Positiv fällt auf, wie sorgfältig sowohl die Begriffsgeschichte als auch die Geschichte des Faches dargestellt wird. Die disziplinären Auseinandersetzungen sind gut wiedergegeben, so daß man ein differenziertes Bild bekommt. Der Herausgeber erwähnt im Vorwort, daß das Wörterbuch der Ethnologie ursprünglich ein Projekt junger Vertreter des Faches war, die die Ethnologie nach außen darstellen wollten und daß die erste Auflage dann aber vor allem bei den Studenten zur Prüfungsvorbereitung beliebt war. Die zweite Auflage erfüllt weiterhin beide Funktionen.
Bemerkenswert ist auch, wie oft und eingehend die Beziehungen zu benachbarten Wissenschaften wie z.B. zur Soziologie oder zu den Wirtschaftswissenschaften behandelt werden; so wird beispielsweise mehrfach der Soziologe und Nationalökonom Max Weber genannt, der vielfach die ethnologische Diskussion und Forschung angestoßen hat. Auch die Themenauswahl zeugt von einem lebendigen Austausch mit anderen Sozial- und Geisteswissenschaften, beispielsweise in den Artikeln Krieg, Stadt oder Staat.
Kritisches zum Wörterbuch der Ethnologie läßt sich kaum anführen; es
ermöglicht einen umfassenden und differenzierten Überblick über das
Fach und seine Geschichte, wobei das Sachregister den punktuellen
Zugriff auf den Inhalt der 80 durchschnittlich 3 - 4 Seiten
umfassenden Artikel gewährleistet. Durch die relative Länge der
Artikel erhält der Leser einen zusammenhängenden Überblick. Dadurch
unterscheidet es sich sich vom Wörterbuch der Völkerkunde,[2] das bei
gleichem Umfang ca. 1250 Artikel enthält und sich somit primär auf
kurze Definitionen und Literaturangaben beschränkt. Das vorstehend
(IFB 01-1-116) besprochene Taschenwörterbuch der Ethnologie hat eine
andere Ausrichtung: Es enthält mehr kurze Artikel unter Einbeziehung
von Personenartikeln bei weniger bibliographischen Angaben; es
behandelt zwar gleichfalls die einzelnen Richtungen der Disziplin doch
läßt sich die Perspektive der französischen Ethnologie nicht ganz
verleugnen.
Während große bzw. Fachbibliotheken alle drei Lexika anschaffen
werden, würde meine Wahl für den Informationsapparat kleinerer
Bibliotheken auf die beiden "Wörterbücher" fallen, die in Kombination
ein angemessenes, aktuelles Bild der Ethnologie bieten.
Jürgen Plieninger
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