Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Internationale Künstlerdatenbank


93-3/4-186
Internationale Künstlerdatenbank : IKD ; CD-ROM-Ausgabe = World biographical dictionary of artists. - München [u.a.] : Saur
[1775]
Ausg. 1 (1993). - ISBN 3-598-40246-5 : DM 3600.00, DM 2800.00 (Subskr. 15.10.93)
93-3/4-187
Internationale Künstlerdatenbank : CD-ROM-Edition ; Handbuch. - München [u.a.] : Saur. - Losebl.-Ausg. - Engl. Ausg.: World biographical dictionary of artists
[1776]
1993. - ISBN 3-598-40270-8 : Kostenlos für Bezieher der CD-ROM-Ausgabe

1907 erschien Band 1 des Allgemeinen Lexikons der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, herausgegeben von Ulrich Thieme und Felix Becker. Die insgesamt bis 1950 erschienenen 37 Bände fanden ab 1953 Ergänzung durch das Allgemeine Lexikon der bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts herausgegeben von Hans Vollmer. Nachfolger dieser beiden Standardnachschlagewerke soll das Allgemeine Künstlerlexikon (AKL) werden, dessen drei erste Bände 1983 - 1990 im Verlag von E. A. Seemann in Leipzig erschienen. Dieses Unternehmen wurde inzwischen vom K. G. Saur Verlag übernommen, der nun parallel zum Fortschreiten der gedruckten Ausgabe digitalisierte Editionen plant und im Sommer 1993 die erste Version der Internationalen Künstlerdatenbank (IKD) auf CD-ROM anbietet.

Die 1. Ausgabe der IKD enthält "in 195.102 Eintragungen die biographischen Daten und Angaben sämtlicher 148.171 Artikel des Thieme/Becker".[1] Wer Prospekt und Handbuch nur flüchtig konsultiert hat, wird erwarten, den gesamten Thieme/Becker EDV-aufbereitet und damit mit allen Vorteilen einer EDV-gestützten Recherche versehen nutzen zu können. Dies ist aber keineswegs der Fall; vielmehr bedeutet der Hinweis auf die "Umsetzung der Lexikon-Artikel in recherchierbare Daten"[2] keineswegs, daß die Volltexte des Thieme/Becker gespeichert wurden, sondern lediglich, daß die Eintragungen auf folgende biographische Eckdaten reduziert wurden, die zugleich das Kategorienschema für die Recherche bilden :

Name (allg.), Ort (allg.), Zeit (allg.), Beruf (allg.); Dokument, Künstlername, Zweitname, irrtümlicher Name, evtl. Identität, Geschlecht, künstlerischer Beruf, anderer Beruf, GEO-Nachweis, Staat <1990>, Geburtsdatum, Geburtsort (Geburts-Landschaft, Geburtsland), erste Erwähnung, Todesdatum, Todesort (T.-Landschaft, T.-Land), letzte Erwähnung, Erwähnungsort (E.-Landschaft, E.-Land), Fundstelle.

Damit entfallen jegliche Angaben zum Werk eines Künstlers, und für diesen nicht unwesentlichen Teil der Information bleibt einzig die Rubrik Fundstelle die entscheidende: hier erfolgt der Hinweis auf Band und Seitenzahl des Thieme/Becker; für alle weitergehenden Informationen muß man also auf das konventionelle Medium Buch zurückgreifen.

Dies bedeutet zugleich, daß die IKD als eigenständiges biographisches Nachschlagewerk lediglich biographische Informationen in Minimalform bietet, in Kombination mit dem gedruckten Thieme/Becker dagegen aber nur den Wert eines zusätzlichen - digitalisierten - Registers zum Lexikon besitzt. Da der Thieme/Becker alphabetisch nach den Künstlernamen ordnet, die IKD aber den diesem Anordnungsprinzip entzogenen Direktzugriff auf das künstlerische Werk aufgrund der Reduktion auf die genannten Elemente ebenfalls nicht gestattet, muß man fragen, was die CD-ROM-Ausgabe über die Faszination des neuen Mediums hinaus an Vorteilen bzw. an zusätzlichen Informationsmöglichkeiten über das gedruckte Lexikon hinaus bieten kann.

Bekanntermaßen liegt der Vorteil dieser Medienform auch darin, mehrdimensionale Sucheinstiege zu ermöglichen und damit die Beantwortung komplexer Fragestellungen zu vereinfachen. So erlaubt denn die IKD selbst angesichts der für die Kategorisierung reduzierten Beschreibungen immer noch einen differenzierteren Zugriff, als es die gedruckte Version mit ihrem eindimensionalen Ordnungsschema und trotz der Möglichkeit von Verweisungen usw. bieten kann.

Die CD-ROM-Version bietet damit bereits beim Primärzugriff auf den Namen des Künstlers in den vielen Fällen, in denen es Namensvarianten, Künstlernamen, Zweitnamen usw. gibt - die Kategorien der Datenbankeintragungen weisen darauf hin -, weitreichendere, zumindest aber bequemere Verknüpfungen und Wege zur Haupteintragung. So führt beispielsweise in der Kategorie Name allgemein nicht nur die Eingabe Grünewald* zum gesuchten Matthias Grünewald, sondern auch der Einstieg über den Zweitnamen Mathis von Aschenburg oder über Mathis Nithardt als evtl. Identität weist auf die Haupteintragung Grünewald, Matthias. Blättert man dann unter Grünewald, Matthias die Vollanzeige auf, so werden hier - in den oben aufgeführten Kategorien - alle Zweitnamen sowie die evtl. Identität (Nithardt) nochmals angezeigt. Allerdings wird dieses Prinzip der Erfassung von Namensvarianten nicht immer mit Stringenz durchgehalten, so daß die technischen Möglichkeiten für solche Fragestellungen nicht immer voll genutzt und die Recherchen entsprechend erfolgreich abgeschlossen werden können.

Ähnelt der Einstieg über Namensformen auch bei teilweise größerer Suchbequemlichkeit und stärkerer Berücksichtigung und Verknüpfung von Varianten immer noch dem herkömmlichen Lexikon-Einstieg, so gehen vergleichbare Einstiege über die Kategorien Ort (allgemein), Zeit (allgemein) und Beruf (allgemein) im Prinzip über die Möglichkeiten des gedruckten Pendants hinaus, da sie dessen primärem Ordnungsschema entzogen sind. Es lassen sich etwa über die Kategorie Ort (allgemein) theoretisch alle Künstler auflisten, die an dem entsprechenden Ort geboren, gestorben bzw. erwähnt worden sind. Des weiteren sind Verknüpfungen dieser Kategorie mit den Kategorien Beruf und Zeit für spezifischere Suchanfragen möglich, wenn z.B. nur Architekten, Maler, Stecher usw. eines begrenzten Zeitraums an einem bestimmten Ort usw. ermittelt werden sollen. Damit ist eine Mehrdimensionalität in der Suche erreicht, die in dieser Form konventionell nicht mehr mit angemessenem Aufwand geleistet werden kann, wie folgendes Beispiel illustriert:

Die Suche Freiburg* in der Kategorie Ort (allgemein) ergibt 543 Treffer für eine Künstlererwähnung mit Freiburg-Bezug; wählt man (im Maskenmodus über Indizes) die Spezifizierung Freiburg (Breisgau), reduziert sich das Ergebnis auf 276 Angaben. Werden diese Ergebnisse über Verbindung mit der Kategorie Berufe (allgemein) weiter eingeschränkt auf Nennungen von Malern in Freiburg, erhält man noch 65 Anzeigen; eine weitere Reduktion auf den Zeitraum 1450:1550 in der Kategorie Zeit (allgemein) führt schließlich noch zu 12 Treffern. Über die Kombination Freiburg (im Breisgau), Maler und 1500 in den genannten Kategorien kann dann Hans Weiditz als ein zu diesem Zeitpunkt in Freiburg tätiger Maler nachgewiesen werden; die Suchanfrage "wer war zu welchem Zeitpunkt wo tätig" kann somit recht bequem beantwortet werden. Auch bei diesem Aspekt ist freilich die prinzipiell positive Aussage über Anlage und Leistungsmöglichkeiten der IKD gleich durch Einschränkungen hinsichtlich der faktischen Qualität vieler entsprechender Suchergebnisse einzuschränken. In zahlreichen Fällen fehlen nämlich gerade die entscheidenden Verbindungen zwischen den Kategorien Künstler und Ort und können damit kein relevantes Rechercheergebnis zeitigen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:

Eine Suche in der Kategorie Ort unter St. Peter (Baden) führt den Benutzer keineswegs auch zu einem Hinweis auf den Künstler Peter Thumb. Umgekehrt zeigt eine Anwahl der Vollanzeige Thumb, Peter in der Kategorie Künstler nur folgende geographische Verbindungen: Bezau als Geburtsort, Konstanz als Todesort, Konstanz, Rheinau, Ebersmünster und Ettenheimmünster als Erwähnungsorte. Damit wird der Benutzer aber weder über den Künstlereintrag noch über die geographische Kategorie zu den entscheidenden geographischen Angaben geführt: St. Peter, St. Gallen, die Birnau usw. Hier führt der Verzicht auf eine angemessene Erfassung der Informationen aus den vollen Lexikoneintragungen des Thieme/Becker nicht nur zu einer in ihrer Quantität beschränkten Information sondern auch zu einer erheblichen Einschränkung ihrer Qualität.

Die allgemeinen Kategorien Name, Ort, Beruf, Zeit, die sich für den ersten Sucheinstieg empfehlen, zeigen im Ergebnis immer das jeweils erfaßte Gesamtmaterial an; sie können bei gezielteren Fragestellungen auch direkt durch Suche in spezifischeren Kategorien ersetzt oder durch Kombination mit diesen modifiziert werden. So kann etwa der Bereich Berufe differenziert abgefragt werden nach künstlerischen und sonstigen Berufen (und es kann auch in Kombination gesucht werden, z.B. nach malenden Bibliothekaren: hier ergibt dann die Kombination Maler und Bibliothekar 12 Treffer). Der Einstieg erfolgt in diesen Fällen über Indizes, die z.B. bei den künstlerischen Berufen noch nach Ober- und Unterbegriffen aufgefächert werden können. So kann zum Oberbegriff Maler eine Liste von 242 (!) Unterbegriffen angewählt werden, die in der Suche dann nicht nur Spezifizierungen wie Miniaturmaler, Porträtmaler, Porzellanmaler, Ruinenmaler, Stadtansichtenmaler, Vedutenmaler, Wildbretmaler etc. ermöglichen, sondern auch Einschränkungen auf Ruinenmalerdilettanten, Vedutenmalerdilettanten usw. (nicht allerdings auf Stadtansichtenmalerdilettanten!). Der Eintrag Goethe, Johann Wolfgang erfreut hier mit den folgenden Angaben zum künstlerischen Beruf: Zeichnerdilettant, Radiererdilettant, Malerdilettant, Kupferstecherdilettant; der anderer Beruf ist: Dichter.

Wir gehen auf die Anlage der Indizes deswegen so ausführlich ein, um deutlich werden zu lassen, daß die Vorgaben Oberbegriffe, Unterbegriffe einen deutlich höheren Anspruch erwecken, als ihnen zukommt. Die Indizes/Listen bringen auf keiner Ebene normiertes Vokabular, es liegt kein Thesaurus zugrunde. Während in vielen Fällen wenigstens auf der Ebene der (sehr grobsystematischen) Oberbegriffe von einem auch in seinen Extensionen allgemeingeläufigen Begriffsverständnis ausgegangen werden kann (Architekt, Bildhauer, Maler ...), macht die Ebene der Unterbegriffe sehr deutlich, daß das Material nicht mehr normierten bzw. in ihren Definitionen klar umrissenen Begriffen zugeordnet wurde, sondern daß es sich hier wohl um freie, zum Teil auch willkürliche Wortbildungen (bis zu stilistischen Blüten) aus dem Thieme/Becker handelt, die für die CD-ROM-Version mechanisch und ohne Definitionshinterfragung bzw. Normierung in die Indizes/Listen aufgenommen wurden. So läßt sich aber auf dieser Ebene eine angemessene Begriffsauswahl und eine klarlinige, exhaustive Recherche nur noch bedingt durchführen.

Interessant sind die kategoriellen Kombinationsmöglichkeiten bei Recherchen für allgemeinere und umfangreichere Künstlerlistenerstellung. So ergeben sich z.B. schöne Selektionen bei der Kombination verschiedener Kategorien mit der Kategorie Geschlecht. Ein Leichtes nun, Zusammenstellungen von Künstlerinnen ganz allgemein oder in jeder beliebigen Spezifizierung zu erhalten (Malerinnen, Malerinnen in Freiburg, Malerinnen des 19. Jahrhunderts usw.). Das Feld tertiärer Vermarktung des Thieme/Becker steht somit offen.

Noch einige Anmerkungen zur technischen Seite.[3] Die IDK kann wahlweise in den Menüsprachen englisch oder deutsch benutzt werden; für die Recherche stehen sowohl ein Masken- als auch ein Expertenmodus zur Verfügung. Für das Erlernen der Suchstrategien in der IDK wird sich das Arbeiten im Maskenmodus empfehlen; die in der Maske angebotenen Kategorien sind die oben genannten. Von wenigen Einzelaspekten abgesehen, ist das beigefügte Handbuch eine gute und genügend ausführliche Einarbeitungshilfe, auch für den ungeübten CD-ROM-Benutzer. Sie ist allerdings auch nicht ganz unwichtig, weil in Teilbereichen (z.B. Zeit-Kategorien) der Komfort von Suchstrategien, die Menüführung und Ordnung der Indizes zu wünschen übrig läßt und allzu sehr die "Technik" Abfolge und Denken bei der Recherche bestimmt; auch die unabdingbaren Erläuterungen im Handbuch können dies nicht kaschieren und lassen stellenweise den Verdacht aufkommen, als wende sich die Datenbank in einzelnen Bereichen vor allem an EDV-Freaks, die zufällig nichts gegen kunsthistorisches Datenmaterial haben.

Nach guter Erprobung der Datenbank über den Maskenmodus ist die Arbeit im Expertenmodus vollkommen problemlos. Es bleibt auch hier bei den genannten Suchkategorien, nur können diese direkt eingeschrieben und vielfältiger als im Maskenmodus über logische Operatoren miteinander verknüpft werden. Der Bildschirm im Expertenmodus ist angenehm gestaltet und hilft auch dem untrainierten Gedächtnis bei der Suche: im dreigeteilten Bildschirm wird außer dem frei beschreibbaren Eingabefeld ständig ein Feld mit allen Suchbegriffen und ihren Kürzeln eingeblendet und im dritten Feld schließlich alle bisher durchgeführten Suchanfragen aufgelistet. Sowohl im Masken- als auch im Expertenmodus sind die über die Funktionstasten jeweils zu erreichenden Arbeitsschritte in Leisten am Bildschirmrand i.a. genügend klar definiert aufgeführt. Insgesamt muß der "technischen" Aufbereitung der IDK und dem Begleitmaterial somit - trotz Einschränkungen für Teilbereiche - gute Qualität bescheinigt werden.

Es bleibt dennoch zum Schluß die Frage nach dem Nutzen dieses Informationsmittels zu stellen. Sicher erlaubt die IDK für biographische Eckdaten - und, wie die aufgeführten Beispiele zeigen, somit für einen letztlich recht begrenzten Fragetypus - eine komfortablere und tiefergehende Datenerschließung als das gedruckte Lexikon. Da jedoch für alle in das Leben und Werk eines Künstlers weiterführenden Fragestellungen - und das wird im wissenschaftlichen Bereich doch die häufigere Nutzung sein - der Weg unabdingbar zurückführt zum gedruckten Thieme/Becker, fragt sich, wem dieses komplexere Register, das die IDK letztlich nur darstellt, wirklich dient. Wie schon im Begleithandbuch ausgeführt, wird mit dieser Edition nicht nur der Wissenschaftsbereich anvisiert, sondern auch entsprechende Sparten in der Wirtschaft: Auktionshäuser, Galerien usw. Für diese wie auch für manche Verwaltungsbereiche dürften die Vorzüge der IDK evident sein: bequeme Erstellung von Künstlerlisten und Datenzusammenstellungen z.B. für geschäftliche Belange (Kataloge, Verkaufslisten usw.), für lokalspezifische Fragen, Ermittlung von Jubiläen, für lexikalische Tertiärverwertungen usf. Allerdings ist auch hier anzumerken, daß die Anlage der Datenbank mehr verspricht als letztlich die gespeicherten Daten halten können.

Ob sich - gerade mit Blick auf die Datenqualität - der Preis von ca. 3.600 DM für die Anschaffung der IDK auch für wissenschaftliche Institutionen wie Bibliotheken und Museen (die i.a. zudem den gedruckten Thieme/Becker in ihrem Bestand haben) lohnt, wird dagegen in den meisten Fällen wohl mit einem Fragezeichen zu versehen sein. Hier dürfte die IDK erst dann als vollwertiges und eigenständiges biographisches Hilfsmittel interessant werden, wenn mit fortschreitender Arbeit am AKL auch der aktuelle Forschungsstand und die vollständigen Informationen in die Datenbank übernommen werden. Als wirkliche Volltext-Datenbank mit allen entscheidenden Daten zu Leben und Werk eines Künstlers wäre dann der Wert der IDK auch hier positiv zu sehen. Im Augenblick ist aber die IDK eher ein zu teures und nicht ganz vollwertiges "Abfallprodukt" des AKL-Unternehmens, schön und bequem, aber in mancher Hinsicht zumindest für den Besitzer des Thieme/Becker ein bißchen überflüssig.

Angela Karasch


[1]
Vgl. Handbuch zur CD-ROM-Ausgabe 1993, S. VIII. (zurück)
[2]
Ebenda. (zurück)
[3] Technische Voraussetzung für die Benutzung der IDK-CD-ROM sind ein IBM XT, AT oder voll kompatibler PC mit einer Festplatte, 640 KB Hauptspeicher, ein CD-ROM-Laufwerk, MS-DOS Version 3.1 oder höher, MSDOS CD-ROM Extensions (MSCDEX), mindestens 545 KB freier Arbeitsspeicher und ca. 3 MB freier Platz auf der Festplatte. (zurück)

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