In der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Deutschen Staatsbibliothek
wurden seit 1951 (neben der Erwerbung aktueller KJL) alte
Kinderbücher, auch fremdsprachige, aus Bibliotheken und
Privatsammlungen der DDR zusammengeführt. Auf den Kinderbuchbestand
der ehemaligen Preußischen Bibliothek konnte nicht zurückgegriffen
werden, da er als "restlos verloren gegangen betrachtet werden
mußte",[2] 1997 verfügte die Abteilung über einen Gesamtbestand von
145.000 Bänden,[3] deren historische Bestände (1997: 50.000 vor 1945
erschienene Bände) in den Wegehaupt-Bänden (1979, 1985) dokumentiert
sind und die ab 1995 in Auswahl (meist) halbjährlich in
Akzessionslisten[4] veröffentlicht werden. Aber auch in anderen
Bibliotheken der ehemaligen DDR sind Kinderbuchbestände vorhanden und
wurden bzw. werden auch gepflegt, z.B. in der StB Magdeburg,[5] der UB
Berlin (Humboldt-Universität), der SLB Dresden, der FLB Gotha, der ULB
Halle, der ULB Jena, der UB Leipzig, der HAAB Weimar, zudem in
Spezialbibliotheken und Museen wie der Bibliothek für
Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin (die ehemalige Deutsche
Lehrerbücherei),[6] im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Leipzig oder im
Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig.
Alte deutsche Kinderbücher III mit dem Berichtszeitraum 1524 - 1900
verzeichnet die Neuerwerbungen der Kinder- und Jugendbuchabteilung ab
dem Redaktionsschluß der beiden ersten Bände sowie die Bestände von 33
Bibliotheken bzw. Sammlungen (17 Universitäts-, Landes- und
Stadtbibliotheken, 7 Spezial- und Schulbibliotheken, 4 Museen, 4
Privatsammlungen, 1 Archiv). Dabei befinden sich außer den bereits
oben erwähnten Bibliotheken weitere altehrwürdige Institutionen wie
die Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle, die
Bibliothek der Landesschule Pforta in Schulpforta, auch das Deutsche
Spielzeugmuseum in Sonneberg oder die Bibliothek der
Puppentheatersammlungen in Dresden. An dieser Stelle muß auf einen
besonderen Umstand hingewiesen werden: "Die Erfassung der alten
Kinderbücher in den Bibliotheken war bereits vor der Wiedervereinigung
abgeschlossen" (Vorw., S. 2), aber der damals mit der Herausgabe
betraute Kinderbuchverlag brachte die Fertigstellung aufgrund von
langwierigen Verkaufsverhandlungen und Eigentümerwechsel nicht
zustande. Erst spät konnte der Verlag Hauswedell, der bereits die
beiden Vorgängerbände in Lizenz in Westdeutschland herausgebracht
hatte, mit der Herstellung beginnen (S. 2). Nach Redaktionsschluß an
Bibliotheken oder Museen übergegangene Privatsammlungen sind daher
noch als solche verzeichnet bzw. ohne Standortangabe als "inzwischen
aufgelöste Privatsammlungen" mit "o0" nachgewiesen (S. 4). So werden
z.B. die Titel der seit 1991 im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig
betreuten Sammlung Vogel noch als dessen Privatsammlung angegeben.[7]
Keine Berücksichtigung fanden Kinderbücher der Sammlung Klemm, die
1990 vom Deutschen Buch- und Schriftmuseum erworben wurden und vorher
offensichtlich Wegehaupt nicht zugänglich waren.[8]
Bd. 3 war als Ergänzung der ersten beiden Kataloge geplant. "Es war
nicht die Absicht, den gesamten Bestand an alten Kinderbüchern der
jeweiligen Bibliothek zu ermitteln und zu verzeichnen [...], für jeden
neu gefundenen Titel alle Standorte zu ermitteln"; wurde "ein Titel
jedoch nochmals wahrgenommen", "dann ist auch dieser Standort
vermerkt" (S. 2). Bücher, die bereits in den ersten Wegehaupt-Bänden
verzeichnet sind, erfahren keine neue Aufnahme, es sei denn, es wurde
eine dort nicht vorhandene andere Auflage gefunden. Bd. 3 stellt somit
keinen vollständigen Katalog der Kinder- und Jugendbuchbestände der
ehemaligen DDR dar - in der Art wie die beiden Vorgängerbände bei
ihrem jeweiligen Redaktionsschluß einen Katalog der KJA bildeten. Er
ist ein weiterer sehr wichtiger Baustein zur Quellenverzeichnung und
somit auch Quellensicherung historischer KJL, der mit seinen 4218
Titeln gleichzeitig einen Großteil der in KJL-Sammlungen der früheren
DDR befindlichen Werke anzeigt. Er stellt zudem die Bibliotheken und
Museen vor, die überhaupt über KJL-Bestände verfügen und vielleicht
auch für Wissenschaftler und Bibliothekare interessant werden können,
die Recherchen zu der nach 1900 erschienenen KJL anstellen.
In seiner Vorrede stellt Heinz Wegehaupt kurz einige der Bibliotheken
vor, in denen er recherchiert hat, und geht auf die frühere Behandlung
von Kinderbüchern in Bibliotheken ein (als Pflichtexemplare usw. "eher
als Last, denn als Bereicherung empfunden", S. 1), die nur in den
seltensten Fällen als KJL gesondert aufgestellt oder verzeichnet
wurden (als Paedagogica practica z.B.). Immerhin gibt es außer in der
Deutschen Staatsbibliothek auch in der Stadtbibliothek Magdeburg (seit
1968) und in der LB Dresden (seit 1985) speziell aufgestellte
umfangreiche Kinderbuchsammlungen.[9]
Die Kinder- und Jugendliteratur sieht Wegehaupt in ihrem gesamten
Spektrum "in Beispielen vertreten". "Alle Gattungen, Genres und
Erscheinungsformen sind repräsentiert" (S. 2). Wie jedoch bereits in
den Vorgängerbänden sind Periodika (Zeitschriften, Jahrbücher,
Kalender) nicht berücksichtigt. Verzeichnet sind Titel, die zwischen
1524 (Ulrich Zwinglis leerbiechlein, Nr. 4217) und 1900 erschienen
sind. Erstaunlich ist die große Anzahl der frühen Schriften: 34 vor
1600, 59 zwischen 1600 und 1700 (im Vergleich: Bd. 1: 6 Nennungen vor
1600, 14 Nennungen zwischen 1600 und 1700). Neben der ersten
deutschsprachigen Ausgabe des Zucht- und Sittenlehrbuches des
Reformators Zwingli[10] findet sich auch das Anstandsbuch De civilitate
morum puerilium des Erasmus von Rotterdam in vielen Ausgaben,
deutschen Übersetzungen und Bearbeitungen (Erstausgabe 1530, Nr. 814)
oder die Kinder-Lustspiele des Jacob Cats, ein reich bebildertes
Sittenbuch aus dem Jahr 1657 (Nr. 551). Als Beispiel für die
philanthropistische KJL sei Joachim Heinrich Campe genannt, der mit 45
Nennungen vertreten ist, darunter auch die Erstausgabe seines Robinson
der Jüngere (1779, Nr. 503), für die romantische KJL die Kinder- und
Hausmärchen der Brüder Grimm (Erstausgabe des ersten Bandes 1812 sowie
weitere Ausgaben, auch Teil- und Einzelausgaben, Nr. 1252 - 1265), für
die Zeit des Biedermeier die Kindererzählungen Christoph von Schmids
(Nr. 3250 - 3313, z.B. Die Ostereier, Nr. 3289 ff.) sowie die bereits
an populäre Unterhaltungsmuster angelehnten Jugenderzählungen Amalia
Schoppes (Nr. 3377 - 3393, z.B. Florindo und Corallina oder: Die
beiden kleinen Savoyarden, 1833, Nr. 3384) oder Gustav Nieritz' (Nr.
2637 - 2721, z.B. Der Bettelvetter oder: die drei Bleikugeln, 1845,
Nr. 2646). Die Auswirkungen des Modernisierungsprozesses zeigen sich
besonders in der Sachbuchproduktion, mit der u.a. der Spamer-Verlag
- publiziert in unterschiedlichsten, auch die ganze Familie
ansprechenden, Reihen - ab der Mitte des 19. Jahrhunderts hervortrat
(z.B. Die Wunder des Mikroskops, 1866, Nr. 4057). Für Imperialismus
und Kaiserreich soll Franz Ottos (d.i. Otto Spamer) und Oskar Höckers
Das große Jahr 1870: Gedenkbuch aus der Zeit des Nationalkrieges gegen
Frankreich genannt werden (4. Aufl. 1886, Nr. 3596), für die Anfänge
der sozialistischen Literatur das Bilderbuch Arm und Reich: der Arbeit
ABC (um 1894, Nr. 112). Mädchenliteratur und Backfischromane werden
aufgeführt von Bertha Clément, Frida Schanz, Clara Cron, Brigitte
Augusti, Marie von Felseneck u.a.m. (z.B. Mary: Mädchenspiegel in
Briefen von Clara Cron, 1868, Nr. 634).
In der Praxis der bibliographischen Arbeit hat sich Wegehaupt III
bereits bewährt. Die Rezensentin fand einige lange gesuchte - bei
Recherchen in Spezialbibliographien, Verbundkatalogen und nach
Fernleihdurchgängen nicht nachgewiesene - Erstausgaben und hat sie
auch schon autopsieren können, z.B. Peter Roseggers Als ich noch der
Waldbauernbub war (1900, Nr. 3096) oder Franz Poccis Lustiges
Komödienbüchlein (Bd. 1, 1859, Nr. 2902). Wie die Vorgängerbände ist
auch der dritte Teil eine Fundgrube für Forscher, Bibliothekare und
Sammler und für die Universitäts- und Institutsbibliotheken ein
bibliographisches Nachweisinstrument über Bestände, die noch kaum über
die Internetkataloge nachweisbar sind.
Aufgenommen sind die Titel - KJL, auch fremdsprachige, des
deutschsprachigen Raums, also auch die z.B. in Wien oder Zürich
erschienenen Drucke - wie in den beiden ersten Bänden - mit einer
(optischen) Änderung: Das Auffinden eines gesuchten Titels oder Namens
wird erheblich einfacher durch den bei Autorennamen und den Anfängen
anonymer Sachtitel jetzt benutzten Fettdruck. Die Titelwiedergabe ist
genau und gibt bei Büchern, die bis 1700 erschienen sind, auch den
Zeilenbruch an. Hier werden jedoch nicht immer auch die
Erscheinungsdaten (Ort, Verlag, Drucker, Jahr) mit einbezogen, des
öfteren ist das Impressum auch bei den alten Drucken normiert
aufgeführt. Die Autoren sind meist mit Lebensdaten, evtl. der Angabe
von Pseudonymen oder wirklichen Namen und knapper Berufsangabe o.ä.
sowie einer Verweisung auf die Vorgängerbände versehen; nicht ganz
klar ist, ob bei fehlenden Angaben keine biographischen Daten zu
ermitteln waren (S. 3). Die Bücher sind mit Titel, Untertitel(n),
Personenangabe inkl. Berufs- oder ähnlichen Angaben, Angaben zur
Ausstattung sowie Ausgabenbezeichnung - wie auf dem Titelblatt
angegeben - verzeichnet. Normiert folgen Ort, Verlag (genau nach
Vorlage mit Verlegervornamen z.B.) und Jahr sowie Paginierung und
Format in cm; mit Sigel oder Abkürzung ist der Standort vermerkt. Der
größte Teil der Titel ist noch mit einem typographisch abgesetzten
kurzen Kommentar versehen, der Illustration und Ausstattung beschreibt
und Angaben zu eventuellen Einzelbänden, zum Inhalt (knapp) und teils
zur Druckgeschichte macht (bei späteren Ausgaben wird immer die
Erstausgabe genannt). Außerdem werden bibliographische Nachweise (fast
ausschließlich Bibliographien und Kataloge aus dem KJL-Bereich)
aufgeführt; berücksichtigt sind hier auch erst nach Redaktionsschluß
erschienene Bibliographien.[11] Wie bei den Personenangaben gibt es auch
bei den Kommentaren Verweisungen auf die Vorgängerbände.
Die Bibliographie ist alphabetisch nach Verfassern und anonymen
Sachtiteln angelegt und wird durch acht Register erschlossen:
Chronologische Übersicht; Verzeichnis der Verlage nach Orten (ohne
Angabe von Bibliographienummern); Verzeichnis der Titel ohne
Verlagsangabe nach Orten gegliedert; Verzeichnis der Titel ohne Orts-
und Verlagsangabe; Verlagsregister; Titelregister; Register der
Illustratoren und Stecher; das Verfasser- und Herausgeberregister für
Band I - III erschließt erfreulicherweise das Gesamtwerk. Dagegen
bricht die Chronologische Übersicht leider bei 1850 ab, ein Umstand,
der lt. Auskunft von Heinz Wegehaupt von der Entstehungs- und
Publikationsgeschichte seiner Bibliographien herrührt. Interessant für
diesen Band wäre auch ein Standortverzeichnis.
Die Bibliographie ist mit zahlreichen, meist farbigen Abbildungen
(Titelseiten, Tafeln und Textillustrationen) ausgestattet und bietet
damit auch optische Anreize zum Blättern, Hinschauen und Entdecken.
Gleichsam 'nebenher' kann hier auch in Ansätzen die Entwicklung der
KJL-Illustration in Beispielen betrachtet werden. Der dunkelblaue
Leineneinband mit Illustration und Titulatur auch auf dem Vorderdeckel
(im Gegensatz zu den Vorgängerbänden gibt es keinen Schutzumschlag)
unterstreicht die Gediegenheit dieses ansprechenden Werks.
Maria Michels-Kohlhage
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