Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
[ Bestand in K10plus ]

The encyclopedia of ephemera


01-2-248
The encyclopedia of ephemera : a guide to the fragmentary documents of everyday life for the collector, curator, and historian / by Maurice Rickards. Ed. and completed by Michael Twyman. With the assistance of Sarah du Boscq de Beaumont and Amoret Tanner. - 1. publ. - London : British Library, 2000. - X, 402 S. : Ill. ; 30 cm. - ISBN 0-7123-4679-1 : œ 35.00
[6646]

Der Kollege, der diesen Titel im SWB ursprünglich als Das Ephemere / Wörterbuch verschlagwortete, lag damit sicherlich nicht richtig. Bayerische Kollegen, die einen anderen diesbezüglichen Titel von Maurice Rickards[1] zu beschlagworten hatten, wählten für die englische Ausgabe Gebrauchsgraphik für die identische amerikanische dagegen Gelegenheitsschrift / Sammlung, was beides gleichfalls die Sache nicht trifft. Angemessen wäre Akzidenzdruck oder Ephemere Drucksache, während der Begriff Alltagsgrafik, den der in Österreich existierende Verein für Alltagsgrafik im Namen führt,[2] die Sache unnötig einzuengen scheint. Recherchiert man mit dem Stichwort Ephemera in deutschen und in britischen Verbundkatalogen, so erhält man in letzteren eine signifikant höhere Treffermenge, was nicht allein mit dem im Englischen eingebürgerten Begriff zusammenhängt, sondern mit dem Interesse öffentlicher Institutionen, vor allem natürlich von Bibliotheken an diesem Material, das sie nicht verschmähen, sondern dankbar in ihren Bestand aufnehmen, wenn sich ein Sammler davon trennt. Daß die großen anglo-amerikanischen Auktionshäuser immer wieder Sammlungen von ephemera in ihren Katalogen anbieten, sei nur beiläufig erwähnt. So wundert es auch nicht, daß sich der Gegenstand in England sogar akademischen Interesses erfreut, wofür das Centre for Ephemera Studies in Reading (das jetzt auch die Sammlung von Rickards besitzt) stehen mag. Auch wenn das Wort ephemera in der anglophonen Welt eingebürgert ist, so gibt es auch dort keine Einigkeit darüber, was darunter zu subsumieren ist. Die allgemeinste und allgemein akzeptierte Definition ist die von Rickards in seinem vorstehend erwähnten Werk verwendete: "minor transient documents of everday life" (S. 7).

Eine Summe des Wissens über dieses Gebiet stellt die von Maurice Rickards begonnenen, aus seinem Nachlaß herausgegebene und - durch neue Artikel zahlreicher Beiträger - wesentlich vermehrte Encyclopedia of ephemera dar, wobei man allerdings einschränkend hinzufügen muß (was auch der Herausgeber tut), daß sie sich primär auf anglo-amerikanische Verhältnisse beschränkt. Die etwa 500 Artikel beginnen bei ABC primer also Fibeln, die ja als Bibliotheksgut keineswegs unbekannt sind und enden mit Zo‰trope strip/disc, das sind Bildstreifen, die in einer 1834 erfundenen Apparatur angebracht wurden, welche beim Drehen vor dem Auge des Betrachters einen Bewegungsablauf vortäuschte. Dazwischen gibt es soz. nichts an Bedrucktem, das nicht gesammelt werden kann. Da es die Herausgeber versäumt haben, ein typologisches Register der Objekte zu erstellen, ist es schwer, Verwandtes zusammenzubringen (das alphabetische Register, das auch Personen und Firmen nachweist, kann diesen Mangel nur bedingt ausgleichen). Nur ausnahmsweise sind verwandte, auf einen Anlaß bezogene Akzidenzdrucke unter einem Oberbegriff zusammengefaßt, so bei funeralia. Die Artikel schließen z.T. mit Literaturangaben oder benennen einschlägige Sammlungen. Unter bookseller's labels findet man nur die Roland Knaster Collection in der Guildhall Library in London, nicht dagegen die Privatsammlung von Reinhard Öhlberger, deren Katalog weiter unten (IFB 01-2-250) besprochen wird; wenn man diesen durchsieht, wird man auch die Behauptung der Encyclopedia relativieren müssen, daß "(the) use of bookseller's labels is predominantly an English-language practice" (S. 62). Unter Beer mat sind immerhin zwei nicht-anglo-amerikanische Sammler-Vereinigungen genannt, nämlich der Internationale Brauereikultur-Verband und die German Breweriana Collector Society (deren deutscher Name den Herausgebern nicht bekannt war); daß die einschlägige Bibliographie über Bierfilze[3] nicht verzeichnet ist, erklärt sich aus dem eingangs benannten regionalen Schwerpunkt der Encyclopedia und mit der Veröffentlichungsform der Bibliographie, die in bibliothekarischer Terminologie der grauen Literatur zuzurechnen ist.

Obwohl es auch in kontinentaleuropäischen Bibliotheken und Museen Ephemera-Sammlungen gibt, ist kaum anzunehmen, daß wir ein der Encyclopedia of ephemera entsprechendes Lexikon erwarten können, dazu gar eines, das eine Nationalbibliothek durch Aufnahme in ihr Verlagsprogramm adelt, wie hier die British Library.

Klaus Schreiber


[1]
Collecting printed ephemera / Maurice Rickards. - 1. publ. - Oxford : Phaidon Press [u.a.], 1988. - 224 S. : Ill. - ISBN 0-7148-8051-5. - Amerikanische Ausg.: New York : Abbeville Press, 1988. - ISBN 0-89659-893-4.
Ferner: Printed ephemera : collection, organisation and access / Alan Clinton. - 1. publ. - London : Bingley, 1981. - 125 S. - ISBN 0-85157-337-1. (zurück)
[2]
So auf S. 367 in der Liste Collections and societies als einzige deutschsprachige Körperschaft genannt; die Bezeichnung erscheint allerdings nur als Zusatz zum (hier nur englisch zitierten) Namen Ephemera Gesellschaft Österreich. Auf ihrer Homepage (http://members.aon.at/ephemera/start.htm) gibt sie folgende Definition: "Alles ursprünglich zum einmaligen Gebrauch Gedruckte, Gepresste, Gestanzte oder Gestempelte, in irgendeiner Weise Gestaltete aus Papier, Pappe, Karton, Aluminium oder Kunststoff nennt man 'Ephemera'". Der Sammler heißt entsprechend 'Ephemerist'. (zurück)
[3]
Bierfilz-Bibliographie : BfB ; Bibliographie selbständiger und unselbständiger deutschsprachiger Literatur bis 1983 / Sabine Rall ... - Überarbeitung und verb. Ausg. des Manuskripts vom Mai 1984 / Werner Schmidt. - München ; Würzburg : W. Schmidt, 1984. - 47 S. ; 21 cm. (zurück)

Zurück an den Bildanfang