Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Papiergesänge


93-3/4-105
Papiergesänge : Buchkunst im zwanzigsten Jahrhundert ; Künstlerbücher, Malerbücher und Pressendrucke aus den Sammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek München ; [dieses Buch erschien anläßlich der Ausstellung "Papiergesänge" in der Bayerischen Staatsbibliothek München vom 24. September bis 19. Dezember 1992] / Béatrice Hernad ; Karin v. Maur. - München : Prestel, 1992. - 311 S. ; 28 cm. - (Ausstellungskataloge / Bayerische Staatsbibliothek ; 60). - ISBN 3-7913-1218-9 : DM 98.00 (Buchhandelsausgabe, Lw.), DM 49.00 (Br., zzgl. Porto bei Bezug über die BSB)
[1721]

Die Bayerische Staatsbibliothek hatte die glückliche Idee, ihrem langjährigen Direktor zum Ausscheiden aus dem Dienst nicht eine der üblichen Festschriften zu widmen, sondern die Bibliothek und - exemplarisch - eine ihrer Bestandsgruppen zu präsentieren: ersteres durch eine Sammlung historischer Beschreibungen (IFB 93-3/4-150), letzteres durch eine Ausstellung von Zimelien moderner Buchkunst aus der rund 9000 Bände umfassenden Spezialsammlung. Die Ausstellung wird in dem vorliegenden Katalog mit ausgewählten Abbildungen, Einzelbeschreibungen von Béatrice Hernad und einer Geschichte der Buchkunst des 20. Jahrhunderts (und ihrer Anfänge im ausgehenden 19. Jahrhundert) aus der Feder von Karin v. Maur dokumentiert. Da sich diese Geschichte der in der Ausstellung versammelten Exempla zur Illustration bedient, sind die 164 ausgestellten Spitzenstücke, die vermutlich weitgehend in der Amtszeit von Franz Georg Kaltwasser erworben wurden, chronologisch geordnet und nicht nach Kategorien wie den in der Einleitung unterschiedenen Malerbüchern, Pressendrucken und Künstlerbüchern. Während es sich im ersten Fall überwiegend um einen von einem Künstler illustrierten Text handelt, ist der Vielfalt der Erscheinungsformen bei letzteren keine Grenze gesetzt: sie kommen nicht nur häufig ganz ohne Text aus, sondern nicht selten auch ohne die klassischen Schreib- oder Druckmaterialien; so verwendet etwa Anselm Kiefer für die 19 Blätter seines Unikats Euridike von 1990/91 (Nr. 163) Material (Sand, Asche, verbrannte Zeitungs- und Silberpapierfragmente, Haare, Stroh, Gräser, verrostete Nadel, Glasfaser, Kohle, Ruß, Holzspäne) auf Photographien über Karton, eine Technik, die auch das Format von 755 x 520 mm bedingt. Daß andere große wissenschaftliche Bibliotheken moderne Buchkunst entweder gar nicht oder nicht in demselben Umfang wie die Bayerische Staatsbibliothek sammeln, hängt allerdings wohl weniger mit deren Selbstverständnis zusammen, daß sie sich nämlich "in der Folge der deutschen, doch etwas blaß geratenen Aufklärung ... allein dem Wort verbunden fühlten und noch fühlen" (S. 8), wie Kaltwasser im Vorwort meint, sondern doch wohl eher mit den anderen Aufgaben wissenschaftlicher Gebrauchsbibliotheken einerseits und den im Vergleich zur Bayerischen Staatsbibliothek wesentlich beschränkteren Ressourcen anderer Bibliotheken, die sich gleichwohl um eine Sammlung zumindest exemplarischer Stücke bemühen und bei denen ein Objekt wie das erwähnte in wechselseitiger Absprache eher vom örtlichen Museum als von der Bibliothek erworben würde, was nicht ausschließt, daß trotz solcher Absprachen etwa die Württ. Landesbibliothek der Sammlung Loncle mit Malerbüchern noch heute nachtrauert, die in die Stuttgarter Staatsgalerie gelangte.

Obwohl es mittlerweile üblich ist, jeden besseren Ausstellungskatalog als handbuchartig zu bezeichnen, trifft dies auf den vorliegenden Katalog[1] durchaus zu, der dank des Textes von Karin v. Maur einen instruktiven und durch opulente Beispiele illustrierten Abriß der Geschichte der Buchkunst im 20. Jahrhundert bietet, deren wichtige Protagonisten (Künstler, Autoren, Verlage und Offizinen) über das Register zu ermitteln sind.

sh


[1]
Er wurde mit dem 2. Preis des Premio Internazionale Biennale Felice Feliciano per la Storia, l'Arte e la Qualit… del Libro 1993 ausgezeichnet. Sein Titel ist von Pierre Alechinskys Buch Carta canta (Nr. 153) abgeleitet. (zurück)

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