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Informationsmittel für sozialwissenschaftliche Fragen: Das Informationszentrum Sozialwissenschaften (IZ)


93-3/4-252
Informationsmittel für sozialwissenschaftliche Fragen: Das Informationszentrum Sozialwissenschaften (IZ)
von
Hans-Christoph Hobohm

Einer der ersten Datenbankproduzenten der Bundesrepublik führt seine Existenz auf die Initiative der eigenen wissenschaftlichen community zurück. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e.V. (ASI), der Zusammenschluß der führenden sozialwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen Deutschlands, gründete 1969 das Informationszentrum Sozialwissenschaften (IZ) mit dem Ziel der Verbesserung der Kommunikation zwischen den Forschungseinrichtungen zum Beispiel zur Vermeidung von Doppelforschung. Mittlerweile ist das IZ, zusammen mit dem Zentralarchiv für empirische Sozialforschung in Köln und dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen in Mannheim, Teil der Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (GESIS) e.V. Aus der Eigeninitiative der Wissenschaft ist eine wichtige gesellschaftliche Institution geworden.

1. Die Datenbank FORIS

Erstes und wichtigstes Produkt dieser Initiative zur Kommunikationsförderung in den Sozialwissenschaften war die jüngst mit dem cogito-Datenbankpreis ausgezeichnete Datenbank FORIS, dem Forschungsinformationssystem Sozialwissenschaften. Sie basiert auf einer vom IZ selbst durchgeführten freiwilligen Umfrage bei ca. 5000 Instituten aus dem weiten Bereich der Sozialwissenschaften, von der empirischen Sozialforschung bis zu den Wirtschaftswissenschaften. Sie geschieht für die anderen deutschsprachigen Länder in Kooperation mit vergleichbaren nationalen Institutionen wie der Sozialwissenschaftlichen Informationsstelle der Wirtschaftsuniversität Wien, die die gleiche Erhebung in Österreich durchführt. In der Online-Version sind immer mindestens die letzten 10 Jahre der Forschungsprojektnachweise mit rund 40.000 Einheiten abrufbar. Die Informationen basieren auf den Angaben der Forscher selber, werden jedoch vom IZ dokumentarisch aufbereitet.

Da die erhobenen Daten auch für analytische, z.B. wissenschaftssoziologische Zwecke verwendet werden, liegt ein gewisser Schwerpunkt in den Fragen des Erhebungsbogens auf den methodischen Aspekten der Forschungsprojekte. Wichtige Informationsbestandteile sind jedoch auch die Angaben zu den beteiligten Institutionen, wie Auftraggeber oder Finanzierer. So wird diese Datenbank nicht nur zum Nachweis von Experten und Einzelforschern benutzt (deren Telefonnummern in der Regel angegeben sind), sondern dient auch zum Auffinden von Geldquellen oder als Institutionenregister. Ebenfalls wichtiger - oft nicht bekannter - Bestandteil ist ein Feld, in dem teilweise seitenlange Literaturlisten aufgeführt sind, die dem ausgefüllten Fragebogen zur Beantwortung der Frage nach Veröffentlichungen und Arbeitspapieren beiliegen. Hier kann man also fündig werden, insbesondere auf der Suche nach grauer Literatur bzw. nach Texten, die man in anderen klassischen Literaturnachweismitteln nicht gefunden hat.

2. Die Datenbank SOLIS

Zu den klassischen Informationsmitteln gehört die Literaturdokumentation für die deutschsprachigen Sozialwissenschaften, die das IZ mit der Datenbank SOLIS (Sozialwissenschaftliches Literaturinformationssystem) nun ebenfalls seit über fünfzehn Jahren betreibt. Diese zeichnet sich durch eine für die Sozialwissenschaften angemessene Mischung der nachgewiesenen Dokumentarten aus: unselbständige Literatur 50%, Monographien 40% und Graue Literatur 10%. Sie weist Literatur seit 1945 nach und überschritt Anfang 1993 die Zahl von 150.000 Nachweisen. Um den enormen Zuwachs an jährlichen Veröffentlichungen in den Sozialwissenschaften bewältigen zu können, arbeitet das IZ intensiv mit verschiedenen anderen Institutionen, wie z.B. dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit, zusammen. Da zum Zeitpunkt ihres Entstehens auch schon andere Literaturnachweisdatenbanken im weiten Feld der Sozialwissenschaften produziert wurden, z.B. in der Psychologie und in den Wirtschaftswissenschaften, ist der Abdeckungsbereich von SOLIS nicht so breit angelegt wie der von FORIS.

Besonders hervorzuheben ist die Ausführlichkeit der zumeist vom IZ selbst erstellten Abstracts und der Nachweis des Standorts von grauer Literatur. Auch bei SOLIS liegt ein gewisser Schwerpunkt auf der Darstellung der in den nachgewiesenen Dokumenten verwandten Methodik. So wird z.B. dokumentiert, ob in den beschriebenen Literaturquellen numerische Informationen in Form von Tabellen oder Graphiken vorhanden sind. Insofern läßt sich diese Datenbank nicht nur als Literaturnachweisinstrument benutzen, sondern - aufgrund der Regelwerksanweisung, daß empirische Ergebnisse im Abstract erwähnt werden sollen - auch als eine Art Fakteninformationssystem.

3. Online-Zugriff auf die Datenbanken

Beide Datenbanken sind bei drei kommerziellen Datenbankanbietern öffentlich zugänglich: STN International mit einem Umfeld von eher technisch-naturwissenschaftlichen Datenbanken, DIMDI im Zusammenhang mit medizinischen und anderen sozialwissenschaftlichen Datenbanken und GBI in wirtschaftswissenschaftlichem Kontext. Bei allen Hosts sind die Datenbanken in die fachspezifischen "Datenbank-Cluster" integriert und teilweise mit der Funktion der datenbankübergreifenden Dubletteneliminierung versehen. STN unterstützt ebenfalls die Datenbankstrukturen der IZ-Datenbanken für sein auf der letzten Infobase preisgekröntes Personal file system, mit dem Download-Daten auf dem eigenen PC quasi wie auf dem Host geführt werden können. Zu allen recherchespezifischen Problemen kann der jeweilige Helpdesk der Hosts oder die Hotline des IZ (Tel. 0228/2281-100) konsultiert werden, bei der kompetente Sozialwissenschaftler weiterhelfen.

Zur Recherche in den Datenbanken bieten die Hosts mehr oder weniger ausführliche, datenbankspezifische Benutzermanuals, in denen z.B. die detaillierten Klassifikationssysteme genauer beschrieben werden. Diese sollte man unbedingt bei der Recherche konsultieren, da erfahrungsgemäß einige wichtige rechercheerleichternde Hilfen sich nicht über trial and error erschließen lassen. Ebenfalls essentielles Arbeitsmittel für die Informationssuche in den IZ-Datenbanken ist die kürzlich in überarbeiteter Auflage erschienene Schlagwortliste für die Sozialwissenschaften,[1] die sich im übrigen auch in anderen Bereichen zu einem Standardinstrument entwickelt hat.

4. CD-ROM-Version; Diskettendienst

In IFB 93-1/2-073 wurde bereits auf eine wesentliche Präsentationsform der Datenbank SOLIS hingewiesen: sie ist mittlerweile in vielen Universitätsbibliotheken auf der CD-ROM WISO zusammen mit den wirtschaftswissenschaftlichen Datenbanken BLISS und HWWA zugänglich.

Da die CD-ROM jeweils drei komplette Datenbanken enthält, ist ihr Preis erfahrungsgemäß zu hoch für kleinere Institutionen oder Einzelpersonen. Aus diesem Grund bietet das IZ mit seinem Diskettendienst die Möglichkeit, Teile der Datenbank SOLIS als preiswerte Inhouse-Datenbank auf dem eigenen PC aufzubauen. Die Daten werden in einem neutralen ASCII-Format geliefert und können entweder mit dem eigenen Datenbanksystem weiterverarbeitet oder in ein speziell dafür entwickeltes Retrievalmodul auf der Basis von LARS integriert werden.

5. Bibliographien, Nachschlagewerke, Dokumentationen

Die Datenbanken mit ihrem mächtigen und flexiblen Informationsreservoir sind immer wieder Grundlage für gedruckte Informationsdienste, Nachschlagewerke und Dokumentationen. Zwei Standardwerke für die sozialwissenschaftliche Informationsarbeit sollten in keiner einschlägigen Bibliothek fehlen: die Bibliographie zur deutschen Soziologie 1945 - 1977[2] und die jährlich erscheinende Dokumentation Forschungsarbeiten in den Sozialwissenschaften,[3] die regelmäßig die sozialwissenschaftliche Forschungslandschaft der deutschsprachigen Länder abbildet und somit das Adreßbuch der aktuellen Forschung darstellt.

Zur laufenden Information über Neuerscheinungen und Projektmeldungen unterhält das IZ, auf der Grundlage seiner Datenbanken, 33 unter dem Gesamttitel Sozialwissenschaftlicher Fachinformationsdienst zusammengefaßte Referatedienste zu einer breiten Palette von Themen: von Frauenforschung über Migration und ethnische Konflikte und Jugendsoziologie bis zu Gesellschaftlicher Wandel in den neuen Bundesländern.[4] Die zweimal im Jahr erscheinenden, broschierten Ausgaben werden nicht lediglich maschinell aus den Neuzugängen zu den Datenbanken abgezogen, sondern sind von Fachwissenschaftlern intellektuell bearbeitet und mit Registern versehen, so daß diese Profildienste teilweise als Ersatz für fehlende oder als Ergänzung für unzulängliche laufende Fachbibliographien benutzt und tatsächlich als solche vielfach eingesetzt werden.

Von Fall zu Fall erstellt das IZ auch retrospektive Dokumentationen zu aktuellen Themen. Die letzten Themen, die in dieser Art erschlossen wurden, sind: Gewalt in der Gesellschaft, Vereine in Deutschland und Legale Droge Alkohol.[5] In Bearbeitung befindet sich ein Band zur Asylproblematik. Neben der retrospektiven Dokumentation von Forschung und Literatur eines spezifischen Themenfeldes beinhalten diese Bände meist auch Hintergrundartikel wie Forschungsberichte, wissenschaftssoziologische und bibliometrische Analysen des Fachgebietes oder historische Einschätzungen. Teilweise werden hier auch Bilddokumentationen (so z.B. in dem Band zur Vereinsforschung) mit abgedruckt.

Eine weitere Art von Publikationstätigkeit des IZ ist speziell für den Auskunftsbereich von Bedeutung. In Zusammenarbeit mit vergleichbaren Informationszentren anderer europäischer Länder erscheinen ebenfalls sporadisch thematische, retrospektive Dokumentationen. So zum Beispiel zuletzt zur aktuellen europäischen Frauenforschung: Women between jobs and family.[6]

6. Weitere auskunftsrelevante Dienstleistungen des IZ

Aus der großen Palette der informations- und sozialwissenschaftlichen Aufgabengebiete des IZ soll hier lediglich auf die Bereiche hingewiesen werden, die für den Auskunftsdienst der Bibliothek ebenfalls hilfreich sein können. Neben den beiden großen Datenbanken unterhält das IZ seit kurzem eine weitere Datenbank zur soziologischen Lehre, die Auskunft geben kann über Dozenten und spezielle Ansprechpartner mit Lehrerfahrung. Auf diese, aber auch auf andere Teildatenbanken, die zur Produktion der Online-Datenbanken gepflegt werden bzw. auf andere internationale Datenbanken im Bereich der Sozialwissenschaften (z.B. FRANCIS, Social Research Methods oder Social Science Citation Index, aber auch auf die Datenbanken des russischen Informationszentrums INION), greift die Fachinformationsvermittlungsstelle des IZ für eigene Recherchen zu. Jeder Wissenschaftler kann sich an die IVS des IZ wenden, um mit spezifisch sozialwissenschaftlicher Retrievalkompetenz Datenbankrecherchen durchführen zu lassen. Wer jedoch selber recherchieren lernen möchte, kann sich bei einem der Datenbankseminare des IZ anmelden. Je nach Bedarf werden Schulungen oder Präsentationen auch am Hochschulort durchgeführt.

Ein letzter - nicht unwichtiger - Arbeitsbereich des IZ sei hier noch erwähnt. Die Abteilung Berlin des IZ in der Außenstelle der GESIS[7] bietet, neben der Aufgabe, die Sozialwissenschaft der DDR der Öffentlichkeit bekanntzumachen und dokumentarisch aufzubereiten,[8] Informationsdienstleistungen über Sozialwissenschaften in Osteuropa. Sie versteht sich als Transfer- und Clearingstelle für Informationen über bzw. für die osteuropäische Sozialwissenschaft unter dem Eindruck der dort entstehenden neuen Gesellschaften. Sie gibt zu diesem Zweck den z.Zt. noch kostenlosen Newsletter Sozialwissenschaften in Osteuropa heraus, der als Forum der Kommunikation gedacht ist und alle zwei bis drei Monate erscheint.

Als Infrastruktureinrichtung für die Sozialwissenschaften sind dem IZ stets Anfragen und Anregungen willkommen, die ihm helfen, seine Aufgabe nutzergerecht durchzuführen. Sollten Sie an laufenden Informationen über das IZ interessiert sein, so zögern Sie nicht, sich an die oben erwähnte Hotline zu wenden und sich das IZ-Telegramm regelmäßig schicken zu lassen, in dem von Fall zu Fall auch Tips für die allgemeine Informationssuche in den Sozialwissenschaften zu finden sind.


[1]
Schlagwortliste für die Sozialwissenschaften / Hrsg.: Informationszentrum Sozialwissenschaften der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e.V., Bonn. - Bonn : Informationszentrum Sozialwissenschaften. - 1993. - Bearb. von Hannelore Schott. - Alphabetischer Teil. - XXII, 284 S. - Systematischer Teil. - XXII, 322 S. - ISBN 3-8206-0086-8 : DM 58.00 (beide Teile). (zurück)
[2]
Bibliographie zur deutschen Soziologie: 1945 - 1977 = Bibliography of German sociology / Center for International Comparative Studies (CICS), Univ. of Illinois, Urbana und Informationszentrum Sozialwissenschaften, Bonn. Hrsg. u. eingel. von Karl-Heinrich Bette ... - Unter Mitarb. von ... - Göttingen: Schwartz, 1980. - XVI, 800 S. - ISBN 3-509-01168-6 (Schwarz) - ISBN 3-8206-0000-0 (IZ). - Die Bibliographie ist leider seit geraumer Zeit vergriffen. Eine Fortsetzung ist jedoch in der Planung. (zurück)
[3]
Forschungsarbeiten in den Sozialwissenschaften / Informationszentrum Sozialwissenschaften. - Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften. - ISSN 0340-8957. - 1969 (1971) - . Zuletzt: 1992 (1993). - DM 40.00. [Enthält ca. 5000 Kurzhinweise auf über 700 S.] (zurück)
[4] Vgl. IFB 93-3/4-225. (zurück)
[5]
Gewalt in der Gesellschaft : eine Dokumentation zum Stand der sozialwissenschaftlichen Forschung seit 1985 / bearb. von Gerhard Schönfeld. - Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften, 1993. - 470S. - ISBN 3-8206-0089-2 : DM 58.00
Vereine in Deutschland : vom Geheimbund zur freien gesellschaftlichen Vereinigung ; Dokumentation zum Stand der sozialwissenschaftlichen Forschung / hrsg. von Heinrich Best. - Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften, 1993. - ca. 500 S. [z.Zt. im Satz].
Legale Droge Alkohol : Forschungs- und Literaturdokumentation 1980 - 1989 / bearb. von Erika Schwefel und Heinrich Küfner. - Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften, 1990. - 352 S. - ISBN 3-8206-0071-X DM 38.00. (zurück)
[6]
Women between jobs and family : a documentation of current research 1988 - 1991 / Informationszentrum Sozialwissenschaften and the Sociaal-Wetenschappelijk Informatie- en Documentatiecentrum van de Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen. Ed. by Marga van Meel ... for the European Cooperation in Social Science Information and Documentation (ECSSID). - Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften, 1993. - XXV, 346 S. - (The changing role of women in society ; 1988/91). - ISBN 3-8206-0088-4 : DM 48.00. (zurück)
[7]
Schiffbauerdamm 19, 10117 Berlin, Tel. 030/2805193, FAX 030/2823692 (zurück)
[8] Sozialforschung in der DDR : Dokumentation unveröffentlichter Forschungsarbeiten / Informationszentrum Sozialwissenschaften, Abteilung Berlin. Bearb. von Erika Schwefel ... - Berlin : Informationszentrum Sozialwissenschaften, Abt. Berlin. - Bd. 1 (1992) - . - Ca. 3 Bände pro Jahr, je ca. 200 S.. - DM 35.00 (Einzelband), DM 28.00 (Abonnementspreis). - Auch auf Diskette erhältlich.
Sozialwissenschaften in der DDR und in den neuen Bundesländern : ein Vademecum / Informationszentrum Sozialwissenschaften, Abteilung Berlin. Hrsg. von Heinrich Best. Bearb. von Manfred Krause ; Ute Koch. - Berlin: Informationszentrum Sozialwissenschaften, Abt. Berlin, 1992. - 557 S. - ISBN 3-8206-0083-3 : DM 68.00. (zurück)

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