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Die inhaltliche Erschließung der periodischen Literatur hat in den
letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dennoch bleibt
speziell für das 18. Jahrhundert noch viel zu tun. Fortschritte sind
hier besonders wünschenswert, weil gerade die Zeitschrift als die
wichtigste publizistische Form dieses Jahrhunderts gewertet wird.
Äußerst selten sind bislang bibliographische Arbeiten zu einzelnen
bedeutenden literarischen und kulturhistorischen Zeitschriften.
Analytische Erschließungen wie das Repertorium zum Teutschen Merkur
von Thomas C. Starnes[1] stellen noch die Ausnahme dar.
Die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar verfügt über wertvolle
Zeitschriftenbestände und Sammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts,
deren Erschließung in den kommenden Jahren in die fachbibliographische
Arbeit einbezogen wird.[2] Damit erfährt das bisherige bibliographische
Programm der Bibliothek[3] eine wichtige Ergänzung, die differenzierten
Benutzerbedürfnissen Rechnung trägt. Ausgangsbasis für analytische
Projekte bildet die 1994 erschienene Bibliographie, die einen
Überblick über die Sekundärliteratur zu den relevanten Zeitschriften
vermittelt.[4]
1. Zur Bedeutung des Journals des Luxus und der Moden
Schwerpunkte dieser analytischen Arbeiten sollen vor allem
Zeitschriften sein, die dem Weimarer-Jenaer Literatur- und Kulturkreis
um 1800 zuzuordnen sind und überregionale Bedeutung erlangten. Als
Einstieg wurde 1995 mit der Erschließung des Journals des Luxus und
der Moden begonnen, das zu den wertvollsten Zeitschriften der Weimarer
Bibliothek zählt und noch heute eine literarische und bibliophile
Kostbarkeit darstellt. Von Friedrich Justin Bertuch und Georg Melchior
Kraus begründet, später von Karl Bertuch, Edmund Ost und Stefan
Schütze fortgeführt, erschien es unter verschiedenen veränderten
Titeln und mit inhaltlichen Wandlungen von 1786 - 1827. Das Journal
ist nur bedingt ein Modeblatt nach heutigem Verständnis, sondern durch
die Vielfalt seines Inhalts vielmehr ein kulturelles Spiegelbild der
Zeit, einer bewegten Epoche europäischer Geschichte, die durch die
Ideen der Spätaufklärung und der Französischen Revolution geprägt war.
Es bietet geradezu einen Fundus für diverse Informationen zu
unterschiedlichsten Themen. Das Spektrum reicht von Mode, Luxus,
Kunst, Theater, Musik, Literatur, Möbeln und Einrichtungen,
Gartenkunst, Handwerk, Reisen, Geschichte und Politik bis zu
ökonomischen und sozialen Fragen aus allen Bereichen des häuslichen
und gesellschaftlichen Lebens. Inhalt, Form und Erscheinungsort des
Journals standen in einem glücklichen Wechselspiel mit den Forderungen
der Zeit, der die Herausgeber in idealer Weise gerecht wurden.
Bertuch,[5] der verlegerische Erfahrungen, journalistische Begabung und
weitreichende Beziehungen in viele Länder Europas besaß, verfolgte mit
der Herausgabe der Zeitschrift zugleich progressive
nationalökonomische und merkantilistische Ziele. Der Weimarer Maler
und Mitherausgeber Georg Melchior Kraus schuf zu jedem Heft des
Modejournals die auch heute noch attraktiven und begehrten, z.T.
kolorierten Kupfertafeln, die den Wert der Zeitschrift noch erhöhten.
Weltoffen und mit Geschick verstanden es beide, das Journal schnell
über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und beliebt zu machen und
es zu einem der erfolgreichsten journalistischen Unternehmen jener
Zeit werden zu lassen. Grund genug für die Weimarer Bibliothek, seine
analytische Erschließung in Angriff zu nehmen.
2. Methodische Konzeption und Systematik
Die analytische Erschließung der Zeitschrift soll von einer
Kombination extensiver bibliographischer Verzeichnung und intensiver
inhaltlicher Erschließung bestimmt sein. Somit wird die gesamte Arbeit
einen verzeichnenden Textteil und einen sich darauf beziehenden
Registerteil umfassen - ein methodisches Modell, das bereits in den
Analytischen Bibliographien deutschsprachiger literarischer
Zeitschriften[6] zum 20. Jahrhundert, herausgegeben von der Akademie der
Künste zu Berlin, erfolgreich seit den siebziger Jahren praktiziert
wird.
2.1. Inhalt und Gliederung des Textteils
Die Gesamtzahl der Einzelaufnahmen wird für die 42 Jahrgänge des
Journals auf ca. 12.000 geschätzt. Die Bearbeitung erfolgt
ausschließlich nach dem Autopsie-Prinzip, wobei das Exemplar der
Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek zugrunde gelegt wird. Vergleiche mit
anderen Exemplaren sind notwendig, um Unvollständigkeiten (fehlende
Kupfer u.a.) zu ergänzen und somit eine lückenlose analytische
Aufbereitung zu sichern. Im Ergebnis der Arbeit soll also nicht die
Beschreibung eines speziellen Exemplars entstehen, sondern eine
Gesamtanalyse. Die einzelnen bibliographischen Beschreibungen werden
diplomatisch getreu nach dem Original wiedergegeben, einschließlich
der zeitgenössischen Orthographie und Interpunktion. Lediglich
offensichtlich fehlerhafte Seiten- oder Artikelzählungen und Namen
werden korrigiert. Alle Titel des bibliographischen Textteils erhalten
eine laufende Numerierung, die in den Registerteil übernommen wird.
Zusätzlich wird in einer Kopfzeile, die jeder Titelaufnahme
vorangestellt ist, die originale Band- und Heftnummer des jeweiligen
Beitrags sowie seine Herkunft (Hauptteil des Journals bzw.
Intelligenzblatt oder Monatsbericht, gekennzeichnet durch die Siglen
A, I und M) nachgewiesen. Hier zwei Beispiele:
Zur besseren Orientierung werden Jahreszahlen-Marginalien beigegeben.
Wichtige methodische Anregungen der analytischen Aufbereitung ergaben
sich u.a. aus der Arbeit von P. Hocks und P. Schmidt und ihrem Index
zu den Zeitschriften der Berliner Spätaufklärung.[7] Dieser dreibändige
Index erfaßt ebenfalls Zeitschriften einer bestimmten Epoche unter
regionalem Aspekt und weist daher einige Parallelen zu den Weimarer
Vorhaben auf. Besondere Probleme der analytischen Arbeit entstehen
durch die anonymen bzw. mit Siglen versehenen Beiträge und Artikel,
die quantitativ die Mehrzahl bilden. Die Autoren werden nach
Möglichkeit ermittelt, häufig jedoch nicht recherchierbar sein. Ein
Redaktionsexemplar der Zeitschrift ist leider nicht mehr vorhanden und
der im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv befindliche
handschriftliche Bertuch-Nachlaß liefert nur wenige Aufschlüsse.
Zahlreiche zeitaufwendige Ermittlungen sind für die Bearbeiterin
unvermeidbar. So muß beispielsweise gezielt in Einzelfällen auch der
Bertuch-Briefwechsel gesichtet werden, um eventuell Namen von
Korrespondenten oder Modeberichterstattern zu ermitteln.
2.2. Der Registerteil
Im Unterschied zu der eingangs zitierten Arbeit von Starnes zum
Teutschen Merkur, in der die analytische Aufbereitung anhand von
Verzeichnissen vorgenommen wurde, die nach Genres geordnet sind,
erfolgt die Erschließung des Modejournals durch ein System von drei
alphabetisch geordneten Registern:
Der Mann auf dem Berge (Eine morgenländische Erzählung. C. Stille).
Auch im Werktitelregister wird mittels typographischer Auszeichnung
die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärliteratur
vorgenommen.
Im Registerteil wird im Unterschied zum bibliographischen Textteil die
moderne Schreibweise angewandt. Alle Kupfertafeln des Journals werden
innerhalb der betreffenden Titelbeschreibung vermerkt und im Register
ebenfalls gekennzeichnet durch einen Zusatz Ku der laufenden Nummer.
Diese komplexe Gestaltung des Registerteils ermöglicht dem Benutzer
den Zugriff auf einen Beitrag über den Verfasser (soweit vorhanden),
über darin enthaltene Namen und Personen, über inhaltliche Stich- und
Schlagwörter sowie über Werktitel.
3. Zum EDV-Programm
Die Bibliographie wird mit EDV erarbeitet. Das Programm wurde in
Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des EDV-Dezernats der Stiftung
Weimarer Klassik entwickelt. Es handelt sich dabei um eine
Windows-Applikation, die mit dem objektorientierten
Newcomer-Entwicklungsprogramm Delphi Client/Server der Firma Borland
erstellt wurde. Das Programm bietet vollständige
Windows-Funktionalität und ist als dreigegliedertes Eingabeformular
aufgebaut. Die ersten beiden Eingabefenster enthalten die Datenfelder
für die bibliographische Beschreibung eines Titels, das dritte Fenster
ist ausschließlich den Registereintragungen vorbehalten, die zur
Übersicht tabellarisch dargestellt werden. Eine Übernahme von Daten
aus den Datenfeldern der bibliographischen Beschreibung in die
Registerfenster erfolgt weitgehend automatisch. Korrekturen und
Bearbeitungen in den Register-Tabellen können vorgenommen werden. Alle
notwendigen Recherchen sind möglich, ebenso Ausdrucke und selektierte
Ausdrucke. Besonders hervorzuheben ist die
Verarbeitungsgeschwindigkeit des Programms. Die Datenübernahme aus
anderen Windows-Programmen und umgekehrt ist möglich. Vorteil dieser
Programmentwicklung im eigenen Hause ist vor allem die Möglichkeit, im
Zuge der Erarbeitung der Bibliographie weitere Anpassungen und
Detaillierungen vornehmen zu können.
Mit der analytischen Bibliographie zum Journal des Luxus und der Moden
kann zwar ein wünschenswerter Nachdruck der attraktiven Zeitschrift
nicht ersetzt, wohl aber ein schneller Zugriff und eine exakte
Information für die Benutzung ermöglicht werden. Die Bibliographie ist
in ihrer Verknüpfung von Textteil und Registersystem so konzipiert,
daß sie unabhängig von der Zeitschrift selbst benutzt werden kann. Die
chronologische, "natürliche" Reproduktion aller ihrer Beiträge, wie
sie von Gerhard Seidel[8] für die Analytischen Bibliographien der
Neuzeit hervorgehoben wird, ist dafür ein wesentliches Kriterium. Die
Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek der Stiftung Weimarer Klassik
verbindet mit der Erarbeitung der Bibliographie den Wunsch, einen
besonderen Beitrag zum 250. Geburtstag Friedrich Justin Bertuchs im
Jahr 1997 vorzulegen und damit die Forschung zu diesem bedeutenden
Verleger und zur Zeitschriftengeschichte an der Wende vom 18. zum 19.
Jahrhundert anzuregen.
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