Da gibt es einen Eintrag Stiftung, unter dem auf den Artikel Kulturstiftung verwiesen wird. Eine der ersten Informationen dort lautet, 1999 seien von 8000 Stiftungen "lediglich 11 % der Kultur verpflichtet" gewesen; en passant erfährt man, daß die "Kulturstiftung der Länder" Ankäufe "wertvoller Kunstwerke für deutsche Museen" ermögliche, nichts aber über die Breite ihrer sonstigen Aufgaben z.B. im Bereich der Bibliotheken und Archive: nur exemplarisch sei hingewiesen auf die Förderung des Erwerbs des Ernst-Jünger-Archivs, auf die Unterstützung des Ankaufs der Nachlässe von Alfred Döblin sowie von Heiner und Inge Müller, auf die zahlreichen Fundraising-Broschüren (etwa für das Gerhart-Hauptmann-Haus in Kloster auf Hiddensee). Kein Wort zu lesen schließlich über die zahlreichen Fördermaßnahmen gemäß dem sog. Mitwirkungsabkommen, die etwa Ausstellungen wie der documenta oder Einrichtungen wie den Franckeschen Stiftungen zu Halle, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, dem Deutschen Literaturfonds e.V., der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften, den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen usw. usf. zugute kommen.
Ein anderes Beispiel: Da gibt es einen - noch dazu angesichts des
knappen Raums - recht informativen Artikel zur Zensur. Doch bei den
- ohnehin immer recht kurz gehaltenen - Literaturangaben fehlt
ausgerechnet der überaus informative Katalog zur Wolfenbütteler
Zensur-Ausstellung,[1] handelt sich doch um einen Panoramablick auf das
Phänomen, der nicht etwa - wie man angesichts der herausgebenden
Institution denken könnte - auf die Frühe Neuzeit beschränkt ist. So
werden dort etwa aus so kundigen Federn wie denjenigen von Hartmut
Walravens, Heddy Pross-Werth, Wilém Precan und Helgard Sauer
behandelt: das Exil nach 1945, Samisdat in Rußland, Unabhängige
Literatur und Samizdat in der Tschechoslowakei der 70er und 80er Jahre
und Unerwünschte Drucke in der DDR. Das Stichwort DDR kommt im Text
des Artikels Zensur nicht einmal vor; dennoch ist die DDR nicht
vergessen worden, so als hätte es dort keine Zensur gegeben. Man muß
sich nur ein wenig hineinversetzen in die wahrscheinliche
Entstehungsgeschichte des Buches, und wer das tut, der sucht dann die
DDR-Zensur gar nicht unter Zensur, sondern gleich unter
Staatssicherheit. Ein Tütchen Verweisungen bei der Schlußredaktion
- hat's eine gegeben? - hätte hier und in anderen ähnlichen Fällen
geholfen. Keine Nachsicht aber verdient, wenn bei den Literaturangaben
zum Artikel Staatssicherheit der fast 900 Seiten umfassende Band von
Joachim Walther[2] nicht genannt wird; da vergeht auch dem begabtesten
Spötter der Spaß.
Für's Rezensieren braucht man zwar gelegentlich eine Wünschelrute,
etwa um wie hier von Zensur auf Staatssicherheit zu kommen, für's
Büchermachen aber genügt offensichtlich zuweilen vor allem eines,
nämlich eine heiße Nadel.[3]
Da weiß man nicht, ob man schmunzeln oder bedauern soll, daß sich der
sach- und sprachkundige Verfasser des Artikels Konzert - nur eben eine
Spalte hat er zur Verfügung gehabt, während der zum Föderalismus
doppelt so lang ist - notgedrungen nur noch elegant aus der Affäre
ziehen kann, indem er zu Ironie und Flapsigkeit seine Zuflucht nimmt
und feststellt, "auch Stars der Klassikszene wie die von der
Schallplattenindustrie gepuschte [sic!] Geigerin A.-S. Mutter oder die
Sängerin C. Bartoli [besäßen] längst Kultcharakter" (S. 260). Dabei
hat die Sopranistin sich in Gestalt des Engagements, mit dem sie in
ihrer Heimat an den auch dort allüberall vergessenen Metastasio
erinnert, einer ganz und gar unspektakulären, aber um so wichtigeren
kulturellen Aufgabe verschrieben.
Durchaus kein unentbehrliches Buch, weder für den Privatmann noch für
die Bibliotheken! Aber eines, das auf Gedanken bringen könnte, z.B.
auf den folgenden: Sollte doch etwas dran sein an dem meist hinter
vorgehaltener Hand geäußerten Verdacht, daß der in unseren
Universitäten modisch gewordene Schwenk zur Kulturwissenschaft etwas
mit der Suche nach dünnen Brettchen zu tun hat, die sich leicht bohren
lassen - für Lehrende und Lernende, deren gemeinsames Bemühen um
denselben Gegenstand einem alten Humboldtschen Gerücht zufolge die
Universität ausmacht?
Hans-Albrecht Koch
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