Der folgende Text betrifft die Rezension 95-3-403
Die jüngst erschienene, weiter unten besprochene umfangreiche Monographie von Denis A. Chevalley über den Augsburger Dom, zugleich Band 1 einer neuen Folge der Kunstdenkmäler von Bayern, gab den Anstoß, den Formen der Denkmalverzeichnung in Deutschland im Zusammenhang nachzugehen und einen Blick auf die unterschiedlichen Publikationstypen auf diesem Gebiet zu werfen und deren Nutzen als Informationsmittel in Bibliotheken zu betrachten.
1. Das "klassische Großinventar"
Einen ersten Meilenstein in der Geschichte der Denkmälerverzeichnung
in Deutschland setzte noch das ausgehende 19. Jahrhundert mit der
Ausbildung des sog. "klassischen Inventars". Der Erfassung und
Beschreibung der Baudenkmäler ist eine topographische Ordnung
zugrundegelegt, d.h., daß die Ortsbindung des einzelnen Baudenkmals im
Vordergrund steht. Der Ortseintrag selbst folgt einem einheitlichen
Aufbau, beginnend mit der Darstellung der hervorragenden
Monumentalbauten des Denkmalortes (i.a. der Sakralbauten
einschließlich ihrer Ausstattung), gefolgt von prominenten
Profanbauten, über weitere Wohn- und Wirtschaftsbauten bis hin zu
verschiedenen Kleindenkmälern.[1] Geschichte und Beschreibung der
Baudenkmäler stehen in klarer Abfolge. Aber auch beim Großinventar ist
dabei im allgemeinen keine erschöpfende Darstellung beabsichtigt, wohl
aber die Publizierung aller Quellen und relevanten Daten und somit
aller für weitere Darstellungen grundlegenden Informationen. Risse und
Abbildungen bzw. Abbildungshinweise treten hinzu. Das klassische
Inventar sieht dabei eine flächendeckende Erfassung der Baudenkmäler
vor.
Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts setzte in den einzelnen
Provinzen und Staaten des Deutschen Reiches die Publikation der ersten
Inventarbände ein. So erschienen als "1. Baudenkmalinventar mit
wissenschaftlichem Anspruch" für Hessen die Bände Kassel (1870) und
Wiesbaden (1880).[2] Das grundlegende Inventarwerk für die
preußische
Rheinprovinz gab Paul Clemen von 1891 bis 1938 in 38 Bänden heraus. In
Bayern setzte die Verzeichnung 1895 mit Oberbayern als Band 1 der
Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern ein und wurde 1905 mit Band 2
als Kunstdenkmäler von Bayern fortgesetzt; nach 1950 in modifizierter
Form (als Kurzinventar) weitergeführt, stagnierte die Verzeichnung
schließlich in der 2. Hälfte der 70er Jahre, ohne daß ein
flächendeckendes und noch gültiges Großinventar für Bayern nach 100
Jahren zu seinem endgültigen Abschluß gefunden hätte. Jedoch kann an
dieser Stelle nicht der Stand dieser noch im ausgehenden 19.
Jahrhundert initiierten Inventarisationsprojekte und ihrer
publizierten Ergebnisse im Detail referiert werden. Die hier und im
weiteren Text zitierten Beispiele reichen aus, um die Problematik des
Typs Großinventar zu verdeutlichen. Erst vor diesem Hintergrund ist
die weitere Entwicklung der Denkmalinventarisation mit ihrer heutigen
Palette an Publikationstypen zu verstehen.
2. Der Dehio
2.1 Die 1. Auflage 1905 - 1912
Großinventare mit ihren notgedrungen langfristigen Bearbeitungszeiten
konnten schon immer nur bedingt allen Belangen der (praktischen)
Denkmalpflege genügen. Bereits 1899 hatte daher Georg Dehio die
Schaffung eines Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler angeregt und
für den Tag der Denkmalpflege 1900 in Dresden eine Denkschrift
vorbereitet: "Es gibt Aufgaben der Denkmälerstatistik, die durch die
offiziellen Inventare nicht gelöst sind, und nicht gelöst werden
können. Wir bedürfen eines Mittels zu schneller Orientierung. Ich
beantrage daher die Herstellung eines Handbuches, welches seinem
Begriff gemäß wenig voluminös, leicht transportabel, in seiner inneren
Einrichtung so übersichtlich wie möglich, ebenso bequem auf dem
Schreibtisch wie auf der Reise zu benutzen sein muß."[3]
Zugleich sollte
es "ein urteilender und klärender Führer durch die Denkmälermasse"
sein.[4] Nach dem von ihm erarbeiteten Konzept veröffentlichte Dehio
schließlich 1905 - 1912 in 5 Bänden das Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler.[5] Das Werk erfaßte die bis etwa
zum Jahr 1800
entstandenen Denkmäler auf dem Territorium des deutschen Reiches
einschließlich Elsaß-Lothringen.[6] Als Quelle wurden - soweit
bereits
erschienen - die offiziellen Inventarbände zugrunde gelegt, für die
anderen Gebiete die ortsmonographische Literatur herangezogen oder die
Denkmäler nach Autopsie beschrieben. Damit war eine unvermeidliche
Heterogenität in der Erfassungsdichte gegeben. Vollständigkeit war im
Gegensatz zu den Inventaren auch von vornherein nicht angestrebt,
sondern vielmehr eine "Sichtung und Auswahl".[7] Die Anlage des
Gesamtwerkes gliederte sich innerhalb der Regionenbände strikt nach
dem Ortsalphabet, die Beschreibungsabfolge entsprach der für die
Großinventare skizzierten, wenn auch mit äußerster Straffung der
Ausführungen, ohne jedoch gänzlich auf eine knappe abschließende
Gesamtcharakterisierung der wichtigeren Denkmäler zu verzichten.
Abbildungen, Risse etc. spielten für die Urfassung noch keine Rolle.
2.2 Der Dehio-Gall 1935 - 1956
Der Erfolg des Dehio machte mehrere Nachauflagen und schließlich eine
vollständige Neubearbeitung notwendig, die nach Dehios Tod 1932 durch
Ernst Gall vorgenommen wurde. Ab 1935 erschienen die ersten Bände der
Neubearbeitung, des sog. Dehio-Gall. Dabei wurde das Konzept des
Grundwerks durch Gall erheblich verändert: Statt des strikten
Ortsalphabets innerhalb der Regionenbände wurde jetzt eine
weitergehende topographische Anordnung gewählt, und zwar eine
Beschreibungszentrierung um "Hauptorte". Der Nachschlagecharakter
eines Handbuchs konnte damit nur noch über Ortsregister und später
über Situationspläne gerettet werden. Von diesem Anordnungsprinzip
wich allerdings die Abt. 2, Österreich ab; hier blieb das
alphabetische Prinzip Dehios erhalten; in der Einarbeitung von Plänen
war diese Abteilung sogar vorbildlich.[8] Der Dehio-Gall
erschien in 11,
sich inhaltlich teilweise überschneidenden Bänden[9] von 1935 bis
1956
(mit späteren unveränderten Nachdrucken) und brachte eine erhebliche
Erweiterung in der Verzeichnung von Kunstdenkmälern gegenüber dem
Dehio, nicht zuletzt auch ermöglicht durch die verbesserte Quellenlage
aufgrund der fortschreitenden Großinventarisierung, ohne jedoch die
Neubearbeitung insgesamt völlig zum Abschluß gebracht zu haben.
2.3 Die Neubearbeitung des Dehio durch die Dehio-Vereinigung
(Wissenschaftliche Vereinigung zur Fortführung des
Kunsttopographischen Werkes von Georg Dehio, e.V.) seit 1965
Kriegszerstörungen, die Teilung Deutschlands , ein gewandelter
Denkmalbegriff und die damit verbundene Notwendigkeit, auch nach 1800
entstandene Denkmäler einzubeziehen, führten nach dem Tod von Ernst
Gall 1958 zu einer Revision der Konzeption. Die Richtlinien,
erarbeitet von der Vereinigung zur Herausgabe des Dehio-Handbuches,
sahen ein Abgehen vom Kunstlandschaften-Konzept Galls und die Rückkehr
zum Ortsalphabet Dehios vor, allerdings in modifiziertem
Regionenrahmen, der jetzt für die Teile der Bundesrepublik Deutschland
den Grenzen der Bundesländer folgen sollte. Die ersten Bände
erschienen ab 1965. Für den Bereich der Deutschen Demokratischen
Republik wurde seit 1965 - in bisher 6 nach Bezirken geordneten Bänden
der Denkmälerbestand neu bearbeitet und publiziert; zuletzt erschien
1987 der Band zu den Bauten der Bezirke Cottbus und Frankfurt/Oder.[10]
Wenn im folgenden auf die neuesten Bände des Dehio-Handbuchs näher
eingegangen wird, so kann summarisch vorausgeschickt werden, daß es
sich dabei meist um stark erweiterte, z.T. auch neubearbeitete
Auflagen bereits erschienener Bände handelt. Noch weniger als der
Dehio-Gall stellt das Dehio-Handbuch ein einheitliches,
abgeschlossenes (mehrbändiges) Nachschlagewerk dar, da bereits vor
Abschluß des Gesamtwerkes jeweils die zuerst erschienenen Bände
wiederum teils im Nachdruck, teils in so stark veränderten oder
erweiterten Nachauflagen erschienen sind, die gänzlichen
Neubearbeitungen gleichkommen. Eine geschlossene Charakterisierung und
Wertung des gesamten Dehio-Handbuchs, so wie es sich insbesondere für
den die alte Bundesrepublik betreffenden Bände darstellt, ist damit
nicht mehr in allen Aspekten möglich. Davon abgehoben werden kann das
Urteil für die Bände zu den Baudenkmälern der DDR. Hier erschienen die
entsprechenden 6 Bände des Dehio-Handbuchs in relativ rascher Folge
und sind vergleichsweise homogener und noch stärker der Konzeption des
alten Dehio verpflichtet.
395-3-404 Bremen, Niedersachsen
395-3-405 Hamburg, Schleswig-Holstein
395-3-406 Baden-Württemberg
395-3-407 Berlin
395-3-408 Stadtkreis Potsdam
Die bislang für die alte Bundesrepublik erschienenen Einzelbände des
neuen Dehio-Handbuchs spiegeln vor allem den sich wandelnden
Denkmalbegriff wider. Nicht nur wurde die Zeitgrenze verschoben (1900,
später 1930, z.T. weit darüber hinaus, je nach Publikationsjahr), auch
die Erweiterung des Denkmalbegriffs zeigt sich in der nun verstärkten
Berücksichtigung von Wohn- und Nutzbauten, in der Abhebung auf
Ensembles usw. Eine merkliche Heterogenität der einzelnen Bände ist
zudem auch auf die von den einzelnen Bearbeitern vorgenommenen
unterschiedlichen Gewichtungen zurückzuführen. Dies gilt nicht nur für
die Auswahl der zu beschreibenden Denkmäler, sondern auch für Umfang
und Art der Darstellung; längst hat der Umfang des berücksichtigten
Materials alle Grenzen des von Dehio ursprünglich beabsichtigten
Handbuchs gesprengt und die meisten Flächenländer publizieren ihren
Denkmälerbestand mehrbändig.
So enthält die in 2. Aufl. des Bandes Bremen, Niedersachsen für
Niedersachsen einen Einleitungsaufsatz von 26 S. Ländliche Bauten und
Siedlungsformen in Niedersachsen, der mit seiner Darstellung vom
"niederdeutschen Hallenhaus" bis zu den "Siedlungs- und Hofformen" der
"quergeteilten mitteldeutschen Hausformen in Südniedersachsen"
allerlei Details zu einem einzelnen Denkmaltyp bringt. In dieser
Exklusivität ist der Beitrag im Rahmen des Dehio-Handbuchs fehl am
Platz.[11] Auf eine historische Einführung und/oder einen
Überblick über
die Denkmälervielfalt, auf alte, auch baugeschichtlich wichtige und
interessante Gebietszusammenhänge etc. wird für den Teil Niedersachsen
ansonsten vollständig verzichtet: dem Hausbau-Aufsatz folgt das
Ortsalphabet.
Überzeugender ist u.E. die Umsetzung eines veränderten
Denkmalverständnisses und die Integration in die
Dehio-Beschreibungsstrukturen in der 2., veränd. Aufl. des Bandes
Hamburg, Schleswig-Holstein ausgefallen. So sind etwa im Teil Hamburg
zusammenfassend Aspekte wie Stadtgestalt; Wohnhäuser, Palais,
Wohnstifte; Kaufmanns- und Lagerhäuser; Geschäftshäuser;
Speicherstadt; Brücken; Technische Denkmäler; Hoch- und
Untergrundbahn; Wallanlagen (neben den bekannten Beschreibungsgruppen
herausragender Sakral- und Profanbaudenkmäler und den
"Klein-"Denkmälern) in knapper Überblicksform mit Aufführung wichtiger
Beispiele abgehandelt. Dem Ensemble-Gedanken wird dabei vielfach
Rechnung getragen.
Auch der Band Baden-Württemberg I nimmt gegenüber der noch das gesamte
Bundesland behandelnden 1. Aufl. von 1964 nun eine Neustrukturierung
des Materials vor. Nicht nur ist jetzt dank der Aufteilung auf zwei
Bände der Beschreibungsumfang um ein Vielfaches gewachsen - der
Teilband 1 ist mit 908 S. umfangreicher als der Gesamtband von 1964
mit 591 S. -, es werden jetzt auch zur "besseren Auffindbarkeit der
Objekte" die heutigen Verwaltungseinheiten zugrunde gelegt.
Umfangreichere Objektbeschreibungen, veränderter Denkmalbegriff und
damit erweiterte Objektberücksichtigung und umfangreicheres
Karten- und
Zeichnungsmaterial führten hier zu der genannten Erweiterung.
Begnügte sich der Eintrag für Stuttgart 1964 mit 5 Seiten
(historischer Überblick, Stadtplan Stuttgarts von ca. 1850,
Beschreibung der Sakralbauten Ev. Stiftskirche, Ev. Leonardskirche,
Ev. Spitalkirche, der Profanbauten Altes Schloß und Neues Schloß und
mit Kurzeintragungen für Friedhof, Alte Kanzlei, Prinzenbau,
Schiffsfruchtkasten, Königsbau, Wilhelmspalais, Villa Berg,
Staatsgalerie [Altbau], Wilhelma mit Theater, Schiller-Denkmal,
Jubiläumssäule, Schloß Rosenstein und mit einer Verweisung auf die
Solitude), so erweitert die Neubearbeitung den Eintrag für Stuttgart
bei deutlich zur Gegenwart verschobener Zeitgrenze um die Abschnitte
Gemeindebauten, Studiengebäude und Schulbauten, Kulturbauten (die
Liederhalle sogar mit Grundriß), Geschäftshäuser, Wohnbauten (mit
Straßenalphabet und Auflistung der Einzelgebäude; als Ensemble hier
die Weißenhofsiedlung), Verkehrsbauten, Industriebauten,
Friedhöfe/Grünanlagen, Brunnen, Denkmäler, Museen und Sammlungen. Im
von Dehio ursprünglich anvisierten und sogar noch 1989 im Vorwort zum
Band Bayern III wiedergegebenen Zweck des Handbuchs als "urteilende[n]
und klärende[n] Führer durch die Denkmälermasse" kommen die genannten
Neubearbeitungen vielleicht nur noch insofern nach, als sie
herausragende Denkmäler durch einen Asteriskus markieren; nur eine
weitere Hierarchisierung durch Vergabe mehrerer Sterne im
Guide-Michelin-Stil steht noch aus.
Auch der jüngste Band für Berlin, zugleich der erste Band des
Dehio-Handbuchs für Gesamt-Berlin, übernimmt diese Orientierungshilfe,
wenngleich die Zusammenstellung hier durchaus gestraffter ist. Sein
rasches Erscheinen nach der Wiedervereinigung ist den bereits
geleisteten Vorarbeiten zu danken, lag doch die Neubearbeitung des
Denkmälerbestandes des Ostteils der Stadt für das DDR-Handbuch noch
nicht allzu lange zurück, so daß die entsprechenden Texte von 1983 für
die betreffenden Berliner Stadtbezirke übernommen werden konnten;
Übersichtspläne etc. wurden ergänzt. Für die West-Berliner
Stadtbezirke hatten erste Vorarbeiten bereits 1987 begonnen. "Die
Auswahl der Objekte unterlag den strengen Maßstäben der für die
Aufnahme in das Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler
ausschlaggebenden Qualität; erweitert wurde jedoch der Rahmen auf die
für Berlin besonders wichtigen Gattungen des Massenwohnungsbaus, der
Villen- und der Industriearchitektur. Es galten nur 'Kunstdenkmäler'
als 'dehiowürdig', nicht bloße Geschichtsdenkmäler ..." (Vorwort, S.
VIII), allerdings unter Ausweitung der Zeitgrenze mit einem
allgemeinen Schnitt bei 1930 und mit Ergänzungen um wichtige Bauten
aus der Zeit nach 1945 und unter Einbeziehung der
Industriearchitektur. Sicher ist im Sinne einer einheitlichen Linie
für den Berlin-Band eine leichte Angleichung an die "Dehio-gemäßeren"
Vorgaben durch die Ostteil-Beschreibungen nicht zum Nachteil der
gesamten Bandkonzeption erfolgt. Vom grundlegenden Beschreibungsraster
abgesehen, ist, ohne jedoch störend zu sein, die unterschiedliche
Herkunft der Beschreibungsteile in Einzelheiten gleichwohl spürbar. In
der Beschreibung folgt die Anlage des Bandes nach Voranstellung des
Stadtbezirks Berlin-Mitte als dem historischen Zentrum der Stadt dem
Alphabet der Stadtbezirke (mit jeweils eigener historischer
Einführung). Die Ordnung der Einträge innerhalb der
Stadtbezirkskapitel ist "Dehio-typisch"; Kartenmaterial und Grundrisse
ergänzen vielfach die Ausführungen. Der Band schließt mit einer
Zusammenstellung der Museen und Sammlungen Berlins, einer kurzen
Bibliographie, Künstlerregister, Ortsnamenverzeichnis und Glossar. Der
Berlin-Unkundige wird allerdings ein Objektregister, das zumindest die
herausragenden Denkmäler erfaßt, schmerzlich vermissen, denn nicht
immer kann die Kenntnis der jeweiligen Bezirkszugehörigkeit
vorausgesetzt werden; aber auch dem Kundigen wäre ein solches Register
zum schnelleren Auffinden der einzelnen Denkmäler mehr als hilfreich
gewesen.
Beim Band Stadtkreis Potsdam, der 1993 anläßlich des Tausendjahrfeier
der Stadt als unveränderter Auszug aus dem Band für die Bezirke
Berlin/DDR und Potsdam erschien, dürfte es sich um einen Einzelfall
handeln. Im Vorwort (S. VII) des Vorstandes der Dehio-Vereinigung wird
auf die Entwicklung der Bandeinteilung des Dehio eingegangen:
angefangen beim Begründer, der "bei der Aufteilung ... durchaus
kunstlandschaftliche Zusammenhänge im Auge (hatte), und noch mehr war
Ernst Gall bei seiner Neubearbeitung darauf bedacht". Die
Neubearbeitung durch die Dehio-Vereinigung orientiert sich dagegen an
den jeweils geltenden Verwaltungsgrenzen, d.h. heute denen der
Bundesländer. Da es sich auch bei Berlin (noch) um ein eigenes
Bundesland handelt, ist es nicht recht verständlich, warum mit dem
damals angekündigten und inzwischen erschienenen Band Berlin "das
Selbstverständnis der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger ... auf eine
harte Probe gestellt" werden sollte, handelt es sich demnach doch
nicht um einen "Städteband für größere und denkmalreichere Städte".
Daß solche trotzdem nicht unbedingt des Teufels sind, würde sich
spätestens dann erweisen, wenn der Verlag zur besseren Vermarktung auf
solche Städtebände drängen sollte. Hier ist wieder die Funktion des
Dehio als Kunst-"Reiseführer" angesprochen, und wer ihn doch in dieser
Funktion benutzt, wird, wie der Rezensent, sehr dankbar sein, wenn er
bei einem Besuch in Potsdam nur das schmale Bändchen und nicht eines
Tages den ganzen Band Brandenburg/Berlin mit sich führen muß, oder
wenn er in Münchens auf einen Auszug der rund 190 S. aus dem Band
München und Oberbayern zurückgreifen könnte, statt einen Band von 1350
S. mit sich zu tragen, ohne an diesem Tag Gebrauch von dem Artikel
über Vilgertshofen machen zu können. [sh]
2.4 Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler Österreichs
95-3-409 Die Kunstdenkmäler Österreichs. Wien
95-3-410 Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich nördlich der Donau
Dieses Problem hat der Teilband Wien des Dehio-Handbuchs der
Kunstdenkmäler Österreichs vorbildlich gelöst. Auf eine kurze
Einleitung folgt die Beschreibung der Objekte in der numerischen
Abfolge der Stadtbezirke, im vorliegenden ersten Wien-Band die des
inneren Stadtbereichs, mit Ausnahme freilich des eigentlichen
Zentrums, des I. Bezirks.[12] Die Objektbeschreibungen sind jedoch im
Gegensatz zu einigen deutschen Bänden vielfach wesentlich kürzer, bei
Wohnbauten auch in Form einer summarischen Bemerkung mit nachfolgender
Auflistung der Hausnummern. Diese knappe, dem Nachschlagecharakter
entsprechende Diktion verzichtet trotzdem nicht auf kurze
Charakterisierungen der Denkmäler, was diesen Band positiv
kennzeichnet. Auf die Verwendung von Sternchen zur Hervorhebung der
bedeutendsten Bauwerke in Anlehnung an die Praxis von Reiseführern
kann das Handbuch leicht verzichten, treten die bedeutenden Bauten
doch allein schon durch die Länge der Eintragung hervor und fallen
häufig zudem durch einen beigegebenen Grundriß ins Auge.
Der hier exemplarisch zitierte Band für ein österreichisches
Bundesland, hier der erste Teilband für Niederösterreich, enthält zwei
einleitende Beiträge über die Ur- und Frühgeschichte sowie die
bäuerlichen Siedlungs- und Hauslandschaften, gefolgt vom Ortsalphabet
(maßgebend für die Aufnahme und die Schreibweise ist das amtliche
Ortsverzeichnis von Österreich). Die Binnengliederung der Ortsartikel
erfolgt nach: 1. allgemeine Angaben, z.B. zur Siedlungsform bzw.
-struktur u.a.; 2. Pfarr- bzw. Hauptkirchen und weitere
Sakraldenkmäler; 3. Profane Monumentalbauten.
Die Vielzahl der umfangreichen Register unterscheiden die neueren
Bände für Österreich positiv von denen für Deutschland, die sich mit
einem Register der Künstler begnügen: 1. Künstler, 2. erwähnte
Personen, 3. ikonographische Sachverhalte, 4. Patrozinien, sowie, nur
für Wien: 5. Objekte (einzelne Bauten sowie Bautypen, wie Bäder), 6.
Straßennamen.
3. Kunstdenkmäler ... : ein Bildhandbuch
Allen Dehio-Bänden eignet der von der Konzeption bedingte Verzicht auf
Photos; nichttextuelle Erläuterungen beschränken sich i.a. auf Karten,
Grund- und Aufrisse. Diese Lücke füllen seit längerem eigenständige
Reihen, auf deren Zusammengehörigkeit und gleichförmigen Aufbau nur
der Zusatz zum Sachtitel hinweist: Deutsche Kunstdenkmäler : ein
Bildhandbuch; Kunstdenkmäler in Österreich : ein Bildhandbuch;
Kunstdenkmäler in der Schweiz : ein Bildhandbuch, um nur die drei
Reihen für die deutschsprachigen Länder zu nennen. Die Bände im
handlichen Format enthalten jeweils ca. 350 Schwarz-weiß-Abbildungen,
neuere Bände zusätzlich auch einige Farbtafeln, dazu als Beigabe einen
auf Minimalinformationen reduzierten Textteil, der sich allein auf die
abgebildeten Objekte bezieht; deren Auswahl beschränkt sich auf die
wichtigsten Kunstdenkmäler einer Region. Einige Bände des
Bildhandbuchs wurden in IFB 94-1-070 - 074 vorgestellt, so daß
der
Hinweis darauf an dieser Stelle genügen kann.
4. Reclams Kunstführer
Ob das Dehio-Handbuch auch heute noch einen vorrangigen Platz unter
den Kunst-Reiseführern innehat, wie von Dehio ursprünglich durchaus
beabsichtigt, muß eher bezweifelt werden. Längst haben - zumindest für
ein breiteres, kunstinteressiertes Publikum - die knapperen und
handlicheren Bände von Reclams Kunstführern diesen Platz eingenommen.
Vergleicht man etwa die neueste Auflage des Bandes Baden-Württemberg
von 1979[13] mit dem letzten Dehio-Gesamtband Baden-Württemberg von
1964
und dem neuen Dehio-Teilband Baden-Württemberg I von 1993 (20), so
zeigt sich, daß Reclam hinsichtlich der Erfassung und Auswahl (man
vergleiche nur die Stuttgart-Einträge) nicht nur wesentlich breiter
und moderner ist als die Dehio-Ausgabe von 1964, sondern durchaus auch
neben dem viel jüngeren Dehio-Teilband von 1993 noch einen
ansprechenden Eindruck hinterläßt. Im Detail liegen bei Reclam
allerdings die Schwerpunkte etwas anders: Reclam geht bei seinen
Einträgen schwerpunktmäßig vom Ist-Zustand aus und knüpft historische
und kunstgeschichtliche Erläuterungen in Form eines auch "für den
kunsthistorisch interessierten Laien lesbaren, sachlich unterrichtenden
Text[es]" (21) an. Der Dehio als Reiseführer dürfte da eher der
Vergangenheit angehören. Der Dehio als Reiseführer dürfte da eher der
Vergangenheit angehören. Zum aktuellen Stand von Reclams Kunstführern
s.u. IFB 95-3-413 - 414.
5. Der veränderte Denkmalbegriff seit den sechzigerer Jahren und
seine Folgen für die Inventarisierung
Mit Blick auf die Gesamtsituation der Denkmalverzeichnung in
Deutschland muß - trotz neuer Projekte der Denkmalerfassung
insbesondere nach 1975 - dem gesamten Dehio-Unternehmen nach wie vor
ein besonderer Stellenwert beibemessen werden, bietet es doch immer
noch die breiteste Flächendeckung in der Verzeichnung. Dieser
besondere Stellenwert kommt auch darin zum Ausdruck, daß Bundesländer
wie Hessen und Berlin statt gesonderter Denkmallisten die
entsprechenden Dehio-Bände in dieser Funktion übernehmen.
War der Dehio eine erste und frühe Reaktion auf die Verfahrensweisen
und Nachteile der Großinventare, so wurden seit 1945, insbesondere
aber seit den 60er Jahren diese Defizite an flächendeckender und
aktualisierter Beschreibung verstärkt negativ bewertet. Im Gefolge von
Kriegszerstörungen, Abriß und Altstadtsanierungen waren rasch zur
Verfügung stehende, umfassende Verzeichnisse der noch vorhandenen und
evtl. unter Schutz zu stellenden Denkmäler erforderlich. Andererseits
sahen sich die Großinventare mit einem sich wandelnden, nämlich
ständig ausweitenden Denkmalbegriff konfrontiert, dem sie aufgrund
ihrer langen Bearbeitungszeiten nur in Maßen folgen konnten, ist doch
dessen Einheitlichkeit Voraussetzung für die Konsistenz des
Gesamtinventars. Trotzdem wurde im Laufe der Inventarisierungsvorhaben
der Zeitpunkt für die "Denkmalwürdigkeit" mehrfach zur Gegenwart hin
verschoben; dort, wo der klassische Denkmalbegriff entschieden in
Frage gestellt wurde, mußte das Konsequenzen für die Fortführung der
begonnenen Inventare haben und sie gar fast zum Erliegen bringen.
Bezeichnenderweise erschien 1968/1969 - quasi als Fazit des bisher
Erreichten - ein Überblick über den Stand der
Kunstdenkmäler-Inventarisation in Mitteleuropa, insbesondere in den
deutschsprachigen Ländern.[14] Wurde im 1899 erschienenen
Handbuch für
die Denkmalpflege der Denkmalbegriff auch noch deutlich "offen"
skizziert - "Er ist undefinierbar und daher gesetzlich nicht
festzulegen. Im allgemeinen gilt der Grundsatz, daß ein Gegenstand
dann als Denkmal zu bezeichnen ist, wenn derselbe einer näheren oder
ferneren Vergangenheit angehört oder von geschichtlicher,
wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Da hiernach
verschiedene Meinungen darüber herrschen können, ob in einem gegebenen
Falle die Merkmale des Denkmals vorhanden sind, so ist die endgültige
Entscheidung darüber dem Staate vorbehalten bei allen Gegenständen,
welche staatlicher Aufsicht unterstehen."[15] - so lag im
allgemeinen
doch eine deutliche Eingrenzung des Begriffs auf den des
Baukunstdenkmals vor. Ein Abrücken von dieser Begriffsfestlegung ist
seit etwa 1960 in der nun häufigeren Verwendung des Begriffs
Kulturdenkmal erkennbar. Auch in den Denkmalschutzgesetzen der
einzelnen Bundesländer und in sonstigen Veröffentlichungen findet das
seinen Niederschlag. So bezieht sich etwa das Denkmalschutzgesetz von
Schleswig-Holstein ausdrücklich auf Kulturdenkmäler und definiert
diese in 1 II als: "Sachen, Gruppen von Sachen oder Teile von Sachen
vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihres geschichtlichen,
wissenschaftlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Wertes in
öffentlichem Interesse liegt". Das baden-württembergische
Denkmalschutzgesetz benennt Gesamtanlagen exemplarisch: "Straßen-,
Platz- und Ortsbilder" und bewegliche Kulturgüter werden ebenfalls
besonders hervorgehoben.[16] Hamburg hebt zusätzlich auf
Bodendenkmäler
wie Gräberfelder, Befestigungsanlagen etc. ab.
Dringendstes Bedürfnis der Denkmalpflege und Politikum war nun die
schnelle und flächendeckende Erfassung aller in Betracht kommenden
Denkmäler und Veröffentlichung in Denkmallisten als Voraussetzung und
juristische Handhabe für eine mögliche Unterschutzstellung eines
Denkmals. Dieser Zwang führte dazu, daß die bisherige
Inventarisierungs- und Veröffentlichungspraxis entschieden in Frage
gestellt und revidiert wurde.
5.1 Die Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland
In der von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der
Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Arbeitsgruppe Inventarisation
wurden in mehrjähriger Arbeit Formen der Schnellerfassung im Rahmen
einer Denkmaltopographie beraten und entwickelt. Ziel war eine
flächendeckende Publikation in einem überschaubaren Zeitraum.[17] 1981
konnten die Richtlinien ... zur Erstellung der Denkmaltopographie
veröffentlicht werden.[18] Dargestellt werden sollte der
"derzeitige
Bestand der Denkmale nach Art, Verteilung und strukturellen
Beziehungen ... Denkmale in diesem Sinne sind augenscheinliche
bauliche Gegenstände, die als einzelne Objekte oder als geschlossene
und übergreifende Struktur eine abgeschlossene Epoche bezeugen.
Bodendenkmale werden nur insofern verzeichnet, als sie in ihrer
Erscheinung zum Verständnis von Baudenkmalen beitragen." Die
Publikation sollte nach Stadt- und Landkreisen geordnet sein und eine
flächendeckende Wiedergabe der Bundesrepublik anstreben. Kartographie,
Maßstäbe usw. wurden genau vorgegeben, mit dem "Ziel, einen Überblick
über Art, Lage, Verteilung und strukturelle Beziehungen des
Denkmalbestandes zu geben". "Der kartographischen Darstellung
entspricht eine analytische Charakterisierung. Sie ist knapp zu
halten"; unbedingt sollte diese aber auf die Begründung des
Denkmalcharakters hinweisen. Denn: "Die Denkmalliste ist Grundlage und
Teil der Denkmaltopographie." Schließlich wurde für die
Gesamtpublikation ein gemeinsames Erscheinungsbild im DIN A 4-Format
festgelegt. Darüber hinaus war jedes Bundesland relativ frei in der
Ausgestaltung der Richtlinien.
Diese Freiheit zeigt sich bereits rein formal in dem unter dem
Gesamttitel Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland für das
jeweilige Land gewählten Reihentitel. Dabei folgt die jeweilige
Titelfassung sicher zugleich auch den durch die Denkmalschutzgesetze
der betreffenden Bundesländer gesetzten Prämissen. Die von den
einzelnen Bundesländern gewählten Titel sind nachstehend mit dem Jahr
des Erscheinens des ersten Bandes und in Klammern der Zahl der bis
Ende August 1995 vorliegenden Bände[19] (ohne Berücksichtigung
von
Neuauflangen) aufgeführt:
Denkmäler in Bayern. [Tl. 1.]. - 1985 - 1986. (8 Bd.)
Denkmäler in Bayern. [Tl. 2.]. - 1986 - . (10 Bd.)
Baudenkmale in Berlin. - 1988 - . (2 Bd.)
Denkmale in Brandenburg. - 1994 - . (1 Bd.)
Baudenkmale in der Freien Hansestadt Bremen. - 1982 - . (3 Bd.)
Hamburg-Inventar. - 1986 - . (2 Bd.)
Hamburg-Inventar. Themenreihe. - 1982 - . (5 Bd.)
Baudenkmale in Hessen. - 1982 - 1986. (5 Bd.). - Forts. u.d.T.:
Kulturdenkmäler in Hessen. - 1987 - . (12 Bd.)
Baudenkmale in Niedersachsen. - 1981 - . (13 Bd.)
Denkmäler im Rheinland. - 1988 - . (2 Bd.)
Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. - 1985 - . (14 Bd.)
Denkmale in Sachsen. - 1994 - . (1 Bd.)
Trotz des ursprünglich anvisierten Bearbeitungs- und
Publikationszeitraums von 10 bis 12 Jahren ist heute - nach Ablauf
dieser Frist - offensichtlich, daß in den meisten Ländern dieses Ziel
nicht nur nicht erreicht wurde, sondern daß einige Bundesländer noch
nicht einmal mit der Veröffentlichung begonnen haben. Letzteres gilt
für Baden-Württemberg, das Saarland und Schleswig-Holstein. Daß auch
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen noch ausstehen,
kann nicht im gleichen Atemzug genannt werden. Im Gegenteil, bei den
neuen Bundesländern erstaunt es eher, wie schnell Brandenburg und
Sachsen erste Ergebnisse vorlegten. Der unterschiedliche Stand der
Veröffentlichung ist sicherlich auch durch die landesspezifische
Ausformung der Richtlinien zur Denkmaltopographie mitbestimmt: reicht
die Spanne doch von einer "leicht angereicherten Adressenliste"[20] für
Bayern bis zu einer fast inventarartigen Beschreibung im Falle von
Rheinland-Pfalz. Auch das Verhältnis von Kartenmaterial und Text
schwankt stark: es gibt ausgesprochen kartenorientierte, also im
engsten Sinne des Wortes topographische Ausführungen (Niedersachsen)
und es gibt eher textorientierte Versionen mit Kartenbeilage (Bremen).
In allen Reihen jedoch entsprechen die Karten den Richtlinien und
ergeben damit über die Bundesländergrenzen hinweg ein einheitliches
Kartenwerk, eines der Hauptziele des Gesamtunternehmens
Denkmaltopographie. Daß abgesehen von dieser Gemeinsamkeit die
weiteren Inhalte in ihrer Aussagekraft sehr unterschiedlich sind, ist
ein Faktum das hier nur zu konstatieren, bei Recherchen aber
essentiell zu berücksichtigen ist. Interessant ist aber in jedem Fall
(auch für spätere Zeiten), wie der Denkmalbegriff in den einzelnen
Bundesländern ausgelegt wurde und welches Material daraufhin in die
Erfassung einging.
6. Bayern als Beispiel für das Nebeneinander verschiedener
Publikationstypen von Inventaren
Bayern ist mit seinem Beitrag zur Denkmaltopographie sicher einen
extremen Weg gegangen, indem hier die Denkmalliste publiziert wurde
(Ortsname, Straßenalphabet, Objektname mit Hausnummer), ohne daß in
den meisten Fällen Text und Kartenmaterial aufeinander bezogen wurden;
insbesondere fehlt für viele Einzelobjekte die eine Eintragung
deutlicher begründende Kurzcharakterisierung. Zwar bieten die Einträge
zu größeren Ortschaften eine knappe, zusammenfassende Einleitung, vor
allem zur Beschreibung von städtischen Ensembles, für die Vielzahl der
Einzelobjekte aber bleibt es bei einer reinen Lokalisierungsangabe.[21]
Dieser Knappheit der Verzeichnung ist es jedoch zu verdanken, daß
Bayern in dieser Form in den Jahren 1986 - 1987 seinen
Denkmälerbestand flächendeckend publiziert hat, ein Ergebnis, wie es
noch kein anderes Bundesland im Rahmen der Denkmaltopographie
aufweisen kann.
Daß letztlich eine reine Auflistung nicht alle Notwendigkeiten und
Informationsbedürfnisse befriedigen kann, hat längst auch in Bayern zu
neuen Initiativen geführt, die auf eine Wiederbelebung weitgehend
ausgestorben geglaubter Formen der Denkmalverzeichnung hinauslaufen.
So wurden in der Reihe Die Kunstdenkmäler von Bayern, die zwar auf die
Gliederung der Denkmaltopographie Bezug nimmt, sich jedoch in Titel
und inhaltlicher Konzeption an der alte gleichnamigen Reihe der
Großinventare orientiert, seit 1990 umfangreiche monographische
Darstellungen insbesondere zu einzelnen Städten vorgelegt.[22] In
veränderter äußerer Aufmachung und als Neue Folge dieser Reihe
bezeichnet, ist soeben der eingangs erwähnte monumentale Band über den
Augsburger Dom erschienen, auf den im folgenden etwas ausführlicher
eingegangen wird.
95-3-411 Der Dom zu Augsburg
Die Bezeichnung Neue Folge besteht gerade für diese Publikation auch
unter inhaltlichen Gesichtspunkten zu Recht, wird hier doch noch
deutlicher als bei den Bamberger Bänden von 1990, die an die alten
Großinventare anschlossen, auf Exhaustivität der Darstellung gesetzt.
Zwar folgt auch Chevalley in der Grundanlage der klassischen Ordnung
der Inventare,[23] im Einzelnen aber geht er in der umfassenden Anwendung
des Prinzips weit darüber hinaus: Jeder Teilbereich wird in
konsequenter Durchführung des Gliederungs- und Beschreibungsschemas
akribisch verzeichnet. Nach Nennung der spezifischen Quellen und
Literatur folgt die (bau-)historische Darstellung unter
Berücksichtigung von Überlieferungsgeschichte, Grabungs- und sonstigen
bereits vorliegenden Forschungsergebnissen. Selbstverständlich ist der
ausführliche Beschreibungsteil angemessen von Plänen, Rissen,
Abbildungen und Detailaufnahmen begleitet und schließt nach
detaillierter Analyse mit der kunsthistorischen Einordnung und
Würdigung des jeweiligen Objekts. Dieser Band über den Augsburger Dom
geht in zweifacher Hinsicht über das klassische Großinventar - und in
jedem Fall über alle Formen von Kurzinventaren - hinaus: zum einen
wendet er die Inventarisierung in der umfassendst möglichen Darbietung
des Materials in sozusagen mikroskopischer Ausweitung des Prinzips
auch auf Teilaspekte an; zum anderen ist er nicht mehr nur
baukundliches Quellen- und Nachschlagewerk, sondern selbst zugleich
auch eine Denkmal-Monographie, die dargebotene Fakten bereits
auswertet und nach dem vorliegenden Kenntnisstand umfassend
wissenschaftlich bearbeitet.[24]
Leider läßt sich kein direkter Vergleich der Arbeit von Chevalley mit
dem entsprechenden Artikel über den Augsburger Dom in einem früheren
Großinventar-Band Dom ziehen, blieb doch dieses
Inventarisierungsvorhaben trotz wiederholter Anläufe bis jetzt
Desiderat.[25] In dem die Stadt Augsburg behandelnden Band des
Kurzinventars von 1958 umfaßt der Eintrag über den Dom knapp 17 Seiten
Text und eine Grundrißwiedergabe.[26] Der Eintrag über den
Augsburger Dom
in Bd. 7. Schwaben der Sonderreihe für die Ensembles der Denkmäler in
Bayern hebt dementsprechend auf die Einbindung des Doms in das
städtische Ensemble ab: die Beschreibung des Domes erfolgt im Sinne
der Kurzerfassung eines einzelnen Baudenkmals im Alphabet der
Straßennamen unter Frauentorstraße 1 auf ganzen 13 Zeilen ohne
Bildergänzung und ohne Quellen- und Literaturangabe, was gleichalls
der Konzeption dieser Bände entspricht.[27]
95-3-412 Stadt Augsburg
Daß eine derartig kurze Erfassung - jenseits der Aufgaben von
Denkmallisten - nicht allzu weit führt, zeigt die weitere
"Entwicklung" der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland für
Bayern, wo nunmehr für Teilgebiete nach und nach inventarartige
Verzeichnisse vorgelegt werden. So erschien 1994 diese erweiterte
topographische Denkmalbeschreibung der Stadt Augsburg. Sie beginnt mit
Überblicksartikeln zu wichtigen Aspekten der Stadtgeschichte und
-entwicklung, zu einzelnen Bautypen (Augsburger Bürgerhaus) und zur
archäologischen Denkmalpflege. Der Hauptteil gilt der mit Abbildungen
versehenen Beschreibung der Ensembles und Einzeldenkmäler, die in
vielen Fällen ausführlichere Informationen bietet, als dies die
Denkmalliste tun konnte. Daß die weiter oben zur Charakterisierung der
Bände für Bayern der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland
zufällig gewählten Beispiele für die Augsburger Häuser am Mittleren
Lech 16, 18 und 20 allerdings auch in dem eigenständigen Band für
Augsburg keine ausführlichere Eintragung erhalten, dürfte in Art und
"Qualität" dieser Denkmäler liegen, auf die man aus den jetzt
beigegebenen Photos schließen kann. Insgesamt entspricht aber dem Grad
der Erfassung und Beschreibung im vorliegenden Band in vielen Teilen
der von anderen Bundesländern im Rahmen der Denkmaltopographie
Bundesrepublik Deutschland erreichten Standard. Gleichwohl muß aber
berücksichtigt werden, daß es sich im vorliegenden Fall vorerst um
eine Art "ergänzender Auswahlpublikation" zur Denkmaltopographie
handelt und diese selbst für Augsburg erst dann vollständig ist, wenn
man den Band von Chevalley über den Augsburger Dom als Seitenstück
hinzurechnet.
Bayern ist in seiner Veröffentlichungspraxis im Vergleich zu anderen
Bundesländern einen sehr eigenständigen Weg gegangen. Indem es nach
alten Groß- und Kurzinventaren, die aber nicht das ganze Territorium
abdeckten, seinen Beitrag zur Denkmaltopographie Bundesrepublik
Deutschland anfänglich auf eine - allerdings flächendeckende -
Listenerfassung aller Denkmäler reduzierte, verließ es am deutlichsten
den Weg klassischer Inventarisierung. Nachdem sich aber die
Denkmallisten, die für viele praktische Aspekte der Denkmalpflege zwar
ausreichend sind, als Nachschlagewerk bzw. baukundliche
Quellenveröffentlichung letztlich als unzulänglich erwiesen haben,
versucht Bayern eine 'Lösung des Problems' wieder in entgegengesetzter
Richtung, nämlich in Form von "Auswahlinventaren". Dafür stehen
beispielhaft die beiden neuen Publikationen über Augsburg und
insbesondere über den Augsburger Dom. Es dürfte nicht nur den
Urhebern, sondern auch den Benutzern klar sein, daß eine derartige
Aufbereitung der elementaren Daten in den Denkmallisten immer nur sehr
punktuell vorgenommen werden kann, daß also eine vollständige
Bearbeitung des gesamten Denkmälerbestandes in derart umfassender Form
eine Utopie bleiben wird. Bayern scheint sich damit von der
Vorstellung einer möglichen flächendeckenden Inventarpublikation
(alten Typs) stärker zu verabschieden als andere Bundesländer, die
teilweise ihre Beiträge zur Denkmaltopographie durchaus noch
inventarartig anlegten.[28]
7. Denkmäler-Inventare als Informationsmittel in Bibliotheken
Gerade wenn man die neueren bayerischen Denkmälerpublikationen
betrachtet, die hier exemplarisch vorgestellt wurden, stellt sich die
Frage nach der Funktion der unterschiedlichen Publikationstypen und
nach ihrem Nutzen als Nachschlagewerke. Aus den bisherigen
Ausführungen dürfte ersichtlich geworden sein, daß es das baukundliche
Nachschlagewerk für Deutschland nicht gibt. Informationen zum
Denkmälerbestand in Deutschland wird man in notwendiger
Vollständigkeit und Breite nur aus der Zusammenfassung der
unterschiedlichen hier vorgestellten Publikationstypen erhalten. So
ersetzt die Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland aufgrund der
Heterogenität ihrer inhaltlichen Konzeption je nach Bundesland und
aufgrund ihres derzeitigen Bearbeitungsstadiums für die meisten
Bundesländer in keiner Weise die älteren und/oder anders
ausgerichteten Publikationstypen. Ein Verzicht auf Bereitstellung
dieser Vielfalt an Publikationsformen im Bereich Denkmalbeschreibung
verbietet sich auch mit Blick auf die unterschiedlichen
Funktionszuweisungen an die einzelnen Publikationstypen durch die
jeweiligen Bundesländer: Während in Bayern die Bd. 1 - 7 der
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland die veröffentlichte
Denkmalliste darstellen, übernehmen diese Funktion z.B. in Hessen und
Berlin die entsprechenden Bände des Dehio-Handbuchs. Jenseits allen
fachlich-funktionalen Interesses sollten aber die Denkmallisten
insgesamt als Nachschlagewerk einer breiteren Öffentlichkeit
zugänglich sein, informieren sie doch über den als Denkmal angesehenen
Bestand einer Region, für den gegebenenfalls eine Unterschutzstellung
beantragt und damit auch eine Einschränkung der "Zustandsveränderung"
durchgesetzt werden kann. Daß Denkmallisten andererseits
weitergehenden wissenschaftlichen Informationsbedürfnissen nicht
genügen, dürfte ausreichend deutlich geworden sein; hier müssen nach
wie vor die älteren Groß- und Kurzinventare, Handbücher vom Typ Dehio
oder selbst Reclams Kunstführer kompensatorisch eintreten. Zudem sind
die älteren Publikationen gerade für (bau)historische Fragestellungen
generell nach wie vor von erheblichem Wert.[29] Mit Blick auf den
veränderten Denkmalbegriff stellen jedoch die neueren Publikationen
eine unabdingbare Ergänzung dar. Daher wird man für eine sachgerechte
Information nicht nur die verschiedenen Publikationstypen (Liste -
Inventar - Topographie) heranziehen müssen, sondern sogar verschiedene
Auflagen eines Bandes.[30] Eine Bibliothek, die für den deutschen
Bereich
wichtige baukundliche Informationsmittel zur Verfügung stellen will,
wird somit nicht umhin können, dieses Zusammenspiel der verschiedenen
Publikationsformen in angemessenem Umfang zu berücksichtigen.
Ergänzend sollten dazu allgemeine, reine Bildinventare, wie z.B. der
Marburger Index[31] zusätzlich angeboten werden, da
die älteren
Publikationen aus heutiger Sicht auf dem Gebiet der photographischen
Dokumentation natürlich Defizite aufweisen und auch die jüngeren
Publikationen nicht immer mit Abbildungen in optimaler Auswahl
aufwarten.
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