentrierung dieser Sammlung deutlich; die genannten außereuropäischen "Länder" sind von zu vernachlässigendem Umfang (z.B. nur 29 Mikrofiches des Grundwerks für die South & Central American School; die großen asiatischen Kulturen sind gar nicht berücksichtigt usw.). Aufgrund der für den Verlag günstigen Einteilung der Länder in Gruppen wird demjenigen, der mit der Sammlung Überblicksmaterial nur zu den zentralen Strömungen der abendländischen Malerei und Graphik erwerben möchte und dabei nicht auf eine der großen Länderschulen spezialisiert ist, die Parzellierung der Sammlung (und des Preises) wenig nutzen, da alle Teile für einen Überblick unverzichtbares Material enthalten. So birgt Teil 1 mit 3.188 Mikrofiches eine der umfangreichsten Sammlungen zur britischen bildenden Kunst überhaupt; Teil 2 wird in seiner Gesamtheit für einen Kernbestand zu berücksichtigen sein (2.806 Fiches zu Frankreich, 1.348 zu Deutschland); die italienische Malerei (2.921 Fiches) ist Teil 3, die Niederlande (2.861 Fiches) und Spanien (479 Fiches) sind Teil 4 zugeordnet. Diese klassischen Kernbereiche entsprechen zugleich auch den Sammlungsschwerpunkten der Witt Library selbst. Daher muß man, um einen unter sammlungs- und inhaltsspezifischem Aspekt repräsentativen Querschnitt zu gewinnen, bei der Witt Library - anders als bei der Conway Library mit ihrer größeren thematischen Divergenz der Publikationsteile - von der Notwendigkeit der Erwerbung der kompletten Sammlung ausgehen.

Innerhalb der Länderschulen wird einzig nach dem Künstleralphabet geordnet; Abweichungen von der strengen Alphabetordnung sind gelegentlich auf der Stufe der nachordnenden Vornamen zu berücksichtigen (z.B. folgt auf Bacon, A - Z, noch Bacon, Francis, da dieser besonders umfangreich vertreten ist). Da weder Angaben und Einteilung auf den Mikrofiches durch Präsentation z.B. in Schuppentafeln sofort zu überblicken sind noch Leitkarten die Ordnung(sabweichung) verdeutlichen, kann eine Recherche bereits aus diesen banalen Gründen schnell ins Leere führen. Zudem sind bei ergebnisloser Suche englische Schreibformen usw. bzw. Namensansetzungen - vor allem bei alten Meistern - als mögliche Fehlerquelle zu bedenken; Verweisungen auf abweichende Namen(sformen) fehlen. Zumindest bei der dieser Rezension zugrunde liegenden Ausgabe des Grundwerks fehlt jegliches gedruckte Begleitmaterial wie Indizes etc., das die Recherche erleichtern könnte. Erst mit dem Supplement wurde ergänzend eine Inhaltsliste zu den Mikrofiches vorgelegt, die sich allerdings auf die Wiedergabe der Leistenüberschriften beschränkt. Für das Grundwerk kann daher zur allgemeinen Orientierung nur auf eine bereits 1978 und somit unabhängig und vor der Mikrofiche-Ausgabe veröffentlichte alphabetische Kurzliste der Künstler zurückgegiffen werden, die auch die Zuordnung zu den Länderschulen anzeigt.[1]

In der Witt Library sind Künstler vom Hochmittelalter bis zum 20. Jahrhundert (überwiegend der klassischen Moderne) vertreten. Bei Künstlern, zu denen umfangreiches Abbildungsmaterial vorliegt, wird dabei das malerische und graphische Werk nochmals differenzierter geordnet, meist grob nach motivischen Gesichtspunkten. Die Abbildungsangaben (Objektdaten, Quellen) sind zwar im Vergleich zu denen der Conway Library geradezu ordentlich und ausführlich, doch immer noch von schwankender Qualität. Das Abbildungsmaterial entstammt zu einem großen Teil Buch-, Aufsatz- und Ausstellungspublikationen zum jeweiligen Künstler, zum Teil wurde es aus anderen großen Abbildungssammlungen übernommen; die Datengüte variiert daher mit der jeweiligen Quelle. Bei der Bildbeschriftung und damit gerade bei den Datenangaben stößt die Mikrofiche-Wiedergabe leider gelegentlich an ihre Grenzen: manche Beschriftungen sind einfach nicht mehr lesbar. Auch in der Witt Library muß mit verirrten Bildern gerechnet werden, doch sind diese meist im Kontext als Vergleichsmaterial zu erklären, so z.B. Ghibertis Taufdarstellung vom Florentiner Baptisterium und ein Bild von Turner unter den Abbildungen zu Piero della Francesca. Praktisch ist es sicherlich, daß bei einzelnen Künstlern auch zugeschriebene Werke und Werke der Schule erfaßt sind.

Stärker als bei Abbildungssammlungen, die der Architektur gewidmet sind, wird sich für Sammlungen zur Malerei die Frage stellen, welchen Nutzen Schwarz-Weiß-Reproduktionen auf Mikrofiches haben können. Während für den Bereich der Architektur allein die Dokumentation, Detailaufnahmen, der Nachweis historischer Zustände etc. schon per se einen Informationswert darstellen und Farbigkeit in den meisten Fällen keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, tritt bei der Malerei mit dem Verzicht auf die farbige Wiedergabe eine erhebliche Informationsbeschränkung ein. Der dennoch mögliche Wert einer derartigen Abbildungssammlung steht und fällt also mit ihrer Erschließung, also mit einer über die rein malerisch orientierte Künstler-(Einzel-)Werk-Perspektive hinausgehenden Nutzung. Zwar könnten Abbildungssammlungen in der Größenordnung der Witt Library bereits allein aufgrund ihres Umfangs (auch zu einzelnen Künstlern) von Wert sein, indem sie einen schnellen und umfassenden Werküberblick ermöglichen. Aber wenn der Recherchezugriff nur über den jeweiligen Künstler möglich ist, so wird doch eine derartige Sammlung in Fällen guten Buchbestandes immer mit dem direkten Weg zu Material in besserer Abbildungsqualität - wie es sich in einer gedruckten Künstlermonographie findet - konkurrieren. Da die Witt Library auch Wiedergaben unselbständig publizierten und damit in vielen Bibliotheken schlecht erschlossenen Materials (z.B. aus Zeitschriften) enthält, könnte sie die Funktion eines Abbildungs-Index übernehmen, in dem die Abbildung auf Mikrofiche eine Vororientierung erlaubt und die Quellenangaben dann das Auffinden der Abbildung in besserer Qualität ermöglichen. Doch steht dieser Nutzung der Witt Library die heterogene Qualität der Angaben auf den Mikrofiches entgegen. Der andere Weg zu qualitativ besseren Abbildungen, wie ihn etwa das Bildarchiv Foto Marburg und Alinari anbieten, nämlich die Direktbestellung von Abzügen, ist bei der Witt Library nicht möglich bzw. auf die Fälle beschränkt, in denen sie Negative besitzt.

Interessant sind große Abbildungssammlungen gerade von Gemälden in jedem Fall für ikonographische Fragestellungen und darüber hinaus bieten sie leicht zugängliches Quellenmaterial für viele geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen. Hier läßt sich dann durchaus nutzbringend mit Schwarzweißbildern auch in etwas minderer Qualität (selbst hinsichtlich der Objektangaben) arbeiten. Allerdings setzt dies entweder eine entsprechende Grundordnung der Sammlung voraus oder aber ikonographische Registererschließung. Sehr gute Voraussetzungen für diese Nutzung bietet von den besprochenen Abbildungssammlungen nur der Marburger Index mit seinem vielfältigen und detaillierten Registerangebot. Seine Größenordnung erlaubt zudem eine respektable Ausbeute für viele derartige Recherchen. Der Zusatz zum Sachtitel Inventar der Kunst in Deutschland bedeutet jedoch - insbesondere jenseits der Architektur - keineswegs eine Beschränkung auf Nachweise "deutscher Kunst", sondern gerade bei der Reproduktion von Beständen deutscher Museen Material zur bildenden Kunst verschiedenster Provenienz und Länderschulen. Brauchbare thematische Zugriffsmöglichkeiten bietet durch die Grundgliederung und die gedruckte Systematik auch die Abbildungssammlung des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, sowie - zumindest für die durch Register erschlossenen Teilbereiche - auch das Alinari photo archive. Beim Italien-Index und beim Index photographique de l'art en France läßt sich das Fehlen thematischer Erschließungsmittel schon wegen der vergleichsweise bescheideneren Größe dieser Sammlungen und wegen des im Bereich Architektur liegenden und über die topographische Grundordnung gut zugänglichen Verzeichnungsschwerpunktes eher verschmerzen. Bei den immensen Sammlungen des Courtauld Instituts, und hier insbesondere bei der auf Malerei und Graphik spezialisierten Witt Library, mindert jedoch das Fehlen eines eigenen Erschließungsinstrumentes für die nichtarchitektonischen Teildisziplinen den Wert entscheidend; dies sollte auch mit Blick auf den z.B. in Relation zum Marburger Index sehr hohen Preis dieser beiden Sammlungen bedacht werden. Betrachtet man Genese, Zustand und Größe dieser Londoner Sammlungen, so ist auch mit einer nachträglichen Eigenerschließung realistischerweise nicht mehr zu rechnen. Für Besitzer des Marburger Index allerdings gibt es schon jetzt eine gute Kompensierungsmöglichkeit: Da die ikonographischen Register des Marburger Index nicht nur zu den Abbildungen in der Marburger Sammlung selbst führen sondern in vielen Fällen zusätzlich auf entsprechende Bestände der Witt Library verweisen und hierfür die Angaben der Mikrofiche-Edition verwenden, können die Marburger Register Erschließungsfunktion auch für die Witt Library übernehmen und große Teile dieser Sammlung effektiver nutzbar machen. In der Kombination mit den Registern des Marburger Index wird somit auch die Witt Library für ikonographische Fragestellungen zu einem brauchbaren Nachweisinstrument.

Eine zusammenfassende Wertung der vorgestellten Abbildungssammlungen ist nur sehr bedingt möglich. Schon der Rahmen der einzelnen Mikrofiche-Editionen unterscheidet sich stark: er reicht von der kompletten Reproduktion eines inhaltlich wie geographisch "offenen" Bilderpools, wie dies par excellence die Sammlungen des Courtauld Institute darstellen, bis zur klar begrenzten Inventarisierung für einen geographischen Bereich mit standortorientierter, umfassender Objekterfassung und -beschreibung, wie dies insbesondere den Marburger Index auszeichnet. Dagegen kann sich ein Vergleich der besprochenen Sammlungen an gemeingültigen Bewertungskriterien wie Ordnungsprinzip, Erschließungsmöglichkeiten, ergänzende Hilfsmittel, Qualität des Abbildungsmaterials, Qualität der technischen Aufbereitung und Präsentation für die Benutzung usw. orientieren: In dieser Hinsicht wurde deutlich, daß der Marburger Index unübertroffene Maßstäbe setzt, daß aber auch der Index der antiken Kunst und Architektur und das Alinari photo archive akzeptable Lösungen anbieten. Trotzdem kann dieser Bewertungsraster nicht in jedem Fall den Ausschlag geben: entscheiden müssen vorrangig inhaltliche Kriterien und Bedürfnisse, und hier sind die vorgestellten Sammlungen wiederum nur in sehr geringem Maße vergleichbar bzw. austauschbar. So sind trotz aller Mängel die Sammlungen des Courtauld-Institute insbesondere zur britischen Kunst und Architektur konkurrenzlos. Dies gilt in bescheidenerem Maße auch für Frankreich hinsichtlich des Index photographique de l'art en France; hier können aber durchaus als gute inhaltliche Ergänzung der Architekturteil der Conway Library und für die Malerei die entsprechenden Bestände der Witt Library herangezogen werden. Vielfältiger scheint auf den ersten Blick mit drei Abbildungssammlungen das Angebot zu Kunst und Architektur in Italien zu sein; doch wie die Besprechung zeigte, sind die Sammlungsschwerpunkte nicht kongruent: die Sammlung des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom wird für den auf die Antike spezialisierten Interessenten die wichtigste sein; für eine umfassendere, insbesondere auch die nachantiken Epochen berücksichtigende Querschnittsdokumentation werden das Alinari photo archive und der Italien-Index die geeignete Ausstattung sein, wobei Alinari, Brogi und Anderson der besondere Wert historischen Materials eignet. Eine allen differenzierteren Ansprüchen genügende Ausstattung sollte für Italien jedoch alle drei Abbildungssammlungen anbieten. Zwar können auch für Italien zu Einzelbereichen - ebenso wie noch für manch andere Länder - die Sammlungen des Courtauld Institute etliches Ansichtsmaterial liefern doch wird man im vorliegenden Fall mit Blick auf die besser aufbereiteten Inventare auf diese Abbildungsbestände meistens verzichten können. Was die Kunst in Deutschland betrifft, so liegt mit dem Marburger Index ein durch die Supplemente inzwischen zunehmend exhaustives und durch Register ausgezeichnet erschlossenes Inventar vor, das auch über das Fach Kunst hinaus zur Ausstattung jedes größeren Informationsbestandes zählen sollte.

Angela Karasch


[1]
A checklist of painters c. 1200 - 1976 : represented in the Robert Witt Library, Courtauld Institute of Art, London. - London : Mansell, 1978. XVI, 337 S. - ISBN 0-7201-0718-0. - Für Herbst 1993 ist zudem ein elektronisch aufbereiteter und auf Disketten für die PC-Nutzung edierter Index zu den in der Witt Library repräsentierten Künstlern angezeigt: The Witt Library : a comprehensive index of every artist represented in the Witt Library. - Haslemer : Emmett.
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