Ein Projekt analytischer Inhaltserschließung: Friedrich Justin Bertuchs .....


95-4-648


Ein Projekt analytischer Inhaltserschließung: Friedrich Justin Bertuchs Journal des Luxus und der Moden
von
Doris Kuhles

Die inhaltliche Erschließung der periodischen Literatur hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dennoch bleibt speziell für das 18. Jahrhundert noch viel zu tun. Fortschritte sind hier besonders wünschenswert, weil gerade die Zeitschrift als die wichtigste publizistische Form dieses Jahrhunderts gewertet wird. Äußerst selten sind bislang bibliographische Arbeiten zu einzelnen bedeutenden literarischen und kulturhistorischen Zeitschriften. Analytische Erschließungen wie das Repertorium zum Teutschen Merkur von Thomas C. Starnes[1] stellen noch die Ausnahme dar.

Die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar verfügt über wertvolle Zeitschriftenbestände und Sammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts, deren Erschließung in den kommenden Jahren in die fachbibliographische Arbeit einbezogen wird.[2] Damit erfährt das bisherige bibliographische Programm der Bibliothek[3] eine wichtige Ergänzung, die differenzierten Benutzerbedürfnissen Rechnung trägt. Ausgangsbasis für analytische Projekte bildet die 1994 erschienene Bibliographie, die einen Überblick über die Sekundärliteratur zu den relevanten Zeitschriften vermittelt.[4]

1. Zur Bedeutung des Journals des Luxus und der Moden

Schwerpunkte dieser analytischen Arbeiten sollen vor allem Zeitschriften sein, die dem Weimarer-Jenaer Literatur- und Kulturkreis um 1800 zuzuordnen sind und überregionale Bedeutung erlangten. Als Einstieg wurde 1995 mit der Erschließung des Journals des Luxus und der Moden begonnen, das zu den wertvollsten Zeitschriften der Weimarer Bibliothek zählt und noch heute eine literarische und bibliophile Kostbarkeit darstellt. Von Friedrich Justin Bertuch und Georg Melchior Kraus begründet, später von Karl Bertuch, Edmund Ost und Stefan Schütze fortgeführt, erschien es unter verschiedenen veränderten Titeln und mit inhaltlichen Wandlungen von 1786 - 1827. Das Journal ist nur bedingt ein Modeblatt nach heutigem Verständnis, sondern durch die Vielfalt seines Inhalts vielmehr ein kulturelles Spiegelbild der Zeit, einer bewegten Epoche europäischer Geschichte, die durch die Ideen der Spätaufklärung und der Französischen Revolution geprägt war. Es bietet geradezu einen Fundus für diverse Informationen zu unterschiedlichsten Themen. Das Spektrum reicht von Mode, Luxus, Kunst, Theater, Musik, Literatur, Möbeln und Einrichtungen, Gartenkunst, Handwerk, Reisen, Geschichte und Politik bis zu ökonomischen und sozialen Fragen aus allen Bereichen des häuslichen und gesellschaftlichen Lebens. Inhalt, Form und Erscheinungsort des Journals standen in einem glücklichen Wechselspiel mit den Forderungen der Zeit, der die Herausgeber in idealer Weise gerecht wurden. Bertuch,[5] der verlegerische Erfahrungen, journalistische Begabung und weitreichende Beziehungen in viele Länder Europas besaß, verfolgte mit der Herausgabe der Zeitschrift zugleich progressive nationalökonomische und merkantilistische Ziele. Der Weimarer Maler und Mitherausgeber Georg Melchior Kraus schuf zu jedem Heft des Modejournals die auch heute noch attraktiven und begehrten, z.T. kolorierten Kupfertafeln, die den Wert der Zeitschrift noch erhöhten. Weltoffen und mit Geschick verstanden es beide, das Journal schnell über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und beliebt zu machen und es zu einem der erfolgreichsten journalistischen Unternehmen jener Zeit werden zu lassen. Grund genug für die Weimarer Bibliothek, seine analytische Erschließung in Angriff zu nehmen.

2. Methodische Konzeption und Systematik

Die analytische Erschließung der Zeitschrift soll von einer Kombination extensiver bibliographischer Verzeichnung und intensiver inhaltlicher Erschließung bestimmt sein. Somit wird die gesamte Arbeit einen verzeichnenden Textteil und einen sich darauf beziehenden Registerteil umfassen - ein methodisches Modell, das bereits in den Analytischen Bibliographien deutschsprachiger literarischer Zeitschriften[6] zum 20. Jahrhundert, herausgegeben von der Akademie der Künste zu Berlin, erfolgreich seit den siebziger Jahren praktiziert wird.

2.1. Inhalt und Gliederung des Textteils

Die Gesamtzahl der Einzelaufnahmen wird für die 42 Jahrgänge des Journals auf ca. 12.000 geschätzt. Die Bearbeitung erfolgt ausschließlich nach dem Autopsie-Prinzip, wobei das Exemplar der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek zugrunde gelegt wird. Vergleiche mit anderen Exemplaren sind notwendig, um Unvollständigkeiten (fehlende Kupfer u.a.) zu ergänzen und somit eine lückenlose analytische Aufbereitung zu sichern. Im Ergebnis der Arbeit soll also nicht die Beschreibung eines speziellen Exemplars entstehen, sondern eine Gesamtanalyse. Die einzelnen bibliographischen Beschreibungen werden diplomatisch getreu nach dem Original wiedergegeben, einschließlich der zeitgenössischen Orthographie und Interpunktion. Lediglich offensichtlich fehlerhafte Seiten- oder Artikelzählungen und Namen werden korrigiert. Alle Titel des bibliographischen Textteils erhalten eine laufende Numerierung, die in den Registerteil übernommen wird. Zusätzlich wird in einer Kopfzeile, die jeder Titelaufnahme vorangestellt ist, die originale Band- und Heftnummer des jeweiligen Beitrags sowie seine Herkunft (Hauptteil des Journals bzw. Intelligenzblatt oder Monatsbericht, gekennzeichnet durch die Siglen A, I und M) nachgewiesen. Hier zwei Beispiele:

05.01.A 01
842 S. 3-47: [Johann Wolfgang Goethe]: Das Römische Carneval. [Mit Anm. der] Herausgeber.
(Es handelt sich um den 1. Beitrag des Modejournals, Bd. 5, H. 1).

oder
01.11.I 02.
154 S. (C): J[oachim] G[eorg] Göschen: Nachricht die erste ächte und vollständige Ausgabe der Göthe'schen Werke betreffend.
(Es handelt sich um den 2. Beitrag des Intelligenzblatts, Bd. 1, H. 11).

Zur besseren Orientierung werden Jahreszahlen-Marginalien beigegeben. Wichtige methodische Anregungen der analytischen Aufbereitung ergaben sich u.a. aus der Arbeit von P. Hocks und P. Schmidt und ihrem Index zu den Zeitschriften der Berliner Spätaufklärung.[7] Dieser dreibändige Index erfaßt ebenfalls Zeitschriften einer bestimmten Epoche unter regionalem Aspekt und weist daher einige Parallelen zu den Weimarer Vorhaben auf. Besondere Probleme der analytischen Arbeit entstehen durch die anonymen bzw. mit Siglen versehenen Beiträge und Artikel, die quantitativ die Mehrzahl bilden. Die Autoren werden nach Möglichkeit ermittelt, häufig jedoch nicht recherchierbar sein. Ein Redaktionsexemplar der Zeitschrift ist leider nicht mehr vorhanden und der im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv befindliche handschriftliche Bertuch-Nachlaß liefert nur wenige Aufschlüsse. Zahlreiche zeitaufwendige Ermittlungen sind für die Bearbeiterin unvermeidbar. So muß beispielsweise gezielt in Einzelfällen auch der Bertuch-Briefwechsel gesichtet werden, um eventuell Namen von Korrespondenten oder Modeberichterstattern zu ermitteln.

2.2. Der Registerteil

Im Unterschied zu der eingangs zitierten Arbeit von Starnes zum Teutschen Merkur, in der die analytische Aufbereitung anhand von Verzeichnissen vorgenommen wurde, die nach Genres geordnet sind, erfolgt die Erschließung des Modejournals durch ein System von drei alphabetisch geordneten Registern:

Im Registerteil wird im Unterschied zum bibliographischen Textteil die moderne Schreibweise angewandt. Alle Kupfertafeln des Journals werden innerhalb der betreffenden Titelbeschreibung vermerkt und im Register ebenfalls gekennzeichnet durch einen Zusatz Ku der laufenden Nummer.

Diese komplexe Gestaltung des Registerteils ermöglicht dem Benutzer den Zugriff auf einen Beitrag über den Verfasser (soweit vorhanden), über darin enthaltene Namen und Personen, über inhaltliche Stich- und Schlagwörter sowie über Werktitel.

3. Zum EDV-Programm

Die Bibliographie wird mit EDV erarbeitet. Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des EDV-Dezernats der Stiftung Weimarer Klassik entwickelt. Es handelt sich dabei um eine Windows-Applikation, die mit dem objektorientierten Newcomer-Entwicklungsprogramm Delphi Client/Server der Firma Borland erstellt wurde. Das Programm bietet vollständige Windows-Funktionalität und ist als dreigegliedertes Eingabeformular aufgebaut. Die ersten beiden Eingabefenster enthalten die Datenfelder für die bibliographische Beschreibung eines Titels, das dritte Fenster ist ausschließlich den Registereintragungen vorbehalten, die zur Übersicht tabellarisch dargestellt werden. Eine Übernahme von Daten aus den Datenfeldern der bibliographischen Beschreibung in die Registerfenster erfolgt weitgehend automatisch. Korrekturen und Bearbeitungen in den Register-Tabellen können vorgenommen werden. Alle notwendigen Recherchen sind möglich, ebenso Ausdrucke und selektierte Ausdrucke. Besonders hervorzuheben ist die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Programms. Die Datenübernahme aus anderen Windows-Programmen und umgekehrt ist möglich. Vorteil dieser Programmentwicklung im eigenen Hause ist vor allem die Möglichkeit, im Zuge der Erarbeitung der Bibliographie weitere Anpassungen und Detaillierungen vornehmen zu können.

Mit der analytischen Bibliographie zum Journal des Luxus und der Moden kann zwar ein wünschenswerter Nachdruck der attraktiven Zeitschrift nicht ersetzt, wohl aber ein schneller Zugriff und eine exakte Information für die Benutzung ermöglicht werden. Die Bibliographie ist in ihrer Verknüpfung von Textteil und Registersystem so konzipiert, daß sie unabhängig von der Zeitschrift selbst benutzt werden kann. Die chronologische, "natürliche" Reproduktion aller ihrer Beiträge, wie sie von Gerhard Seidel[8] für die Analytischen Bibliographien der Neuzeit hervorgehoben wird, ist dafür ein wesentliches Kriterium. Die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek der Stiftung Weimarer Klassik verbindet mit der Erarbeitung der Bibliographie den Wunsch, einen besonderen Beitrag zum 250. Geburtstag Friedrich Justin Bertuchs im Jahr 1997 vorzulegen und damit die Forschung zu diesem bedeutenden Verleger und zur Zeitschriftengeschichte an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert anzuregen.


[1]
Der Teutsche Merkur : ein Repertorium / Thomas C. Starnes. - Sigmaringen : Thorbecke, 1994. - 694 S. ; 25 cm. - ISBN 3-7995-2031-7 : DM 128.00 [2381]. - IFB 95-1-013. (zurück)
[2]
Vgl. Literarische Zeitschriften des 18. Jahrhunderts in der Weimarer Bibliothek : Bemerkungen zu Ihrer Erschließung / Doris Kuhles. // In: Historische Bestände der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek zu Weimar : Beiträge zu ihrer Geschichte und Erschließung ; mit Bibliographie / Zsstellung und wiss. Red.: Konrad Kratzsch und Siegfried Seifert. - München [u.a.] : Saur, 1992, S. 123 - 137. - (Literatur und Archiv ; 6). - Vgl. IFB 93-1/2-038. (zurück)
[3]
Die laufende Internationale Bibliographie zur deutschen Klassik 1750 - 1850 (vgl. demnächst in IFB) sowie mehrere Personalbibliographien zu den großen Autoren dieser Zeit, zuletzt: Herder-Bibliographie / Stiftung Weimarer Klassik, Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek. - Stuttgart [u.a.] : Metzler. - 24 cm. - (Personalbibliographien zur neueren deutschen Literatur ; ...) [2380]. - 1977/92. Von Doris Kuhles. - 1994. - XII, 360 S. - (... ; 1). - ISBN 3-476-01247-6 : DM 228.00. - IFB 95-1-080. (zurück)
[4]
Deutsche literarische Zeitschriften von der Aufklärung bis zur Romantik : Bibliographie der kritischen Literatur von den Anfängen bis 1990 / von Doris Kuhles. Stiftung Weimarer Klassik, Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek. - München [u.a.] : Saur, 1994. - Teil 1 - 2 ; 25 cm. - (Bibliographien und Kataloge der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek zu Weimar). - ISBN 3-598-11159-2 (Gesamtwerk) : DM 398.00 [1959]. - IFB 94-2-256. (zurück)
[5]
Vgl. neuerdings: "Verbertuchte Literatur" oder Die unendliche Geschichte vom Autor und vom Verleger am Beispiel Goethes und Friedrich Justin Bertuchs / Siegfried Seifert. // In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte. - 5 (1995), S. 111 - 134. (zurück)
[6]
Vgl. dazu ausführlich ABUN in ZfBB 39 (1992),5, S. 439 - 442; zuletzt IFB 94-3/4-369. (zurück)
[7]
Index zu deutschen Zeitschriften der Jahre 1773-1830 : Abt. 1, Zeitschriften der Berliner Spätaufklärung / Paul Hocks ; Peter Schmidt. - Nendeln, Liechtenstein : KTO Press, 1979. - 1 - 3 ; 1013 S. (zurück)
[8]
Hinweise für den Benutzer / Gerhard Seidel. // In: Ost und West, Berlin 1947 - 1949 : Bibliographie einer Zeitschrift / bearb. von Ewald Birr. Mit einer Vorbemerkung von Barbara Voigt. - München [u.a.] : Saur, 1993, S. 117. - (Analytische Bibliographien deutschsprachiger literarischer Zeitschriften ; 14) (Veröffentlichung der Akademie der Künste zu Berlin). - ISBN 3-598-11141-X : DM 128.00 [1763]. - (Vgl. IFB 94-3/4-369). (zurück)

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