Der erste Eindruck läßt eine populäre Zusammenstellung ohne
wissenschaftlichen Ehrgeiz vermuten. Ein Blick auf die übrige
Produktion der Verfasserin bestätigt diese Annahme. Christina Zacker
hat, in der Regel mit anderen Autorinnen zusammen, allein in den
neunziger Jahren etwa fünfzig Titel vorgelegt.[1] Das vorliegende
Lexikon ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Es gehört der
Trivialliteratur an, und die Prüfung, ob das hier ausgebreitete
Material tatsächlich zum wissenschaftlich gesicherten Volksglaubensgut
gehört, und eine etwaige Ermittlung der benutzten Quellen ist im
Hinblick auf Zielgruppe und angestrebte Nutzung des Bandes belanglos.
Uns interessiert hier ein anderer Aspekt. Die Autorin schließt das
Vorwort mit den Worten: "Schmökern Sie. Tauchen Sie ein in
Unheimliches und Rätselhaftes, finden Sie Merkwürdiges und
Fantastisches - und probieren Sie ruhig das eine oder andere aus:
vielleicht ein Orakelspiel an Silvester oder eine Bauernregel für
Ihren Garten" (S.7). Die Vorworte zu den einzelnen Kapiteln geben dann
schon präzisere Verhaltenshinweise: "... Methoden der Wahrsagerei
richten sich ... direkt ans Unterbewußtsein. Das ist etwa beim Legen
der Tarotkarten so oder beim Werfen der I-Ging-Münzen. Um ein
bestmögliches Ergebnis zu erzielen, sollten Sie daher vor der
Befragung des Orakels immer entspannt sein ..." (S. 9 - 10).
Hilfeleistung bei konkretem abergläubischem Handeln geben insbesondere
die 25 Tabellen, etwa zum zaubrischen Nutzen der Bäume ("Holunder
- darf nie im Kamin verbrannt werden, sonst gibt es Unglück", S. 13)
oder zur Weissagung aus Donnerschlägen ("Donner an einem Mittwoch
- Tod von Dirnen oder allgemein Blutvergießen", S. 17); zur Deutung
des Verhaltens von Hunden ("Hunde heulen an Wegkreuzungen - schlechtes
Zeichen, ein Feind naht", S. 29) oder komplizierte astrologische
Tabellen, die Planetenstunden (S. 117) oder Heilkräuter in Beziehung
zu den Sternzeichen auflisten (S. 96 - 98). Das alles ist Material,
das sich, die entsprechende psychische Disposition vorausgesetzt,
spielerisch oder ernsthaft nutzen läßt, und auf ihm liegt das
Hauptgewicht des Bandes. Er führt damit die wohlbekannte Gattung der
Hausväterliteratur fort, die seit Justus Möser das Interesse der
Volkserzieher, später das der Volkskundler beansprucht hat.[2]
Es sind die bisher letzten (und ein wenig verkümmerten) Ausläufer der
"Literatur zwischen Glaube und Aberglaube" des Spätmittelalters, über
die man sich in einer knappen Darstellung Peter Assions[3] unschwer
informieren kann. Die Quellenschriften waren - und sind -
Gebrauchsliteratur, die zerlesen und oft auch verheimlicht wurde; die
bibliographische Situation in diesem Bereich ist unübersichtlich, der
Nachweis der Titel lückenhaft und schwierig. Der Aurum-Verlag
(Freiburg im Br.) hat einen Teil des Überlieferten in einer
unkommentierten und mäßig edierten Reprint-Serie Ende der siebziger
Jahre wieder zugänglich gemacht.[4]
Die Kontinuität, in der das Lexikon von Christina Zacker zu diesen
Schriften steht, ist trotz aller Nähe weder eindeutig noch geradlinig.
Gegenüber den ein einheitliches "magisches" Weltbild anstrebenden
Hausväterschriften zeugt unser Lexikon bei der Auswahl und Zuordnung
der Stichwörter und bei den mitgeteilten Inhalten von völliger
Beliebigkeit. Das geistige Band findet sich hier bestenfalls im Reiz
des Okkulten. Die (vielleicht beabsichtigte) Unverständlichkeit
mancher Eintragungen ("Alfalfa: schützt vor Hunger und Armut", S. 258)
mag dazu beitragen, dem Leser eine tatsächlich nicht vorhandene
esoterische Situation zu suggerieren. Unterrichtung und Belehrung über
die Praxis der magischen Künste[5] ist aber wohl nur das eine Ziel des
Bandes; das andere heißt Unterhaltung. Und da hat die Autorin in der
Tat den Nagel auf den Kopf getroffen: Es ist vor allem ein Buch zum
Schmökern - immer unter der Voraussetzung, daß der Leser die Sache
nicht allzu ernst nimmt.
In summa: Kein wissenschaftliches Lexikon, sondern Unterhaltung und
"postmoderne Hausväterliteratur". Bücher dieser Art könnten Anlaß
geben, den medialen Output der Okkultwelle einmal auf seine
historischen Abhängigkeiten zu untersuchen.
Willi Höfig
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