Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Die Bayerische Staatsbibliothek in historischen


93-3/4-150
Die Bayerische Staatsbibliothek in historischen Beschreibungen / [Auswahl und Kommentierung der Texte: Klaus Haller. Auswahl der Abb. und Liste der Zimelien: Karl Dachs. Übers. und Reg.: Claudia Fabian]. - München [u.a.] : Saur, 1992. - 227 S. ; 29 cm. - ISBN 3-598-11149-5 : DM 148.00
[1707]

Diese Abschiedsgabe der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) an Franz Georg Kaltwasser spricht ebenso sehr für die Bibliothek wie für den Beschenkten, der dieses Institut über Jahrzehnte repräsentierte. Von deren Werden und Werken gibt der gediegene und vornehm ausgestattete Band eine anschauliche Vorstellung.[1]

Doch ist es eine Bibliotheksgeschichte eigener Art. Sie zerfällt in 34 Einzel- und weitere eingestreute "Beschreibungen", besser Textauszüge, umspannend einen Zeitraum von gut drei Jahrhunderten (1590 - 1906), wobei dem 19. Jahrhundert der Löwenanteil zugebilligt ist. Jedem der ausgewählten, auch fremdsprachigen und mitunter amüsanten Beiträge - längere Reiseberichte oder Stadtbeschreibungen, kürzere Reise-, Kunst- oder Bibliotheksführer, auch Zeitungsartikel, Reglements und gar ein Carmen - folgt eine sachkundige Kommentierung. Diese begnügt sich nun nicht mit einer bloßen Erklärung oder Korrektur interpretationsbedürftiger Einzelheiten. Sie holt vielmehr oft weit aus, indem sie allgemein- und bibliothekshistorische Zusammenhänge herstellt, mitgeteilte Ereignisse und zumal erwähnte Bibliothekare näher charakterisiert.[2] So entsteht ein wenn auch locker geknüpfter Leitfaden zur Geschichte der BSB, die immerhin 100 Jahre älter ist als ihr Berliner Schwesterinstitut und überdies stolz auf den derzeit "höchsten Erwerbungsetat" einer deutschen Bibliothek (S. 201) hinweisen kann. Eigens hervorzuheben sind die Beigaben: 16 herrliche Farbtafeln und ebensoviele Schwarzweißabbildungen vom Haus und seinen Schätzen, eine ausführliche annotierende Sekundärbibliographie, das genaue Titel- und Signaturenverzeichnis der im Text angesprochenen Zimelien sowie ein zuverlässiges biographisches und Sachregister; sie verleihen dem Buch zugleich den Charakter eines Nachschlagewerkes.

Neben gängigen Daten zur Organisation und Verwaltung, zu den Beständen, besonders den zahlreich aufgeführten Zimelien und leitenden Bibliothekaren (aufschlußreich immer wieder die Bemerkungen, die Schmeller seinem Tagebuch anvertraut hat, besonders S. 173), findet man hier Hinweise auf die Einwirkungen der großen Politik, sowohl die negativen (Dreißigjähriger Krieg) wie die für die BSB positiven (Säkularisation nach 1800). Auch die nach "Klassen" getrennte alphabetische Bücheraufstellung, wie sie das ganze 19. Jahrhundert hindurch beibehalten wurde, wird registriert und kritisiert - "ein wahrer Ausweg der Verzweiflung" sagt Friedrich Jacobs 1807 (S. 92, 133). Und es fehlt natürlich nicht der vielgerühmte Gärtner-Bau an der Ludwigstraße (S. 127 ff.). Doch erfährt das 1832 - 1843 errichtete Gebäude auch manchen Tadel; so sei der Lesesaal zu klein geraten und schlecht placiert (S. 199 f.) und der "darmartige" Grundriß ungünstig und zu teuer - weil es "der König so will" (Schmeller, S. 130 f.). Andere Kritik wird laut an Kurfürst Maximilian I., der die Heidelberger Manuskripte von München hat nach Rom wegziehen lassen (S. 103), an der mangelnden Fürsorge des bayerischen Hofes für die Wissenschaft im 18. Jahrhundert (S. 33), der Vernachlässigung der Neuerscheinungen um und nach 1800 sowie an einer allzu sorglosen "Dublettenverwertung" im 19. Jahrhundert (S. 116, 166).

Insgesamt aber verkündet das Buch, wie kann es anders sein, den Ruhm der Kunststadt München, einmal sogar zur "heimlichen Hauptstadt Deutschlands" erhoben (S. 193), und ihrer zentralen wissenschaftlichen Bibliothek. Es ruft den Wunsch wach nach einer voll ausgeführten modernen Gesamtgeschichte des Hauses. Eine Aufgabe für den nunmehrigen "Ruheständler"?

Werner Schochow


[1]
Zu seiner Verabschiedung aus dem Dienst vgl. ZfBB 40 (1993), 2, S. 117 - 134. (zurück)
[2]
Warum nur bleibt ein Kommentar aus zu der Bemerkung von 1613, München sei statt 1158 im Jahre 1462 (!) von Herzog Heinrich und zur Zeit Kaiser Ottos I. (gemeint Bischof Otto von Freising?) gegründet worden (so S. 22)? (zurück)

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