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1. Die Initiative: Begründer und Verleger
Wie so viele (geistes)wissenschaftliche Unternehmungen ist die
Gründung und das Konzeption auch der BSIM der Initiative eines
einzelnen Wissenschaftlers zu verdanken ebenso wie ihre Realisierung
dann dem Verständnis eines Verlegers, der keinem Großverlag vorsteht.
1968 begründet der Realschullehrer und Privatgelehrte Manfred Lurker[2]
(1928-1990) die BSIM als laufende Bibliographie, auch gedacht als
Fortsetzung seiner Bibliographie zur Symbolkunde.[3] Die
Bände 1 (1968)
und 2 (1969) der BSIM erscheinen noch im Verlag Librairie Heitz[4]
(Baden-Baden), seit Band 3 (1970) im Verlag Valentin Koerner[5]
(ebenfalls Baden-Baden), wie die Librairie Heitz seit der Umfirmierung
im Jahr 1971 heißt. Zu den Schwerpunkten des Koerner-Verlags zählen
bibliographische Werke (bekannt vor allem: die Reihe Bibliotheca
bibliographica Aureliana) sowie die Fach- bzw. Sachgebiete Humanismus
und Frühe Neuzeit (wesentlich repräsentiert in der Reihe Saecvla
spiritalia), Musikwissenschaft (Sammlung musikwissenschaftlicher
Abhandlungen), Kunstgeschichte (Studien zur deutschen
Kunstgeschichte), Symbolforschung und Theologie (Bibliotheca
dissidentium mit den Unterreihen Répertoire des non-conformistes
religieux des seiziŠme et dix-septiŠme siŠcles und Scripta et
studia).
Zu Recht gilt Manfred Lurker als einer der produktivsten[6] und
bedeutendsten Symbolforscher unseres Jahrhunderts, der sich
insbesondere einen Namen als Verfasser und Herausgeber mehrerer,
teilweise auch in andere Sprachen übersetzter Standardnachschlagewerke
zur Symbolik und Mythologie gemacht hat.[7]
2. Symbol: Definitionen und Intentionen, anthropologischer
Stellenwert, Vielfalt und Allgegenwart
In Gero von Wilperts Sachwörterbuch der Literatur[8]
wird das Symbol
definiert als "jeder auf etwas Höheres verweisende Vorgang oder
Gegenstand"; gemeint sind "besonders traditionelle Symbole und
Zeremonien religiöser Gemeinschaften, die nur den Eingeweihten
verständlich sind (z. B. Fahne, christliches Kreuz und Abendmahl)". In
der Dichtung wird das Symbol gerne verstanden als ein "sinnlich
gegebenes und faßbares, bildkräftiges Zeichen, das über sich selbst
als Offenbarung veranschaulichend und verdeutlichend auf einen
höheren, abstrakten Bereich verweist", als "'Sinnbild' von besonders
eindringlicher Gefühlswirkung, künstlerischer Kraft und weitgespanntem
Bezugskreis, das in der Gestaltung des Einzelnen, Besonderen ein nicht
ausgesprochenes Allgemeines durchscheinen und ahnen läßt und als
andeutender Ersatz für ein geheimnisvolles, undarstellbares und hinter
der sinnbildlichen Erscheinungswelt liegendes Vorstellungsgebilde im
Bild dessen weiten seelischen Gehalt zu erschließen sucht, der im Bild
enthalten, jedoch von ihm selbst verschieden ist." Manfred Lurker
betont vor allem den hier angesprochenen Verweisungscharakter des
Symbols: "Streng genommen deutet das Symbol immer auf eine andere
Seinsebene und hat neben der offenbarenden Funktion für den
Eingeweihten zugleich eine verhüllende dem Nichtwissenden gegenüber.
Symbole sind Sinn-Bilder, die aus dem menschlichen Bedürfnis heraus
gestaltet wurden, das Unanschauliche als Anschaubares zu besitzen
- richtiger ausgedrückt als Wahrnehmbares. Denn neben dem Bild und
Gebilde können auch Wort und Klang, Bewegung und Handlung symbolische
Bedeutung haben."[9] In allen Bereichen des Lebens gelangt somit die
Symbolhaftigkeit menschlicher Existenz zum Ausdruck, wo "das Innere
durch ein Äußeres, das Geistige durch Körperliches, das Allgemeine
durch ein Einzelnes, das Ganze durch einen Teil, das Unsichtbare durch
ein Sichtbares, das Unwandelbare durch Vergängliches angedeutet werden
soll".[10]
Zu Recht läßt sich der Mensch als symbolschaffendes Wesen definieren:
Der Symbolgebrauch stellt somit auch eine gern und oft genutzte Basis
dar, auf die sich anthropologische Forschung, hermeneutisches Streben
und letztlich wohl auch zu einem großen Teil kultur- und
geisteswissenschaftliche Erkenntnisinteressen gründen lassen. Symbole
sind im menschlichen Leben in der Tat allgegenwärtig, sie begegnen in
Mythen und Ritualen, in Religionen, im Brauchtum und in Träumen, in
Literatur und Kunst, in den Geheimwissenschaften, in der Politik, in
der Werbung, im Sport. Sie finden sich in allen Kulturen und zu allen
Zeiten, auf vielfältigen 'Trägern' (Beispiele: Heiligenbilder,
Kleider, Münzen, Totem, Schmuck, Spielkarten, Wappen) und im Rahmen
vielfältiger 'Handlungen' (Beispiele: Initiationsritual, Liturgie).
Sie begegnen in den ersten Höhlenmalereien, in den Porträts der
Renaissance, im alchemistischen Buch des 16. und im Emblembuch des 17.
Jahrhunderts, den Volksfesten des 19. Jahrhunderts ebenso wie im
zeitgenössischen Science-Fiction-Film. Jede 'Geschichte', von der
Kostümgeschichte bis zur Architekturgeschichte, von der
Religionsgeschichte bis zur Medizingeschichte, von der
Alltagsgeschichte bis zur Herrschergeschichte ist immer auch
Symbolgeschichte. Auf die westliche Kultur bezogen: Die sogenannte
high-brow-Kultur bezeugt die faszinierende Vielfalt des
Symbolgebrauchs ebenso wie die Popularkultur. Symbole, Symbolik und
Symbolhandlungen begegnen in einer Ode Friedrich Hölderlins oder der
Osterbotschaft des Papstes ebenso wie bei einem massenmedial
inszenierten Fußballspiel oder im Werbeprospekt eines
Reiseveranstalters. Das Spektrum reicht vom Gebrauch der Zahlen in
Edmund Spensers allegorischem Epos The Faerie Queene, dem Einsatz der
Farbe 'Blau' in einem Gedicht Georg Trakls oder dem Kreuz auf einem
Grabstein, über die Sonnenblume auf dem Plakat einer ökologischen
Partei bis hin zum Anker als beliebtem Motiv im visuellen Repertoire
eines Tätowierungssalons.
Zu einer Zeit, als 'ganzheitlich' noch nicht zum beliebigen Modewort
geworden war, hat Manfred Lurker bereits die ganzheitliche und damit
auch integrierende Funktion des Symbols und der Symbolkunde
hervorgehoben: "Die symbolkundliche Betrachtungsweise sprengt wie kaum
eine andere die Grenzen der Fachwissenschaft und drängt geradezu auf
eine ganzheitliche Schau, obwohl der Begriff des Symbols in den
einzelnen Forschungsbereichen eine spezifische Prägung erhalten hat."[11]
Das Symbolische wird Lurker so zum "Kristallisationspunkt für
ganzheitliche Wissenschaftsbetrachtung und Sinn-Forschung".[12]
Wichtig
ist dabei die Erkenntnis, "daß das Symbol und die ihm verwandten
Termini eine Begriffsreihe bilden, bei der die Einzelbegriffe
nebeneinanderstehen und ineinander übergehen [...]. Symbol, Emblem,
Allegorie, Metapher, Gleichnis, Parabel, Analogie sind sich nahe
verwandt, ein Begriff wechselt in den anderen über, so daß sich der
Standort des einzelnen oft nicht immer exakt bestimmen läßt. Selbst
scheinbar oder wirklich am Rande liegende Begriffe - wie etwa
Archetyp, Bild, Motiv, Typos, Topos, Chiffre, Signum, Signal, Symptom
- können, je nach Blickwinkel, in diesem Spektralband Aufnahme
finden."[13]
3. Symbole - Definitionen und Zeugnisse: Folgen für die Intentionen
der BSIM
Ausgehend von diesen Betrachtungen ist eine präzise Definition des
Symbolbegriffs nicht möglich und eine exakte Grenzziehung für die BSIM
nicht zu erwarten, im übrigen auch gar nicht wünschenswert. In einem
sehr pragmatischen Sinne verzeichnet die BSIM denn auch die
symbolkundliche Literatur. Sie erhebt hierbei keinen Anspruch auf
Vollständigkeit, will eher Wegweiser sein als streng vermessender
Kartograph. Oftmals berücksichtigt sie weniger den
Fachwissenschaftler, der sich in den einschlägigen Organen seines
Faches orientieren möge, als den interdisziplinär orientierten,
hermeneutischen Generalisten oder den transdisziplinär interessierten
Zaungast. Auch der Mythos als umfassende bildliche Deutung der Welt
ist aufgrund seiner großen Affinität und vielfältigen Bezüge zum
Symbolischen - u.a. Mythos als "Exegese des Symbols" (J. J. Bachofen)
- explizit im Titel des Referateorgans - Bibliographie zur Symbolik,
Ikonographie und Mythologie - ausgewiesen. Ebenso hat die Ikonographie
hier ihren Platz, primär verstanden als kunstwissenschaftliche
Disziplin, die sich mit dem Inhalt künstlerischer Darstellungen, mit
der Deutung von Bildgegenständen befaßt und bei deren Entschlüsselung
häufig ein Rückgriff auf tradierte Symbolreservoirs, insbesondere
literarische Quellen wie die Texte antiker Autoren oder die Bibel,
vonnöten ist. Angezeigt werden gelegentlich auch Studien ohne direkt
symbolkundlichen Aspekt, die als Hintergrundstudien - etwa mit
kultur- oder
religionsgeschichtlicher Ausrichtung - wichtig sind.
Unmißverständlich ausgeschlossen bleibt hingegen das Symbol, so wie es
in der Konfessionskunde, in der symbolischen Logik oder in der
modernen Biologie verstanden wird. Auch das Symbol, wie es gerne von
Sozialwissenschaftlern begriffen wird, als "jede wahrnehmbare Einheit,
die im Rahmen einer Kultur als stellvertretendes Zeichen für
bestimmten Sinn, Sinnzusammenhang, Bedeutung, Wert usw. fungiert",[14]
wird nur in Ausnahmefällen berücksichtigt. So wird man denn auch die
zahlreichen Publikationen zum Thema Statussymbol[15] in der
BSIM
vergeblich suchen.
Allgegenwart und Vielfalt von Symbolzeugnissen, Universalität sowie
Trans- und Interdisziplinarität der Symbolforschung: Will eine
Bibliographie diesen Ansprüchen, besser: Postulaten, gerecht werden,
so hat sie das symbolkundlich relevante Schrifttum zahlreicher
Wissenschaften, nahezu aller Geistes- und Kulturwissenschaften zu
erfassen. Besondere Erwähnung verdienen hierbei folgende
- traditionsreiche und eher rezente - Wissenschaften, Disziplinen oder
Fachgebiete wie Vor- und Frühgeschichte (auch im Hinblick auf die
- vermeintliche? - Antithese von Mythos und Logos), Archäologie,
Ägyptologie, Klassische Philologie, Orientalistik, Philosophie, Ideen-
und Mentalitätsgeschichte, Geschichte der Mystik, Theologie, Liturgik,
Vergleichende Religionswissenschaft, Ethnologie, Volkskunde,
Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft,
Rechtsgeschichte, Psychologie, Psychiatrie, Medienwissenschaft und
Kommunikationstheorie (Stichwort Symbolpublizistik), Buchwissenschaft
(Stichwort Buchillustration) und Heraldik. Auch die
Naturwissenschaften, die der mit der Materie nicht Vertraute hier
nicht unbedingt erwarten würde, verdienen entsprechende
Berücksichtigung. Erwähnt seien hier insbesondere die Geschichte der
Medizin und der Pharmazie (Beispiel: Apothekennamen). Bei alledem
kommt einigen Autoren (William Blake, Dante), Künstlern (Caspar David
Friedrich) und Wissenschaftlern (Erwin Panofsky, Aby M. Warburg) eine
geradezu 'kanonische' Bedeutung zu.
Ein großes Problem stellen eher 'halbseidene' Wissenschaften, die sog.
Geheimwissenschaften, Wissensgebiete und Gattungen wie Astrologie,
Esoterik und die Fantasy-Literatur dar. Man denke hier an die
umfangreiche Literatur zu Themen wie Astralleib,
Bewußtseinserweiterung, chinesische Astrologie, Geistheilung,
Nahtod-Erfahrung, New Age, Parapsychologie, Präastronautik,
Schamanismus, Seelenwanderung, Traumdeutung, UFO, Zeitreise und
dergleichen mehr. Als Zeugnisse des Symbolischen darf solches
Schrifttum nicht völlig vernachlässigt werden, eine 'Überschwemmung'
des Referateorgans mit der entsprechenden, kaum noch übersehbaren,[16]
zum großen Teil auch nur schwer erträglichen Literatur muß aber
dringend vermieden werden. Andererseits gilt aber für alle Bereiche,
daß gerade mediokre Werke und Zeugnisse von besonderem Interesse für
die symbolkundliche und ikonographische Forschung sind.
Wie jedem Referateorgan eignet auch der BSIM ein ausgesprochener
Enzyklopädismus. Doch darf dieser nicht als primär oder gar alleinig
objektbezogen mißverstanden werden. Es geht um mehr, als nur dem
Nutzer möglichst rasch Informationen zu einzelnen 'Objekten' der
Symbolkunde (Beispiele: Einhorn, Pelikan, Sonne, Farbe Weiß oder die
Zahl Zwölf) bereitzustellen. Von ebenso großem, wenn nicht gar
größerem Interesse sind symbolische Prozesse und symbolkundliche
Anliegen, Ideogramme und Konzepte wie Allegorese, Bildprogramm,
Denkraum, Mnemosyne, Mythisierung, Pathosformel, Transzendenz, die
Dichotomie Idee vs. Erscheinung oder die Ideengeschichte der
- vermeintlichen? - Antithese von Mythos und Rationalität; sie alle
müssen in der BSIM angemessene Berücksichtigung finden. Dieses
Bestreben heißt freilich nicht, daß der BSIM der häufig erfahrene
wissenstaxonomische Befund fremd wäre, daß die Repräsentation von
Fakten-, Sach- und Gegenstandswissen sich zumeist weit einfacher
gestaltet als die Repräsentation von Methoden-, Problemlösungs-,
Strategie-, Kategorie-, Paradigmen- oder Aspektwissen. Und doch stellt
die BSIM die wohl einzige Bibliographie dar, die sich einem zentralen
Aspekt, einer Einstellung, einem Zugriff, einem leitenden
Erkenntnisinteresse widmet, die mit den oben genannten Definitionen
und Intentionen umschrieben werden können: der Mensch als
symbolschaffendes Wesen oder die Welt der Erscheinungen, die auf eine
Welt der Ideen verweist.
4. BSIM : zur Typologie einer Bibliographie
Die jährlich erscheinende Bibliographie ordnet die Titel im Alphabet
der Verfasser; wenn irgend möglich wird eine Einordnung unter dem
Sachtitel vermieden. Aufgrund der interdisziplinären Ausrichtung der
BSIM verbietet sich eine Ordnung nach Sachgruppen oder gar einer
ausgeklügelten Systematik. Im Untertitel als "internationales
Referateorgan" definiert, enthält die BSIM sehr verschiedene Formen
von Eintragungen: sowohl reine Titelangaben, Annotationen, kurze
- teils deskriptive, teils evaluative - Referate, aber auch
ausformulierte Rezensionen, in denen sich durchaus auch
wissenschaftliche Streitlust kundtut. Wie alle anderen Speicher
verdichteten Wissens bewegen sich auch Referateorgane nicht in einem
platonischen Reich der reinen Ideen, sondern sind in die
interessegeleiteten Diskursgemeinschaften ihrer Zeit eingebunden. Die
BSIM ist somit zum Teil als bloß anzeigende, zum Teil aber auch als
kritische oder räsonnierende, gelegentlich gar empfehlende
Bibliographie einzustufen.
Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen dokumentiert die BSIM
ausschließlich Sekundärzeugnisse zur Symbolik, d. h. symbolkundliche
Publikationen, nicht aber Primärzeugnisse zur Symbolik, z. B. Romane,
in denen die Symbolik eine tragende Rolle spielt. Insofern kann auch
die BSIM "einen wesentlichen Mangel der gegenwärtigen
geisteswissenschaftlichen Forschung" nicht beheben: "das nahezu
völlige Fehlen einer interdisziplinär organisierten, möglichst
universellen thematologischen Kontrolle. Der Begriff 'thematologische
Kontrolle' wird hier analog zum Terminus 'bibliographische Kontrolle'
gewählt, der vor allem in seiner Spielart 'universal bibliographic
control' geläufig ist und das - wohl niemals realisierbare - Bestreben
bezeichnet, das weltweit erscheinende Schrifttum möglichst lückenlos
zu erfassen. Eine auf gleichem Anspruchsniveau angesiedelte
thematologische Kontrolle bedeutete eine möglichst vollständige
Dokumentation zentraler Themen, Motive, Symbole und Allegorien in
allen verfügbaren Medien und Gattungen."[17]
Die BSIM verzeichnet monographisches und unselbständiges Schrifttum.
Mit Beharrlichkeit ergeht an alle Mitarbeiter die Aufforderung zur
autoptischen Arbeit, deren Notwendigkeit freilich von den
Wissenschaftlern bei weitem nicht so sehr erkannt wird wie von dem in
bibliographischen Angelegenheiten von Haus aus mißtrauischen
Bibliothekar. Die Bibliographie kann somit leider nur sehr bedingt als
Primärbibliographie bezeichnet werden, tatsächlich erweist sie sich
über weite Strecken als Sekundärbibliographie.
Die BSIM kann auch nicht als Allgemeinbibliographie bezeichnet werden,
sprengt aber gleichwohl ihrem Anspruch auf Universalität gemäß den
Rahmen der üblichen Fachbibliographie. Anhand von fünf im Alphabet
aufeinanderfolgenden Titeln aus dem Band 22 (1989), die im übrigen
allesamt nicht das Stichwort Symbol enthalten (zufälligerweise handelt
es sich hierbei ausschließlich um deutschsprachige Titel), soll
beispielhaft das breite Spektrum, d. h. die thematische Vielfalt der
angezeigten Titel verdeutlicht werden:
Lexikon der biblischen Personen / von Martin Bocian. Unter Mitarb. von
Ursula Kraut und Iris Lenz. - Stuttgart : Kröner, 1989. - (Kröners
Taschenausgabe ; 460).[18]
Kulturgeschichte des Wassers / hrsg. von Hartmut Böhme. - Frankfurt am
Main : Suhrkamp, 1988. - (Suhrkamp Taschenbuch ; 1486)
"Frucht des Gewitters" : Hölderlins Dionysos als Gott der Revolution /
Bernhard Böschenstein. - Frankfurt am Main : Insel-Verlag, 1989.
Die Tierwelt des alten Ägypten : untersucht anhand
kulturgeschichtlicher und zoologischer Quellen / Joachim Boessneck.
- München : Beck, 1988.
Zivilisation und Rationalisierung : die Zivilisationstheorien Max
Webers, Norbert Elias' und der Frankfurter Schule im Vergleich / Artur
Bogner. - Opladen : Westdeutscher Verlag, 1989.
Eine dominante Publikationssprache oder gar eine lingua franca der
Symbolforschung gibt es nicht. Symbolkundliche Literatur erscheint in
vielen Sprachen; neben den englisch- und deutschsprachigen
Publikationen verdient das im deutschsprachigen Wissenschaftsbetrieb
und Bibliothekswesen mehr und mehr, zum Teil sogar schändlich
vernachlässigte Schrifttum der Romania (Frankreich, Italien, Spanien)
besondere Erwähnung. Aus naheliegenden Gründen wird auch in der BSIM
nicht allen ausländischen Publikationen die ihnen gebührende
Aufmerksamkeit geschenkt. Als Verkehrssprachen für die Abstracts
befürworten wir im übrigen Englisch und Deutsch, wegen der doch
weltweit rapide im Schwinden begriffenen Fremdsprachenkenntnisse
akzeptieren wir weit weniger gern Französisch und Italienisch.
Die BSIM stellt - wie aus all dem oben Gesagten bereits abzuleiten
- eine Auswahlbibliographie dar. Ihr Auswahlcharakter spiegelt sich
auch
in der - im übrigen von Band zu Band schwankenden - begrenzten Zahl
der angezeigten Titel, die sehr deutlicht macht, daß bei weitem nicht
alle weltweit erscheinende symbolkundliche Literatur erfaßt wird.[19] Es
wäre im übrigen unredlich, den Auswahlcharakter der Bibliographie
ausschließlich auf eine tiefgründige Programmatik zurückzuführen; er
beruht leider auch auf dem Umstand, daß nicht immer für alle Bereiche
der Symbolforschung kompetente und arbeitswillige Referenten
bereitstehen (zum Referentensystem später mehr).
Wie fast alle laufende Bibliographien kämpft auch die BSIM gegen
ungebührlichen Berichtsverzug; der - nun wahrlich nicht originelle
- Zielkonflikt zwischen Präzision und Aktualität der bibliographischen
Angaben zählt zu den großen Sorgen auch des BSIM-Bibliographen. Das
Problem der Rückergänzung wird flexibel gehandhabt; in jüngster Zeit
verzeichnen wir ein stärkeres Bedürfnis, auch ältere, bislang
übersehene Titel noch aufzunehmen. In den soeben erstellten Bänden
wurden im übrigen im Sinne einer systematischen Rückergänzung einige
für die symbolkundliche Forschung wichtige Zeitschriften ausgewertet
wie z.B. Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und
Geistesgeschichte, Numen : international review for the history of
religions oder Zeitschrift für Kunstgeschichte.
Zur Verbreitung und zum Preis: Die BSIM wird in 1.000 Exemplaren
hergestellt und kostet DM 48,00.[20] Die meisten Abnehmer sind
Bibliotheken.
5. BSIM: eine Bibliographie auf der Basis eines informellen
Referentensystems
Wie viele Kulturprodukte, die für die vordergründige Inszenierung von
Politikern untauglich sind, wird auch die BSIM ohne Unterstützung
öffentlicher Geldgeber publiziert. Es handelt sich hierbei um ein
'handgestricktes' Referateorgan, das auf die Initiative, das
Engagement, die Umsicht und Sorgfalt der handelnden Personen
(Mitarbeiter, Verleger, Herausgeber) angewiesen ist und im
wesentlichen auf dem informellen 'Netzwerk' eines Referentensystems
basiert. Der Intention des Referateorgans gemäß verlaufen die
einzelnen Referate, die in vielen Fällen noch nicht einmal explizit
definiert und vereinbart sind, nicht entlang traditioneller, starrer
Fachgrenzen, sondern tragen der Interdisziplinarität und der Dynamik
der Symbolforschung Rechnung. In diesem Sinne lauten denn die
(informellen) Referatsbezeichnungen auch beispielsweise nicht
Anglistik, Religionsgeschichte oder Romanistik, sondern Humanismus,
Platonismus, Zahlensymbolik.
Zu den Mitarbeitern der BSIM zählen bzw. zählten international
ausgewiesene Wissenschaftler wie der Ägyptologe Jan Assmann, der
Urgeschichtsforscher Karl J. Narr, der Medizinhistoriker Heinrich
Schipperges, der Philosoph Franz Vonessen, der Humanismus- und
Warburg-Forscher Dieter Wuttke. Auch diejenigen, die der BSIM geduldig
ihre Zeit opfern, erfahren die einschneidenden Veränderungen, denen
bibliographisches Arbeiten in unserem Jahrhundert unterworfen ist und
die Eberhard Bartsch schon 1979 wie folgt beschrieb: "Der Gelehrte
tritt (was mit dem Seltenwerden des einzeln arbeitenden Bibliographen
eng zusammenhängt) in dem Maße in der Bibliographie zurück, in dem im
allgemeinen Wissenschaftsbetrieb technokratisches Denken,
Arbeitsteilung und Kostendruck an Boden gewinnen; in diesem Rahmen ist
Bibliographie nicht mehr 'Gelehrsamkeit', sondern wissenschaftliche
Dienstleistung, kostenorientiert und von wachsender technischer und
handwerklicher Kompliziertheit."[21]
6. BSIM: ein Referateorgan im Zeichen der Krise der
Geisteswissenschaften und der geisteswissenschaftlichen
Fachinformation
Auch die BSIM hat teil an einer Krise der Geisteswissenschaften, die
während der bisherigen Lebenszeit dieses Referateorgans schmerzliche
Einschränkungen erleiden mußten. Für die BSIM waren denn auch
zahlreiche Fluktuationen bei den Mitarbeitern die Folge. Schädlich hat
sich auch der imperiale Zugriff der sich gerne als neue
Leitwissenschaft gerierenden Semiotik ausgewirkt, die die
Symbolforschung als Teilgebiet ihrer selbst zu vereinnahmen suchte und
spezifische symbolkundliche Anliegen und Erkenntnisinteressen zu
ignorieren beliebte. Wenn Kritiker überdies versucht waren, im Sinne
der innerhalb der politischen Semantik weiterhin geläufigen, wenn auch
wohl nur noch eingeschränkt aussagekräftigen Antithese rechts vs.
links den Standort der Symbolforschung zu bestimmen, wurde sie in
Deutschland - im Unterschied etwa zu Frankreich - gerne rechten
Strömungen zugerechnet: Auch diese im übrigen kaum haltbare Zuordnung
hat der Symbolforschung sicherlich eher geschadet. Fazit:
Symbolforschung war in den nunmehr fünfundzwanzig Jahren BSIM niemals
Teil des intellektuellen oder wissenschaftlichen mainstream.
Bei alledem ist die BSIM - unspektakulärer, aber vielleicht um so
aussagefähigerer - Teil einer konsequenten Vernachlässigung und
erschreckenden Misere der geisteswissenschaftlichen Fachinformation[22]
und insbesondere einer Krise der Referateorgane und der
Fachbibliographien, die in Gesprächen mit Kollegen anderer
Referateorgane und Fachbibliographien deutlich wird, aber aus der
Beobachtung der Verzugszeiten und der hellhörigen Lektüre
entsprechender Vorworte[23] u. ä. auch für den
Nicht-Eingeweihten
erkennbar ist. Eine Krise - dies muß aber auch deutlich gesagt werden
- der weiterhin durch den großen Einsatz einiger weniger engagierter,
in der Regel ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getrotzt
wird.
7. Kärrnerarbeit Redaktion
Die Erstellung der BSIM erfordert einen beträchtlichen redaktionellen
Aufwand. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Überprüfung
bibliographischer Angaben, soweit dies bei der Aktualität der
eingesandten Titel überhaupt möglich ist. Sodann bedürfen auch die
eingegangenen Referate einer sorgfältigen Durchsicht. Den
Universalismus und Sprachenreichtum der erstellten Abstracts mag der
Umstand verdeutlichen, daß für einen einzelnen Band unter anderem
Wörter - auch abgelegene, fremdsprachige und nicht alle von
symbolkundlicher Provenienz - wie Bering Strait, hypäthral, saber,
Saivism nachgeschlagen werden mußten.
Besondere Aufmerksamkeit muß den in verschiedenen Sprachen
unterschiedlichen Schreibweisen mythologischer Figuren zuteil werden,
wie sie in den Publikationstiteln oder den Abstracts vorkommen können.
So hat sich beispielsweise im Englischen und Französischen die
Schreibweise Gilgamesh (The new encyclopedia Britannica und
Larousse),
im Deutschen hingegen die Schreibweise Gilgamesch (Brockhaus)
durchgesetzt. Für den griechischen Helden Herakles finden sich
beispielsweise im Deutschen die Namensvariante Herkules, im Englischen
die Namensformen Heracles und Hercules, im Französischen die
Namensformen HéraclŠs oder Hercule, im Italienischen die Formen Eracle
oder Ercole. Das klassische konfuzianische Werk Das Buch der
Wandlungen wird in Kindlers Literatur-Lexikon angesetzt als I-ching,
in Kindlers neuem Literatur-Lexikon als Yijing. Als weitere
Namensvarianten kommen u. a. vor: I ching, I-ging, I ging, I king,
I-king, Yi jing. Im Verlauf der redaktionellen Arbeit werden
zahlreiche Nachschlagewerke konsultiert, die hier selbstverständlich
nicht alle angeführt werden können. Immerhin dürfte es nicht ohne
- auch auskunftsbibliothekarisches? - Interesse sein, daß zahlreiche
Probleme mit durchaus gängigen Allgemein- oder Fachenzyklopädien wie
Brockhaus, The new encyclopaedia Britannica, Kindlers neues
Literatur-Lexikon oder Paulys Realencyklopädie der classischen
Altertumswissenschaft gelöst werden können. Nach alledem wird die
Tatsache kaum noch verwundern, daß sich über weite Strecken die
redaktionelle Arbeit an der BSIM weit aufwendiger gestaltet als das
Registermachen.
Welcher Bibliograph hätte nicht schon die schmerzliche Erfahrung
gemacht, daß wir uns in einer Zeit schwindender bibliographischer
Verläßlichkeit befinden. Die Frage, inwieweit angesichts des
zunehmenden Einsatzes von PCs ein frei vagabundierendes, von Diskette
zu Diskette weitergereichtes, ungeprüftes und unterschiedlichen
Formatierungsregeln unterworfenes Titelmaterial für den
Qualitätsverlust verantwortlich ist, läßt sich zur Zeit wohl kaum
beantworten. Schlimm genug, daß diese Gefahren den meisten
Wissenschaftlern kaum bewußt sind.
8. Register
Obschon die Bibliographie nach dem Alphabet der Verfasser geordnet
ist, wird zusätzlich ein alphabetisch geordnetes Verfasserregister
eingerichtet, um auch einen Zugriff über jene Namen zu ermöglichen,
die nicht an erster Stelle der bibliographischen Eintragungen stehen:
zweite und weitere Verfasser bzw. Herausgeber, Übersetzer,
Illustratoren, Photographen sowie die Autoren von Beiträgen zu
Sammelwerken, die im Referat des jeweiligen Sammelwerkes eigens
angeführt werden.
Wichtiger aber ist ohne Zweifel das Sachregister, angesichts der
tendenziellen 'Universalität' des Referateorgans kein leicht zu
erstellendes Erschließungsinstrument, das den thematischen Zugang zum
bibliographischen Teil ermöglicht. In den Dienst des Zugriffs auf die
in der BSIM angezeigte Literatur gestellt, verzeichnen die
Registereintragungen die Namen von Motiven, Themen und Stoffen
(Arkadien; Lebensbaum), Autoren (Blake, William), bildenden Künstlern
(Grünewald, Matthias), mythologischen Figuren (Prometheus),
Wissenschaftlern (Jung, C. G.; Mƒle, Emile; Warburg, Aby M.), die
Bezeichnungen von Religionen (Buddhismus), Bauwerken (Tempel),
Wissenschaften (Ethnologie) und viele andere mehr.
Facettenklassifikatorisch geschulte Leser werden in den wenigen
Beispielen bereits unschwer wesentliche Facetten, gleichsam
"fundamental categories"[24] der Symbolforschung erkennen:
Symbolproduzenten, Symbolträger, Symbolsysteme. Wie für
Nachschlagewerke zum Symbol und zur Symbolik nicht untypisch, sind die
Signifikanten der Symbole (Beispiele, die bewußt einen hohen
Vertrautheitsgrad haben: Eiche, Lilie, Rot) in der Regel deutlich
besser vertreten als deren Signifikate (den oben genannten Beispielen
zugeordnet: Stärke und Männlichkeit; Licht, Reinheit und
Jungfräulichkeit; Leben, Leidenschaft und Liebe).
Daß "so viele verschiedenartige Disziplinen mit oft divergierenden
Bedeutungen bei gleichlautenden Stichwörtern"[25] in der
Symbolforschung
auftreten, stellt ein weiteres großes Problem bei der
Registererstellung dar. "Eine klare Unterscheidung muß auch bei nur
scheinbar gleichen oder ähnlichen Motiven gemacht werden; das Kreuz
als Lebensbaum ist nicht ohne weiteres identisch mit dem Baumkreuz."[26]
Bei den Registereintragungen werden Bezeichnungen mit größerer
Extension ('weite' Bezeichnungen) oftmals bewußt anstelle von
Bezeichnungen mit geringerer Extension ('enge' Bezeichnungen) gewählt;
dies geschieht insbesondere bei - aus europäischer Sicht - weiter
entfernten Religionen, Mythologien, Symbolsystemen. Favorisiert wird
beispielsweise die Bezeichnung Buddhismus anstelle speziellerer
buddhistischer Termini wie z.B. cintƒmani, hŒnayƒna, mahƒyƒna, mudrƒ,
samsƒra.
Intention, Konzeption und Aufbau des Sachregisters haben sich in
fünfundzwanzig Jahren BSIM zwar nicht wesentlich, aber doch merklich
verändert. Vielfältigen Erfahrungen und Einsichten - die sich
weitgehend mit denen anderer informationsvermittelnder Organe und
Institutionen (Beispiel: Schlagwortkataloge) decken - galt es dabei
Rechnung zu tragen: der Erkenntnis, daß im Zuge einer fortschreitenden
'Zersplitterung' der Wissenschaften eine Beschränkung auf ausgewählte
'kanonische' Stichwörter kaum noch sinnvoll ist; vor allem der damit
zusammenhängenden Erkenntnis, daß Informationssuchende unter allen
möglichen, im Einzelfall kaum vorhersehbaren und schon gar nicht an
den Idiosynkrasien der Symbolforscher orientierten Stichwörtern
nachschlagen; daß sich die Informationssuche zumeist nicht an den
durch die informationswissenschaftliche Forschung vorgegebenen
Postulaten der Konsequenz und Stringenz orientiert, sondern häufig
assoziativ verläuft, auf den glücklichen Zufall hofft und gerne auch
etwas dirty ist. Das Sachregister sucht diesen Erfahrungen heute zu
entsprechen: Nicht mehr nur genuin symbolkundliche Stichwörter
(Allegorie, Emblem, Orpheus, Pandora) sind mithin abfragbar, sondern
verstärkt auch andere wie Medien, Politik, Populärliteratur oder
Visualität. Eine pragmatische Tendenz zur Verstichwortung ist spürbar:
nur ein Grund, warum der Umfang des Registers zugenommen hat. BSIM 12
(1979): 7% des bibliographischen Teils, BSIM 24 (1991): 12%. Die
Tendenz zu 'synthetischen' Registereintragungen - Beispiel: Symbol,
Symbolik [...] 3. In kulturellen Schöpfungen (literarisch,
künstlerisch, religiös u.s.w.) und in Wissenschaftsgebieten" (BSIM 12
(1979), S. 181) - hat, dem oben diagnostizierten Trend zum
'atomistischen' Wissenschaftsbetrieb entsprechend, merklich
abgenommen. Kumuliert wurden die Register der Bd. 1/20 in zwei
selbständig erschienenen Registerbänden.[27]
9. Pilot-Essays
Nach den 'Paratexten' Personen- und Sachregister nun zu einem weiteren
Begleittext der Bibliographie: Dem bibliographischen Teil der Bände
wird jeweils ein programmatischer Aufsatz ('Pilot-Essay')
vorausgeschickt, der den Symbolbegriff einzelner Wissenschaften
vorstellt, das Symbolverständnis einzelner Epochen erarbeitet oder
einen ansonsten 'paradigmatischen' Beitrag zur Symbolforschung leisten
will. Beispiele: Zur symbolwissenschaftlichen Terminologie in den
anthropologischen Disziplinen / Manfred Lurker. - BSIM. - 11 (1978).
- Symbolism in depth psychology / Mokusen Miyuki. - BSIM. - 12
(1979). - Aufklärung via Mythologie : zum Zusammenhang von
Naturbeherrschung und
Naturfrömmigkeit um 1800 / Christoph Jamme. - BSIM. - 19 (1986). - Aby
M. Warburgs Kulturwissenschaft / Dieter Wuttke. - BSIM. - 24 (1991).
Die Pilot-Essays der ersten Bände wurden in einem eigenen Band
zusammengestellt.[28]
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