Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
[ Bestand in K10plus ]

Diercke drei


01-2-438
Diercke drei : Universalatlas ; Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde, Religionen, Sprachen, Naturwissenschaften / [Mitw.: Klaus Claaßen ... Red.: Thomas Michael ... Hergest. in der Westermann-Kartographie]. - 1. Aufl. - Braunschweig : Westermann-Schulbuch-Verlag, 2001. - 225 S. : überw. Kt. ; 31 cm. - ISBN 3-14-100670-9 : DM 39.80
[6433]

Schulatlanten prägen nicht nur das kartographische Weltbild in einer entscheidenden Lebensphase, sondern bleiben in manchem Haushalt auch später der einzige Vertreter der Gattung Weltatlas; sie sind daher in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Beim Klassiker, dem Diercke,[1] ist der Verlag stets um Kontinuität bemüht, denn auch verschiedene Auflagen sollen im Unterricht nebeneinander benutzbar sein. Vergleicht man etwa die Bearbeitung von 1974, die die Rezensentin durch die Gymnasialzeit begleitet hat, mit der derzeit aktuellen 4. Auflage von 1996,[2] so fallen die Unterschiede nicht allzu sehr ins Auge. Die Konzeption eines neuartigen "Universalatlas für den fächerverbindenden Unterricht" (Verlagswerbung) hingegen bietet Raum für Innovationen, so daß man gespannt sein darf. In der Schulatlanten-Familie ist der Neuzugang das dritte Mitglied nach dem großen Diercke-Weltatlas für Sekundarstufe I und II und dessen um gut 50 Kartenseiten abgespeckter Ausgabe 2.[3] Wie letztere richtet sich der Diercke drei an Schüler der 5. bis 10. Jahrgangsstufe, besitzt auch ungefähr gleichen Umfang, soll jedoch nicht nur im Fach Erdkunde, sondern auch in den Gesellschafts-, Sprach- und Naturwissenschaften zur Anwendung kommen. Die äußere Aufmachung ist eigenwillig - an die hellbraunen Seitenränder etwa muß man sich erst gewöhnen. Einige neue und gut durchdachte Details erleichtern die Orientierung, so ein Daumenregister, Blattschnitt-Übersichten im Inhaltsverzeichnis und kleine Skizzen bei den topographischen Karten, die die Anschlußseiten zeigen. Das "neuartige Kartenleitsystem" (Verlagswerbung) für die thematischen Karten entpuppt sich als eine siebenteilige Leiste am oberen Blattrand. Darauf sind jeweils diejenigen Fächer markiert, für die die Karte geeignet ist. Die Frage sei erlaubt, ob hier nicht Lehrer und Schüler unterschätzt werden, zumal man dieselbe Information auch im Inhaltsverzeichnis findet (hier jedoch merkwürdigerweise in ein nur vierstufiges System verpackt). Sinnvoller wäre es gewesen, stattdessen neben dem regional gegliederten auch ein thematisch gegliedertes Inhaltsverzeichnis oder zumindest ein Schlagwortregister anzubieten. Bei den physischen Karten wurde deutlich reduziert. Im Europa-Teil zum Beispiel ist der vorherrschende Maßstab nicht mehr 1:4,5 Mio, sondern nur noch 1:6 Mio. Entsprechend dünn fällt das Ortsregister im Vergleich zum großen Weltatlas aus, zumal auch die Zahl der großmaßstäblichen Fallbeispiele geringer ist. Die Stärke des Diercke drei liegt eher im kleinmaßstäblichen Bereich: Ausnehmend gut gelungen sind etwa die neuen Übersichtskarten der Kontinente, die die großen geomorphologischen Strukturen weit besser und einprägsamer herausarbeiten als frühere Versionen. Ebenfalls der Vorstellungskraft dienlich sind kleine Blockbilder in der Legende, die die Landhöhen und Meerestiefen verdeutlichen. Der Schwerpunkt liegt freilich auf den thematischen Karten, die zum Teil völlig neu entwickelt wurden - so z. B. eine Karte zu Landschaft und Wirtschaft Mitteleuropas in römischer Zeit[4] oder eine, die die Wanderungsbewegungen politischer Flüchtlinge darstellt. Besonders wichtig sind die historischen Karten, die im klassischen Schulatlas kaum eine Rolle spielen: Allein bei Deutschland und Europa nehmen sie je acht Seiten ein und wirken im Vergleich zu den meisten Geschichtsatlanten erfreulich klar und modern. Ein Zeitstrahl am unteren Blattrand soll das Verständnis für die zeitliche Dimension fördern. Diese besondere Betonung des Didaktischen ist überhaupt ein hervorstechendes Charakteristikum des Diercke drei und zeigt sich nicht zuletzt an zahlreichen Illustrationen: So sind etwa der Erdvegetationskarte Zeichnungen der unterschiedlichen Landschaftstypen mit ihren zugehörigen Tieren und Pflanzen beigegeben, und die Karte zur Plattentektonik wird von einem aussagekräftigen Querschnitt durch die Erdkruste begleitet. Wer sich vom Schulbuchhaften nicht abschrecken läßt, kann auch als Erwachsener von solchen Darstellungen profitieren. Der Ansatz, die Arbeit mit Karten nicht nur auf das Fach Erdkunde zu beschränken, ist sehr zu begrüßen. Mit dem Diercke drei steht dafür ein originelles und vielseitiges Kartenwerk zur Verfügung, das auch außerhalb der Schule interessant und hilfreich sein kann. Den Diercke-Weltatlas kann es freilich nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.

Heidrun Wiesenmüller


[1]
Vgl. Diercke - ein Atlas für Generationen : Hintergründe, Geschichte und bibliographische Daten bis 1955 / Jürgen Espenhorst ; Erhard Kümpel. - Schwerte : Pangaea-Verlag, 1999. - 119 S. : Ill., Kt. ; 22 cm. - ISBN 3-930401-50-9 : DM 39.00 [6002]. - Rez.: IFB 00-1/4-352. (zurück)
[2]
Diercke-Weltatlas. - 4., aktualisierte Aufl. - Braunschweig : Westermann, 1996. - 275 S. (zurück)
[3]
Diercke-Weltatlas. - Ausg. 2, 4., aktualisierte Aufl. - Braunschweig : Westermann, 1996. - 219 S. (zurück)
[4]
Vgl. Karten zur Landschaftsgeschichte Mitteleuropas : Römerzeit und Mittelalter / Hansjörg Küster. // In: Geographische Rundschau. - 53 (2001),5, S. 54 - 59. (zurück)

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