Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Romane und Erzählungen deutscher Schriftstellerinnen um


93-3/4-167
Romane und Erzählungen deutscher Schriftstellerinnen um 1800 : eine Bibliographie mit Standortnachweisen / Helga Gallas ; Anita Runge. Unter Mitarb. von Reinhild Hannemann ... - Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1993. - 223 S. - ISBN 3-476-00900-9 : DM 72.00
[1664]

Die deutsche Literaturwissenschaft zeichnet sich durch zahlreiche spezialisierte und umfangreiche Bibliographien aus. In der Regel wird damit dem Benutzer ein notwendiges und wertvolles Instrumentarium an die Hand gegeben. Die vorliegende Bibliographie versteht sich als ein "wissenschaftliches Hilfsmittel für die fundierte Erforschung und Beurteilung des weiblichen Beitrags zur Entwicklung der bürgerlichen Literatur seit dem 18. Jahrhundert" (S. 10). Diese groß angelegte Verpflichtung wird allerdings durch die in mehrfacher Hinsicht minimale und vor allem wenig homogene Durchführung nur ungenügend erfüllt.

Verzeichnet werden 110 Autorinnen mit 396 selbständigen Veröffentlichungen (wobei 54 Titel nicht auf Autopsie beruhen). Aufgenommen wurden keinesfalls Werke "um 1800", sondern die zwischen 1771 und 1810 erschienenen Titel. Der Zeitraum scheint willkürlich zu sein; das betrifft zumindest das Jahr 1810, das "in etwa einen Endpunkt dieser frühen weiblichen literarischen Tradition" (S. 8) markiert. Besagt der Titel der Bibliographie, daß deutsche Autorinnen erfaßt werden, spricht die Einleitung relativierend von deutschsprachigen Schriftstellerinnen. Wie weit oder eng das zu definieren ist, bleibt unklar. In der Einleitung folgen weitere Ausnahmen zu Anlage und Konzeption. Modifizierend wird erklärt, daß einerseits bestimmte Gattungen nicht, andrerseits aber über Romane und Erzählungen hinaus auch Reisebeschreibungen, Autobiographien, Märchen etc. berücksichtigt wurden. Daß die Herausgeberinnen für die fünf wichtigsten Autorinnen (der Klappentext kennt nur vier) auch die nach 1810 veröffentlichten Romane und Erzählungen berücksichtigten, sollte als Kuriosum nicht unerwähnt bleiben.

Der Titelaufnahme gehen die Lebensdaten der Autorin voraus, wobei leider auf weitgehende biographische Recherchen verzichtet wurde. Die bibliographische Beschreibung selbst erfolgt nach der Haupttitelseite; hierbei wird jedoch - entgegen der Angabe der beiden Herausgeberinnen - behutsam modernisiert (z. B. Schreibweise von ae, ue, etc.). Erfreulicherweise werden als Bestandsnachweis die Standorte der zum Teil als Unikate überlieferten Drucke einschließlich ihrer Signatur aufgeführt. Die Standorte aber werden ausschließlich auf der Grundlage des Sigelverzeichnisses in numerischer Reihenfolge angegeben. Die besitzenden Bibliotheken können also nur über das Sigelverzeichnis des DBI ermittelt werden. Das ist - ebenso wie die explizite Warnung vor Fernleihbestellungen [!] (S. 20) - benutzerunfreundlich. Eine Überprüfung einiger Titel anhand der Bestände der NSUB Göttingen ergab, daß teilweise Signaturen unvollständig sind und - was wesentlich wichtiger ist -, daß einige Bücher auch als Mikroform vorhanden sind. Das aber hätte eher eine Erwähnung verdient als die Angabe der Nachweise der Literatur von Frauen in älteren Biblio- oder Biographien. Dies umso mehr, als kurz zuvor die Herausgeberinnen zu recht konstatieren, daß sich die bibliographischen Quellenzugänge als unzureichend erwiesen (S. 14). Nimmt man noch mit einem nicht geringen Erstaunen zur Kenntnis, daß die Bibliographie auch Frauen biographisch erfaßt, die im vorgegebenen Zeitraum keine Separatveröffentlichung vorlegten (L. Brachmann, S. 39) oder keine Romane bzw. Erzählungen schrieben (B. Gleim, S. 64), so wird man sich kaum über die statistische Auswertung wundern (S. 11 - 13). Sie besagt u.a., daß 73% der Frauen verheiratet und 27% unverheiratet waren. Statistische Werte dieser Art sind nun wahrlich nicht einer Bibliographie zu entnehmen, sondern können nur das Ergebnis einer literatursoziologischen Forschung sein. Diesbezüglich liegen bereits fundierte Untersuchungen vor;[1]; in einer solchen Studie hätte die insgesamt uneinheitliche Bibliographie von Gallas/Runge recht gut als Anhang veröffentlicht werden können, und der Benutzer bekäme dort zugleich auch mehr Informationen über die Genres (Roman in Briefen, Reise-, Staatsroman, pädagogisch-didaktische Schriften, Autobiographie etc.), über Dedikationsempfänger, Themen und Motive dieser spezifischen Literatur. Das wäre dann allemal besser gewesen als die selbständige Veröffentlichung, die allein schon deswegen mehr verspricht, als die Bibliographie nach Inhalt und Ausführung leisten kann.

Reinhard Tenberg


[1]
Untersuchungen zum Roman von Frauen um 1800 / hrsg. von Helga Gallas ... - Tübingen: Niemeyer, 1990. - VI, 219 S. - (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte ; 55). - ISBN 3-484-32055-9. - Zwischen Professionalisierung und Dilettantismus : Romane und ihre Autorinnen um 1800 / Eva Kammler. - Opladen: Westdeutscher Verlag, 1992. - 261 S. - (Kulturwissenschaftliche Studien zur deutschen Literatur). - ISBN 3-531-12297-5. (zurück)

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