Gregor Haenlin (1589 - 1650) stammte aus dem protestantischen Tübingen, konvertierte aber 1610, als er Drucker im katholischen Dillingen wurde. Während er dort nur 23 Drucke herausbrachte, erschien der Rest seiner und der Druckproduktion seines Sohnes (ab 1650) von momentan 748 bekannten Titeln in Ingolstadt. Wie in allen Universitätsstädten der frühen Neuzeit entfiel der Löwenanteil der Drucke auf das akademische Schrifttum. Haenlin druckte mindestens 340 Dissertationen. Ansonsten entsprach sein Sortiment dem typischen Literaturangebot einer katholischen Universitätsstadt mit katholisch-religiöser Literatur wie Periochen von Jesuitendramen, Predigten, Erbauungsliteratur, Kalender und - eine Spezialität Haenlins - Musikalien. Seine Drucke zeichneten sich durch hohe Qualität aus.
Diese ausgewählten Gattungen stellt Frau Boge nach einer ausführlichen
Abhandlung über die Offizin vor, bevor sie sich dann im chronologisch
angelegten Hauptteil der bibliographischen Beschreibung der Drucke
widmet. Sie wendet dabei eine Methode an, die man wegen des Umfangs
der Titelbeschreibung von oft einer Druckseite wohl nur bei eng
begrenzten Vorhaben wählen kann, die aber mit ihren unzähligen
Detailinformationen dem Fachwissenschaftler wie dem Buchkundler großen
Gewinn bringen. Nach einer Kurztitelaufnahme folgt die diplomatische
Titelaufnahme, der Kollationsvermerk, zahllose Informationen über die
Druckausstattung, die sehr wertvollen Nachweise von literarischen
Beiträgern wie Vorrednern oder Gratulationspoeten sowie von
Widmungsempfängern. Die Besitznachweise enthalten neben den Signaturen
auch sämtliche Provenienzen und stellen so einen wichtigen Beitrag zur
exemplarspezifischen Erschließung alter Drucke dar. Den Abschluß
bilden bibliographische Belegstellen ohne Anspruch auf
Vollständigkeit, in vielen Fällen auf die monumentale Biobibliographie
des Jesuitenordens.[1] Das Ganze wird durch einen vorzüglichen
Registerteil erschlossen, in dem nur das Numerischchronologische
Register (S. 939 - 982), eine reine Wiederholung der
Kurztitelaufnahmen im Hauptteil, den Rezensenten nicht überzeugen
kann.
Eine biographische Fundgrube ist das Personenregister, das Autoren,
Widmungsempfänger, Gratulationspoeten, Vorbesitzer usw., kurz alle
irgendwie vorkommenden Personen nachweist und zwar nicht nur dem Namen
nach, sondern mit den wichtigsten biographischen Eckdaten und dem
Vermerk, ob sie als Verfasser, Vorredner, Beiträger, Illustrator,
Vorbesitzer usw. vorkommen. Das alphabetische Register verweist nicht
nur auf eine Nummer im Hauptteil, sondern liefert auch noch einmal
eine Kurztitelaufnahme. Der Universitätshistoriker ist dankbar für das
Defendenten- oder Respondentenregister sowie das Register der einem
Präses unterstellten Defendenten, zeigt doch gerade ersteres in vielen
Fällen die Lücken der Ingolstädter Universitätsmatrikel[2] auf. Bei den
Dissertationen wäre allerdings noch genauer zwischen Übungs- und
Inauguraldissertationen zu unterscheiden. Frau Boge spricht in einer
Reihe von Fällen vom Promotionsdatum, obwohl es sich nach Befragung
der Promotionsmatrikel von Resch/Buzas[3] eher um Übungsdisputationen
gehandelt haben dürfte. Andererseits finden wir hier nun vielfach die
zu den Promotionen gehörenden Drucke der Inauguraldissertationen, die
bei Resch/Buzas fehlen.
Mit der vorliegenden Druckermonographie und -bibliographie hat Frau
Boge, die bereits früher durch umfangreiche Publikationen zum
katholischen Buchdruck der frühen Neuzeit hervorgetreten ist,[4] das
Wirken eines bedeutenden Druckers des 17. Jahrhunderts und damit den
wichtigen Druckort Ingolstadt mustergültig vorgestellt. Ihr Werk zeigt
beispielhaft, daß Bibliographie wesentlich mehr als Titelverzeichnung
sein kann, wenn man sie im Sinne des englischen Terminus bibliography
als Buchkunde begreift.
Sie schließt damit an die Verzeichnisse von Stalla[5] an, der Gregor
Haenlin ja in seinem zweiten Verzeichnis bewußt aussparte. Es ist wohl
nicht zu erwarten, daß jemand sich ähnlich viel Mühe machen wird, um
den Druckort Ingolstadt für das 17. Jahrhundert mit den wichtigen
Offizinen Eder und Ostermaier komplett zu erschließen.
Auch wenn im VD 17 mit momentan schon 1874 Ingolstädter Titeln - davon
594 von Haenlin - und im Münchener Altbestandskatalog[6] Ingolstädter
Drucke bereits recht umfangreich nachgewiesen sind, machen diese
Datenbanken Detailuntersuchungen wie die vorliegende nicht
überflüssig. Angesichts einer derart überzeugenden Leistung kann man
nur hoffen, daß Frau Boge ihren Schwur bricht, nie mehr eine
Bibliographie vorlegen zu wollen. Nur schade, daß sich für den Druck
dieser gehaltvollen Monographie kein Sponsor gefunden hat. Der enorme
Ladenpreis wird die wünschenswerte Verbreitung des Buches empfindlich
behindern.
Manfred Komorowsk
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