Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 1(1993) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Medioevo latino


93-1/2-065
Medioevo latino : bollettino bibliografico della cultura europea dal secolo VI al XIV / a cura di Claudio Leonardi ... Societ… Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino ... - Spoleto : Centro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo. - 25 cm. - ISSN 0393-0092. - (Centro ..., Palazzo Ancaiani, I-06049 Spoleto)
[0696]
13 (1992). - XLVII, 1122 S. - Lit. 230.000
93-1/2-066
Bibliographie annuelle du moyen-ƒge tardif : auteurs et textes latins, vers 1250 - 1500 / rassemblée … la Section Latine de l'Institut de Recherche et d'Histoire des Textes (C.N.R.S.) par Jean-Pierre Rothschild. - [Turnhout] : Brepols. - 25 cm.
[1343]
1. 1990/91 (1991). - 347 S. - FB 1700.00

Die maßgebliche laufende Jahresbibliographie zum lateinischen Mittelalter erscheint seit Jg. 1. 1978 (1980) und Jg. 3. 1980 (1982) wurde in ABUN in ZfBB 30 (1983),4, S. 327 besprochen. Die mit dem neuesten Jg. 13 (1992) eingetretenen Veränderungen sind zwar nicht gravierend, doch geben sie genügend Anlaß, erneut auf diese wichtige Bibliographie einzugehen, da sie neuerdings Konkurrenz in der Bibliographie annuelle du moyen-ƒge tardif erhalten hat, so daß ein zusätzlicher Anlaß zu einer vergleichenden Besprechung besteht.

Die Zählung nach getrennten Berichts- und Erscheinungsjahren, die für die Jg. 1. 1978 (1980) bis 9. 1986 (1988) galt, wurde mit Jg. 10 (1989) zugunsten der Zählung allein nach dem Erscheinungsjahr der Bibliographie aufgegeben, was jedoch nur einer Sanktionierung der von Anfang an geübten Praxis entsprach, da es nie ein eigentliches Berichtsjahr gab, sondern immer die Titel angezeigt wurden, die den Bearbeitern bis zum Redaktionsschluß bekannt wurden; die Nennung eines Berichtsjahres war auch deswegen problematisch, weil stets eine große Zahl z.T. vor Jahren erschienener Titel immer dann wieder angezeigt wurde, wenn Rezensionen dazu erschienen.

Was den objektiven Berichtszeitraum betrifft, so war dieser am Anfang mit den Jahrhunderten von 500 bis 1300 umschrieben. In Wirklichkeit wurde das Endjahr häufig überschritten, da in den einzelnen europäischen Ländern die Grenze zwischen Mittelalter und Humanismus sehr unterschiedlich anzusetzen ist und sich allenfalls in Italien einigermaßen klar beim Jahr 1300 ziehen läßt. Zur Verdeutlichung dieser Praxis wurde mit dem neuesten Band der Zusatz zum Sachtitel von ursprünglich "dal secolo V al XIII" in "dal secolo V al XIV" geändert, was aber auch wiederum nicht völlig der Praxis entspricht, da lt. Vorwort die Zeit von ca. 475 bis ca. 1350 behandelt wird. Diese Jahre erklären sich aus der Abgrenzung zu den beiden anderen Epochenbibliographien, der Année philologique einerseits, die die Zeit bis zum Ende des weströmischen Reiches behandelt und der Bibliographie de l'humanisme et de la renaissance andererseits, die ihren Schwerpunkt beim 15. und 16. Jahrhundert hat, jedoch - wiederum in Abhängigkeit von der unterschiedlichen Epochisierung in den einzelnen Ländern - bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurück- oder gar bis ins 17. Jahrhundert vorausgreift.

Die materielle Grundlage von Medioevo latino bildet die laufende Auswertung von derzeit 258 Zeitschriften. In Anbetracht der durch die Sache bedingten, nach Herkunftsländern und Disziplinen breit gestreuten Quellen, in denen einschlägige Arbeiten veröffentlicht werden, ist die Redaktion jedoch auf die Zusendung von Sonderdrucken angewiesen, was von den Forschern auch in beträchtlichem Maße praktiziert wird und worin sich auch die Hochschätzung dieser Bibliographie bei ihren Benutzern spiegelt. Eine Verbreiterung der materiellen Basis ist jetzt durch einen vom Consiglio Nazionale delle Ricerche geförderen Online-Verbund zwischen den drei wichtigsten italienischen Institutionen der Mittelalterforschung zu erwarten, der Societ… Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino in Florenz, dem Centro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo in Spoleto und dem Istituto Storico Italiano per il Medio Evo in Rom, das die Quellen zur mittelalterlichen Geschichte Italiens ediert. Der neueste Jahrgang wurde als Folge des Aufbaus einer Datenbank mit dem Namen Medioevo Europa bereits mit Hilfe der EDV erstellt, und es ist auch geplant, die Titel der Bd. 1 - 12 nachträglich in diese Datenbank einzubringen.

Da die Verwendung des Lateinischen primäres Aufnahmekriterium für die Bibliographie darstellt (von Dante z.B. sind also nur die lateinischen Werke berücksichtigt) und die Verwendung der lateinischen Sprache in allen Bereichen vorherrscht, deckt diese Bibliographie ein breites fachliches Spektrum ab, was sich an der folgenden selektiven Inhaltsübersicht ablesen läßt, die zugleich die gegenüber den früheren Bänden eingetretenen Veränderungen in der Anlage deutlich macht. I. Autoren und Denkmäler in einem Alphabet; II. Fortleben antiker heidnischer und christlicher Autoren und Denkmäler im Mittelalter; III. Sachteil mit Abschnitten für 1. einzelne Disziplinen (z.B. Arithmetik, Philosophie und Theologie, Medizin, Musik, Naturwissenschaften); 2. Sprach- und Literaturwissenschaft; 3. literarische Gattungen (z.B. Hagiographie, Epistolographie, Liturgie, Theater, politische Traktate); 4. Institutionen (z.B. mittelalterliche Bibliotheken, Konzilien, Schulen und Universitäten, Papsttum); 5. Kultur- und Geistesgeschichte; 6. Geschichte der Mediävistik; IV. Nachschlagewerke, unterteilt nach einzelnen Typen; V. Kongreßveröffentlichungen und sonstige Sammelschriften, darunter Festschriften. Der geprüfte Jahrgang enthält 6931 durchnumerierte Haupteintragungen, was aber einer wesentlich höheren Zahl von Eintragungen entspricht, da unter den zahlreichen in einem Aufsatz oder einer Monographie behandelten Einzelaspekten Verweisungen gemacht werden, so z.B. unter den behandelten Autoren und Denkmälern.

Register: 1. der Handschriften nach Aufbewahrungsort; 2. der behandelten Begriffe; 3. der behandelten Geographica, 4. der Verfasser von Sekundärliteratur.

Obwohl im Dezember 1990 in der Certosa del Galuzzo, dem Sitz der Societ… Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino in Florenz, ein internationales Treffen von Vertretern von Institutionen der Mittelalterforschung einerseits und von Bearbeitern einiger, aber leider nicht aller Mittelalter-Bibliographien[1] andererseits stattfand, das sich mit Problemen der Mittelalter-Bibliographien allgemein und mit der Zusammenarbeit zwischen ihnen im besonderen beschäftigte, wobei letztere sinnvollerweise auch zu einer Abstimmung der Inhalte führen sollte. Das hinderte den Vertreter des Institut de Recherche et d'Histoire des Textes in Paris jedoch nicht, ein neues, nicht in Abstimmung mit den bestehenden Bibliographien konzipiertes Unternehmen anzukündigen, dessen erster Band Ende 1991 unter dem Titel Bibliographie annuelle du moyen-ƒge tardif erschienen ist. Abgesehen von der ebenso anmaßenden wie falschen Behauptung einer "absence d'instruments bibliographiques" (S. 5) für die zweieinhalb Jahrhunderte von 1250 - 1500 sind die Versuche, die die neue Bibliographie im Vorwort (S. 6) unternimmt, um ihre Existenzberechtigung durch Abgrenzung von den anderen konkurrierenden Bibliographien zu rechtfertigen, alles andere als überzeugend. So ist von der angeblich besonderen Schnelligkeit der Berichterstattung nichts zu merken, selbst wenn der erste und auch der zweite Jahrgang nach Aussage des Vorworts deswegen mehr alte Titel nachträglich anzeigt, weil die Bibliographie als laufende Fortsetzung des früher in Zettelform geführten und 1987 auf Mikrofiche veröffentlichten Répertoire bio-bibliographique des auteurs latins, patristiques et médiévaux[2] konzipiert ist; das Versprechen des raschen Erscheinens jeweils zum Jahresende mit den der Redaktion im zweiten Halbjahr des vorausgehenden und in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres bekanntgewordenen Arbeiten konnte bereits für den zweiten Jahrgang nicht eingehalten werden, der bis Anfang März 1993 noch immer nicht vorlag. Das als besonderer Vorzug gepriesene Prinzip der Verzeichnung nach Autopsie (im Gegensatz zu den zahlreichen in Medioevo latino nur auf Grund von Rezensionen verzeichneten Monographien) ist gleichfalls nicht ins Auge fallend, da das Balkenkreuz, das eine auf Autopsie des Titels beruhende Annotation einleitet, insgesamt eher selten begegnet; gegen die Annahme, daß den Bearbeitern die Quellen auf Grund der Institutsbestände in großer Zahl zur autoptischen Bearbeitung reichlich flössen, spricht auch der Aufruf des Vorworts an alle Verfasser von Sekundärliteratur, ihre Arbeiten kostenlos an das Institut zu schicken. Was die Zahl der Titel betrifft, so erscheint diese auf den ersten Blick mit 3055 sehr hoch, doch sind im Gegensatz zu Medioevo latino auch alle Mehrfacheintragungen (die hier anstatt Verweisungen stehen) mit eigener Nummer versehen und deren Zahl ist beträchtlich.

Das hängt mit der Anlage der Bibliographie zusammen, deren Hauptteil aus einem typographisch nicht genügend differenzierten Alphabet der zumeist mittelalterlichen Autoren, Denkmäler und einiger Sammeleintragungen (z.B. Concilium Basiliense, Sermo, Sermones) besteht, wobei die Ansetzung der Personen ohne Rücksicht auf die eingebürgerte Namensform grundsätzlich in der lateinischen oder latinisierten Form und unter dem Vornamen erfolgt (also Franciscus Petrarca, Martinus Opitz[3], Willibaldus Pirckheimer) ohne daß sich die Bearbeiter die Mühe machen, von den bekannten Namensformen zu verweisen; Verweisungen fehlen im Gegensatz zu Medioevo latino auch von den häufig abweichenden Namensformen mittelalterlicher Autoren. Unter jeder dieser Personen finden sich dann Eintragungen mit vollen bibliographischen Angaben derjenigen Arbeiten, in denen sie erwähnt oder behandelt werden: so wird z.B. die 1990 bei DTV erschienene deutsche Übersetzung von Kantorowicz's The king's two bodies (Die zwei Körper des Königs) nicht weniger als 22mal aufgeführt.[4] Des weiteren handelt es sich bei einer sehr hohen Zahl von Zitaten um nichts anderes als um die Fundstellen von Handschriften in den auf S. 10 - 11 aufgeführten 15 Handschriftenkatalogen, deren Auswahl jedoch eher willkürlich erscheint, von der Tatsache ganz abgesehen, daß etwa die neueren Bände von Kristellers Iter Italicum allein wegen der großen Masse der dort enthaltenen Nachweise nicht ausgewertet wurden. So nützlich eine derartige Indexierung von Handschriftenkatalogen und verwandten Publikationen auch sein mag, vor allem wenn sie - allerdings nur für anonyme und durch Seltenheit auffällige Texte (so das Vorwort auf S. 7) auch Textanfänge und -enden aufführt und über Register erschließt - so wäre diese Funktion besser mit einem separaten, in Mikroficheform oder auf CD-ROM laufend kumulierenden Index zu erreichen, statt in einer klassischen Bibliographie. Zieht man die vielen Mehrfacheintragungen und die zahlreichen Indexeinträge von der Gesamtzahl der Nummern ab, so dürften nicht allzuviele Titel übrigbleiben, die eine eigene neue Bibliographie rechtfertigten, zumal unter diesen, ohne daß der Rezensent meint, das extra nachprüfen zu müssen, nicht allzuviele sein dürften, die nicht auch in Medioevo latino zu finden sind. Außer den beiden erwähnten Registern der Incipits und der Textenden gibt es ein solches der Handschriften nach Aufbewahrungsorten (mit Ausnahme der in den ausgewerteten Handschriftenkatalogen verzeichneten) sowie eines der Verfasser von Sekundärliteratur. Daß die Form der Verzeichnung wenig übersichtlich ist und die Benutzungsanleitung nur als Zumutung bezeichnet werden kann, sei wenigstens erwähnt.

Schlecht konzipierte Bibliographie, die sich in Abstimmung mit den anderen einschlägigen Bibliographien auf ihre Indexfunktion beschränken und diese in geeigneterer Form wahrnehmen sollte.

sh


[1]
Vertreten waren außer Medioevo latino nur die International medieval bibliography und die Bibliographie in der Revue d'histoire ecclésiastique, während die in den Cahiers de civilisation médiévale jährlich erscheinende nicht vertreten war. Dazu kam je ein Vertreter des Repertorium fontium historiae medii aevi sowie des Deutschen Archivs für Erforschung des Mittelalters, das bekanntlich über einen sehr umfangreichen Besprechungs- und Anzeigenteil verfügt. - Die qualitativ sehr unterschiedlichen Beiträge zu diesem Kolloquium sind nicht veröffentlicht worden; Interessenten können sich mit dem Rezensenten in Verbindung setzen, der (partiell leider unleserliche) Kopien der Vorträge besitzt. (zurück)
[2]
Paris : Chadwyck-Healey France, 1987. - 294 Mikrofiches. - ISBN 2-86976-007-8 : œ 1650.00. Nach Aussagen von Mitarbeitern der Handschriftenabteilung der Württembergischen Landesbibliothek, die sich von diesem teuren Nachschlagewerk viel versprochen hatten, steht der Nutzen nicht im besten Verhältnis zur Investition. (zurück)
[3]
Die Berücksichtigung dieses nicht in die Berichtszeit fallenden Autors (1597 - 1639) ist damit zu erklären, daß er rein mechanisch allein deswegen aufgeführt wird, weil seine Trostgedichte in der Nachfolge von Petrarca stehen (Nr. 877 = Nr. 2020). (zurück)
[4]
Warum hier auf das Balkenkreuz statt der zu erwartenden Anntoation immer nur der Hinweis "v. … l'index" steht, bleibt unerfindlich; nur in zwei Fällen findet sich zusätzlich zu dem Hinweis ein ganz knapper zum Inhalt; die Registereintragung 1995 ist falsch und muß 1994 heißen. (zurück)

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