Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
[ Bestand in K10plus ]

Duden, Wörterbuch geographischer Namen des Baltikums und


01-1-137
Duden, Wörterbuch geographischer Namen des Baltikums und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) : mit Angabe zu Schreibweise, Aussprache und Verwendung der Namen im Deutschen = Duden, Dictionary of geographical names of the Baltic States and of the Commonwealth of Independent States (CIS) / zsgest. und bearb. von Hans Zikmund. Hrsg. vom Ständigen Ausschuss für Geographische Namen (StAGN). - Mannheim [u.a.] : Dudenverlag, 2000. - [16], 862 S. ; 20 cm. - ISBN 3-411-70591-4 : DM 148.00
[6257]

Im Europa-Band des Geographie-Duden von 1966[1] blieb die damalige Sowjetunion noch ausgeklammert. Für sie war ein eigener Band vorgesehen, den der Ständige Ausschuss für Geographische Namen nunmehr nach über drei Jahrzehnten vorlegt. Das von Hans Zikmund bearbeitete Wörterbuch behandelt in ca. 30.000 Einträgen die Territorien der GUS-Staaten und der drei baltischen Republiken. Daß angesichts dieses riesigen Gebietes nur eine Auswahl aus dem geographischen Namengut geboten werden kann, schmälert die Leistung des Bearbeiters nicht, denn aufgrund der politischen Umwälzungen der jüngsten Zeit und der enormen sprachlichen Vielfalt ist die Materie an Komplexität kaum zu überbieten. Entsprechend mußte eine Vielzahl von Quellen - von Landkarten bis hin zu linguistischen Spezialabhandlungen - herangezogen werden, die in der umfangreichen, Eigenwert besitzenden Bibliographie (S. 825 - 862) nach Staaten bzw. Sprachen geordnet aufgeführt werden (leider ohne Kennzeichnung der jeweils maßgeblichsten Publikationen). Daneben enthält der Anhang ein sehr nützliches systematisches Verzeichnis der Verwaltungseinheiten (S. 693 - 771) aller behandelten Staaten sowie eine Übersicht über die Alphabete der einzelnen Sprachen, ihre Transliteration und deutsche Transkription, unterschieden nach Staats- bzw. Amtssprachen, Minderheitensprachen und Amtssprachen anderer Staaten (S. 771 - 817) und schließlich Hinweise zur Aussprache (S. 817 - 824). Mit einem zusätzlichen englischsprachigen Titelblatt und zweisprachigen Einleitungen vermittelt der Verlag den Eindruck, auch auf den internationalen Markt zu zielen, doch ist das Werk speziell für den deutschsprachigen Benutzer gedacht. Inhalt und Gestaltung der Einträge orientieren sich an den Prinzipien des Europa-Bandes, doch gibt es auch einige Unterschiede zu vermerken. Bei der geographischen Information geht der neue Band weiter als sein Vorgänger und bietet z.B. auch Einwohnerzahlen und Größenangaben (Länge von Flüssen, Höhe von Bergen etc.); die geographische Länge und Breite war auch bereits im Europa-Band genannt. Die Angaben zur Aussprache hingegen wurden gekürzt: Anstatt vollständiger Umschrift aller Stichwörter in internationaler Lautschrift werden nur noch die zu betonenden Silben angegeben. Der ehrgeizige Plan des Bearbeiters, auch die bedeutungstragenden Namensbestandteile zu erläutern, konnte bedauerlicherweise nicht verwirklicht werden.

Bei Namen aus nicht-lateinischen Alphabeten trifft der Benutzer neben der Originalschreibung jeweils auch Transliteration (d.h. eine exakte, eher für wissenschaftliche Zwecke geeignete Umschrift) und Transkription (d.h. eine vergröbernde, eher für populäre Zwecke geeignete Umschrift) an. Während die Transliterationen den Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK) und damit einem anerkannten, auch in der Kartographie üblichen Standard folgen, präsentiert der Bearbeiter bei der Transkription aus dem Russischen überraschend eine neue Variante, die in einigen Punkten von der herkömmlichen, aus dem Duden und dem Österreichischen Wörterbuch bekannten Schreibung abweicht. Das Weichheitszeichen beispielsweise (es beeinflusst den Charakter des vorangehenden Konsonanten, ohne immer einen eigenen Lautwert zu besitzen) fällt nicht mehr unter den Tisch, sondern wird in einigen Positionen als j wiedergegeben (z.B. Charjkow statt Charkow). Ob dies den unbedarften Leser nicht auf eine falsche Fährte lockt, sei dahingestellt. Zikmund jedenfalls ruft in der Einleitung dazu auf, die "traditionellen, weniger exakten Transkriptionsformen (...) tunlichst durch ihre hier gebotenen exakteren Entsprechungen" zu ersetzen (S. 13), so daß es eigentlich konsequent gewesen wäre, diese auch als Lemmata zu verwenden. Da es aber keineswegs sicher ist, daß sich dieser Sonderweg wirklich durchsetzt - und man kann nur hoffen, daß er es nicht tut - ist halbfett und an erster Stelle weiterhin die gebräuchliche Duden-Schreibung verwendet, die die meisten Benutzer deshalb automatisch als Hauptform identifizieren und auch künftig benutzen werden, nicht etwa die transliterierte Form, die für RAK (und die wissenschaftliche Kartographie) maßgeblich ist. Diese ist erst - zusammen mit dem kyrillischen Original - in der Mikrostruktur der Lemmata genannt und gibt Anlaß zu vielen Verweisungen, die den Band aufschwemmen. Für die Ansetzung nach RAK können also nicht die gewählten Haupteintragungen nach Duden verwendet werden, sondern nur die transliterierten Formen. Noch auf eine weitere Eigentümlichkeit des Werkes sei hingewiesen: die große Zahl 'dubletter' Einträge. Denn überall dort, wo es zwei gleichberechtigte Sprachformen für dasselbe Geographikum gibt (z.B. eine russische und eine weißrussische Version), werden auch zwei volle Einträge geschrieben, die sich dann nur durch das gewählte Stichwort und die Reihenfolge der Sprachangaben unterscheiden. So kommt es, daß ein Großteil der Geographika beispielsweise aus Belarussien, Kasachstan und Kirgisistan doppelt auftaucht - zum Teil auch noch unmittelbar hintereinander (z.B. Iwazewitschi und Iwazewitschy), was für den Benutzer recht verwirrend ist und viel Platz kostet. Hätte sich das Problem nicht auch mit entsprechend formulierten Verweisungen lösen lassen? Insgesamt gesehen freilich handelt es sich um ein wichtiges, lange erwartetes Nachschlagewerk, das den Umgang mit geographischen Namen des Baltikums und der GUS künftig sehr erleichtern wird.

Heidrun Wiesenmüller


[1]
Duden, Wörterbuch geographischer Namen : Europa (ohne Sowjetunion) / bearb. und hrsg. von dem Ständigen Ausschuss für Geographische Namen unter dem Vorsitz von E. Meynen ... - Mannheim : Bibliographisches Institut, 1966. - XL, 740 S. - (Duden-Wörterbücher). (zurück)

Zurück an den Bildanfang