Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
[ Bestand in K10plus ]

Weltmusik


01-1-097
Weltmusik : [von der Salsa zum Soukous, vom Cajun zum Calypso, ... das ultimative Handbuch ; mit 2000 CD-Empfehlungen] / hrsg. von Simon Broughton ... Aus dem Englischen von Monika Woltering ... Red. der deutschen Ausg. Mirella Bauerle. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2000. - XIII, 890 S. : Ill. ; 24 cm. - (Rough guide). - Einheitssacht.: World music <dt.>. - ISBN 3-476-01532-7 : DM 58.00
[6235]

Nach den beiden in derselben ungezählten Reihe erschienenen deutschsprachigen Bänden Rock[1] und Jazz[2] liegt nun der ursprünglich bereits für September 1998 angekündigte Band Weltmusik vor, dessen Publikation hinausgezögert wurde, um Material aus der 2. englischen Auflage einbeziehen zu können (s.u.). Mit seinen fast tausend Seiten weicht er vom Konzept der beiden anderen Bände grundsätzlich ab. Waren die Bände Jazz und Rock eigenwillige, jedoch gelungene Formen einer neuartigen Lexikon-Konzeption,[3] so stellt der Band Weltmusik eher ein Kompendium oder gar ein Lesebuch dar. Er präsentiert die Musik von über hundert verschiedenen Ländern und Regionen in Artikeln von mehr als achtzig Experten und enthält neben 600 Photos und Album-Cover auch Adressen von Plattenlabels und Plattenläden sowie Hinweise auf Festivals und andere Veranstaltungstips.

In einer kurzen Einleitung wird der Aufbau des Bandes erläutert sowie der Begriff "Weltmusik" aus der Problematik der Schallplattengeschäfte heraus definiert, die zunächst nicht wußten, in welcher Rubrik sie die Platten mit Ethnopop, Folklore usw. unterbringen sollten. Inzwischen hat sich der Begriff "Weltmusik" oder "World music" international seit über zehn Jahren etabliert, obwohl er natürlich nicht eindeutig ist und den Hauch von "Sonstigem" behält.

Die einleitenden Seiten VI und VII enthalten eine graphische Übersicht über den Aufbau des Buches, dessen insgesamt 15 Kapitel den verschiedenen Weltregionen entsprechen. So beginnt nach einer kurzen Einleitung Kapitel 1. Die keltische Welt mit Artikeln über Irland, Schottland, Wales, die Bretagne und England. Kapitel 2 ist Island und Skandinavien gewidmet, Kapitel 3. Von den Alpen nach Osten befaßt sich mit der alpenländischen Musik (hier findet man u.a. die Biermösl Blosn sowie österreichische und schweizerische Artverwandte) und führt dann nach einem Abschnitt über Schrammeln nach Osteuropa: über den Balkan nach Serbien, Georgien, Armenien, Russland und die Ukraine. Die größte Schwäche des Bandes liegt wohl in der abschätzigen Bewertung der Musik der ehemaligen UdSSR. Der international bekannte Chor der Roten Armee wird unter den Begriff "Falschklore" subsumiert. So finden Abrechnungen statt; jedenfalls kann man so der vielfältigen Musikszene der ehemaligen Sowjetunion nicht gerecht werden. Kapitel 4. Mittelmeerraum und Maghreb führt nach Marokko, Mauretanien und Algerien zu Flamenco und Fado und endet in Griechenland und der Türkei. Kapitel 5. Der Nil und die Golfregion widmet sich der arabischen Musik, Palästina, dem Sudan und Äthiopien. Vier Superstars aus Kairo werden porträtiert: Sayed Darweesh, Abd el-Halim Hafez, Mohammed Abd el-Wahaab und die legendäre Umm Kalsum. Ein separater Artikel beschreibt unter der Überschrift Die Kairoer Hitfabrik moderne ägyptische Musik. In Kapitel 6. Westafrika werden neben Mali, Guinea, Gambia, Senegal, Kap Verde (Cesaria Evora), Sierra Leone, Abidjan, Ghana, Benin, Togo und Nigeria der Malier Ali Farka Touré (Flussgeist-Blues) und aus Nigeria der verstorbene Fela Kuti (leider mit schlechter Auswahldiskographie) sowie King Sunny Adé ausführlicher porträtiert. Kapitel 7 über Zentral- und Ostafrika schildert ausführlich die kenianische und tansanische Popmusik. Kapitel 8 schließt die Reise über den afrikanischen Kontinent mit dem Südlichen Afrika ab. Hier werden südafrikanischer Jazz und sambischer Pop gewürdigt sowie die Länder Malawi, Mosambik und Angola. Kapitel 9 beschreibt den Indischen Subkontinent einschließlich Nepal und Afghanistan. Zwei größere Abhandlungen beschreiben das Phänomen der indischen Filmmusik ("Bollywood") und die religiöse Sufi-Musik aus Pakistan mit ihrem hier bekanntesten, verstorbenen Vertreter Nusrat Fateh Ali Khan. Das Kapitel 10. Der Ferne Osten führt nach Bali und Java, beschreibt u.a. die indonesische Popmusik und geht weiter nach Malaysia, Philippinen, Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam, beschreibt danach ausführlicher die chinesische Musik und endet nach der Mongolei und Japan in Korea. Kapitel 11. Zwischen Atlantischem Ozean und karibischem Meer führt auf die Bahamas und nach Kuba. Hier findet man eine ausführliche Diskographie kubanischer Musik und natürlich auch den Buena Vista Social Club mit seinen Solisten. Ein Kapitel über internationale Salsa-Klänge, Merenguemania, Haiti, Calypso, die französischen Antillen und Jamaika, die Heimat des Reggae, beschließen diesen Abschnitt. Kapitel 12 führt den Leser nach Lateinamerika (Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Chile/Argentinien) und widmet sich dem Tango und der Musik der Anden. Kapitel 13. Nordamerika schildert plastisch den dortigen Melting Pot (Schmelztiegel): da der Band auf die Musikformen Jazz, Rock, Pop, Blues, Country usw. verzichtet, bleiben dennoch oder gerade deshalb hochinteressante Musikkulturen in diesem Land übrig. Der Artikel über Nordamerikas Ureinwohner ist sehr kompetent geschrieben, verdeutlicht jedoch auch das Dilemma der Weltmusikforschung: was an der heute praktizierten Musik der nordamerikanischen Indianer ist wirklich authentisch und was ist durch den New-Age-Boom verfälscht? Weiter werden in diesem Kapitel Appalachischer Swing (Bluesgrass), Gumbo (mit Cajun, Zydeco und Swamp), Tex-Mex, Gospel und Klezmer beschrieben. Von Hawai führt Kapitel 14 nach Australien und in den Pazifik zu Aborigines-Musik und mit Ozeanien endet die Weltreise. Kapitel 15 beschreibt die Anfänge der Weltmusik-Aufnahmeindustrie (vom Phonographen bis zum Remastering) und gibt damit zugleich einen Überblick über die Gründerzeit der großen Schallplattenfirmen und -unternehmungen.

Ein Verzeichnis der Autoren, ein Abbildungsnachweis und ein Register beschließen den Band. Vergeblich sucht man im Register den Namen Joachim-Ernst Berendt und dessen Bemühungen um die Weltmusik (damals noch "Jazz Meets The World" genannt), aber das sei dem prinzipiellen Ausschluß des Jazz in diesem Band geschuldet. Auch die Verdienste Peter Gabriels und seines Labels um die Weltmusik sucht man vergeblich. Insgesamt gelungen ist die immer wieder und eigentlich auch untrennbare Vermischung von ethnischer Musik und populärer Musik (so an den Beispielen der ägyptischen, kenianischen und indischen Musik verdeutlicht). Wen wundert es eigentlich, dass Deutschland mit Ausnahme der alpenländischen Musik in diesem Weltmusikkompendium überhaupt nicht auftaucht? Dem Impressum ist zu entnehmen, dass die vorliegende deutsche Ausgabe Material aus beiden englischen Ausgaben von 1994 und 1999/2000 verwendet, die letztere, erweiterte Ausgabe in zwei Bänden. Leider wird nicht erwähnt und konnte auch nicht überprüft werden, nach welchen Kriterien ausgewählt wurde.

Jedem einzelnen Abschnitt folgt eine kommentierte Auswahldiskographie, die nach eigenen Aussagen die besten und am leichtesten zugängliche Platten (Schallplatten, Kassetten und CDs) mit Adressen von Importeuren sowie Hinweisen auf spezialisierte Plattengeschäfte oder Labels aufführt. Man hätte sich in dem einen oder anderen Falle eine umfangreichere Diskographie gewünscht, die aber sicherlich den Umfang des Bandes gesprengt hätte. Dieser in vielerlei Hinsicht den Horizont erweiternde Band wird mit Sicherheit von vielen Lesern immer wieder zum Nachschlagen und zum Querlesen benutzt werden.

Bernhard Hefele


[1]
Rez.: IFB 98-3/4-282. (zurück)
[2]
Rez.: IFB 99-1/4-315. (zurück)
[3]
Der Band Rock wurde ausschließlich von Fans, der Band Jazz von Jazzmusikern verfaßt. (zurück)

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