In der dreißigseitigen Einführung umreißt Bräutigam die Geschichte der Synchronisierung von Spielfilmen in Deutschland seit den dreißiger Jahren, stellt sie in den Zusammenhang von Zensurpolitik und Marktzwängen, beschreibt Techniken und Arbeitsbedingungen und deutet Umrisse einer Ästhetik der Synchronisation an. Er nennt einige Hauptsünden und ihre Ursachen, die in restaurativer Kulturpolitik und forcierter Marktanpassung zu suchen sind, und plädiert doch für eine kulturtransferierende Bearbeitung von Filmen an Stelle einer bloßen Übersetzung von Filmtexten.
Das Verzeichnis von etwa 2000 seit 1945 deutschsprachig
synchronisierten Spielfilmen nimmt den weitaus größten Teil des Bandes
ein: Es ist nach den deutschen Verleihtiteln sortiert, nennt den
Originaltitel, den Regisseur und das Produktionsjahr des Originals,
gefolgt von Synchronfirma, Dialogautor und Dialogregisseur, danach im
Hauptteil die deutschen Sprecher mit Originaldarsteller und Rolle. Ein
Register der Originalfilmtitel wird schmerzlich vermißt, kann aber
behelfsmäßig durch andere Filmlexika ersetzt werden.[1] Wohl aus
quantitativen Erwägungen werden nur sehr wenig DEFA-Synchronisationen
berücksichtigt, für die pauschal auf die Filmobibliographischen
Jahresberichte für die DDR 1965 bis 1990 verwiesen wird. Für
Inhaltsangaben und umfassendere filmographische Daten muß man
ebenfalls andere Filmlexika zu Rate ziehen.
Informationsreicher sind dagegen die etwa 160 Kurzporträts von
Synchrondarstellern: Sie bieten im Umfang etwa einer halben Seite
jeweils Lebensdaten, einen Abriß der künstlerischen, meist
schauspielerischen Karriere und eine erzählende Auflistung - leider
ohne Jahreszahlen - der markantesten Synchronrollen samt
gelegentlichen Bewertungen und Charakterisierungen. Etwa die Hälfte
der Porträts wird durch Porträtphotos angereichert. Bedauerlich ist,
daß keine Dialogautoren oder Synchronregisseure vorgestellt werden,
die doch auf einem noch verborgeneren Arbeitsfeld als die
Synchronsprecher tätig sind. Erstaunlich ist immerhin die Anzahl der
Porträts, da doch Bräutigam in seiner Einleitung ausdrücklich und mit
kritischen Unterton festhält, daß heute nur etwa 30 Synchronsprecher
nahezu allen fremdsprachigen Schauspielern die deutsche Stimme leihen,
- ganz erheblich weniger als in den Nachkriegsjahren, als viele und
auch prominente Schauspieler in der Branche arbeiteten.
Die Auflistung der Filmschauspieler mit ihren deutschen Sprechern hat
leider keine direkte Verbindung zur Filmliste, die nur über den Umweg
über das biographische Lexikon mit einiger Mühe zu erreichen ist. Daß
die Liste der Synchronfirmen nicht mit zumindest einigen elementaren
Informationen angereichert worden ist, muß man bedauern. Das
sogenannte Quellenverzeichnis schließlich ist schlicht indiskutabel,
schon das Vorwort bietet mehr Auskünfte. Es gibt viel zu verbessern an
diesem Lexikon, aber es gibt noch viel mehr Grund zur Dankbarkeit für
die immense Aufklärungsarbeit, die hier von einem echten Filmliebhaber
geleistet worden ist.
Ab Erscheinen dieses Lexikons gehören Angaben zur Synchronisation als
Pflichtinformation in jedes deutschsprachige Schauspielerlexikon und
in jedes deutschsprachige Lexikon internationaler Filme: für beides
die Materialgrundlage gelegt zu haben, ist das große Verdienst
Bräutigams. Es wäre sehr zu wünschen, daß er seine Detektivarbeit
retrospektiv auf die gesamte Tonfilmzeit ausweitet und fortsetzt und
dazu seine Ergebnisse in noch effektiverer Form präsentiert.
Wilbert Ubbens
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