Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
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Fanny Hensel geb. Mendelssohn Bartholdy


01-1-089
Fanny Hensel geb. Mendelssohn Bartholdy : thematisches Verzeichnis der Kompositionen / Renate Hellwig-Unruh. - Adliswil ; Lottstetten : Kunzelmann, 2000. - 452 S. : Ill., Notenbeisp. - Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1999. - ISBN 3-9521049-3-0 : SFr. 90.00, DM 110.00
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Seit längerem ist es Mode, daß angehende Musikwissenschaftlerinnen über Komponistinnen promovieren, bedingt durch das "ansteigende Interesse an einer Aufarbeitung von (Musik-)Geschichte aus weiblicher Sicht, vorangetrieben durch die Suche nach Identifikationsmodellen" (S. 11). Dagegen geben die zu allen Zeiten anerkannten Interpretinnen anscheinend längst nicht so viel her, weshalb sie eher vernachlässigt werden. Die vorliegende Verlagsdissertation widmet sich Fanny Hensel, einer Frau, deren Biographie und Werk bereits bestens erschlossen ist; selbst in den großen allgemeinen, nicht speziell den Frauen vorbehaltenen Musiklexika ist sie mit ausführlichen Artikeln vertreten[1] und was ihr Werk betrifft, so kann Hellwig-Unruh ebenfalls auf zahlreiche, nicht zuletzt bibliographische Arbeiten zurückgreifen.[2]

Gliederung des Hensel-Werkverzeichnisses; die Buchstabenzählung wurde der Übersichtlichkeit halber von der Rezensentin ergänzt:

A. Die Einführung besteht aus drei Teilen, wobei lediglich die beiden letzten durchnumeriert sind und eigene Überschriften tragen: 1. Fanny Hensels Wirkungsstätte, 2. Biographische Hintergründe der edierten Werke Opus 1 - 11; B. Quellenlage: 1. Quellenverzeichnisse, Werkverzeichnisse (mit Hinweis auf die vorstehend genannten Vorarbeiten), 2. Die handschriftlichen Quellen, 3. Originaldrucke; C. Hinweise zur Gliederung des Kataloges - inbegriffen sind Hinweise zur Zusammensetzung der Einträge, die aus den üblichen Angaben bestehen;[3] D. Werke mit Opus-Zahl: Op. 1 - 11, die "48 Kompositionen in zehn Sammlungen und einer Einzelausgabe" (S. 39) umfassen, mit Incipit und Angabe der WV-Nummer der einzelnen Kompositionen aus E; E. Werke chronologisch-thematisch einschließlich Verweisungen auf die innerhalb einer Opuszahl in D. aufgeführten Einzelwerke; F. Varia; I. Nichtidentifizierte Skizzen, frühe Choralbearbeitungen, kontrapunktische Übungen, II. Kadenzen zu fremden Werken, Bearbeitungen und Abschriften fremder Werke, III. Zweifelhafte Werke; G. Abbildungsverzeichnis; H. Zeittafel; I. Literaturverzeichnis: 1. Unveröffentlichte Quellen, 2. Veröffentlichte Quellen und Sekundärliteratur; J. Verzeichnis der gedruckten Ausgaben: 1. Originalausgaben (mit Reprints), 2. Weitere Ausgaben (nach Besetzung); K. Verzeichnis zeitgenössischer Anzeigen und Rezensionen; L. Register: 1. Die unter Felix Mendelssohn Bartholdys Namen erschienenen [sechs] Werke, 2. systematisches Register der Werke, 3. Verschollene Werke, 4. Fragmente, 5. Texttitel und Textanfänge, 6. Textdichter - Name mit Opuszahl bzw. WV-Nr., 7. Widmungsempfänger - Name mit Opuszahl bzw. WV-Nr., 8. Personenregister - Name mit Seitenzahl.

Es folgen Anmerkungen zu einzelnen Kapiteln, die gleichzeitig verdeutlichen sollen, daß Inhaltsverzeichnis und Gliederung des Bandes hätten sinnvoller strukturiert sein können:

A. Im ersten, nicht numerierten allgemeinen Teil der Einführung treten Kommafehler und falsche grammatikalische Bezüge, die den ganzen Band durchziehen, vergleichsweise gehäuft auf. Eine halbe von insgesamt vier Seiten ist der weiblichen Namensproblematik eingeräumt (S. 13). Denn "Namen von weiblichen Autoren, besonders von weiblichen verheirateten Autoren, bereiten häufig Schwierigkeiten, denn der Familiennamen [!] steht zumeist schon für den Vater, Bruder oder Gatten. Es ist eindeutig, wer gemeint ist mit Mozart, Mahler und vor allem mit Mendelssohn." Nun, ist es Vater Leopold Mozart oder der ebenfalls unter dem Namen seines berühmten Vaters bekannte Sohn Franz Xaver Wolfgang alias Wolfgang Amadeus Mozart? Was Mendelssohn betrifft, so denkt man heute bei Nennung dieses Namens ohne den zweiten Bestandteil Bartholdy wohl zunächst an den Sohn des Vetters, Arnold; (New Grove, MGG und DEUMM weisen überdies noch den rumänischen Komponisten und Dirigenten Alfred Mendelssohn (1910 - 1966) nach). Wenigstens kann man beim Namen Bach heutzutage in aller Regel davon ausgehen, daß bei alleiniger Nennung des Nachnamens der große Johann Sebastian gemeint ist. Die sich anschließende Frage ist sicherlich rhetorisch zu verstehen, wird man doch nicht ernsthaft mit mehreren Namensformen operieren wollen: "In unserem Fall stellt sich die Frage: Soll die Komponistin zuerst Fanny Mendelssohn, nach 1816 Fanny Mendelssohn Bartholdy,[4] nach ihrer Heirat Fanny Hensel genannt werden?", wobei außerdem zu beachten wäre: "Nun kommt noch hinzu, daß auch der Nachname Hensel bereits für den Maler Wilhelm Hensel steht." Obwohl man zur Unterscheidung der weiblichen Trägerin eines Namens von einem männlichen Träger immerhin noch die bestimmten Artikel 'die' und 'der' hätte. Vernünftig ist jedenfalls die Entscheidung, für die Titelfassung die in Originalausgaben und Dedikationsexemplaren gebräuchliche Namensform 'Fanny Hensel geb. Mendelssohn Bartholdy' zu übernehmen.

Fanny Hensels Wirkungsstätte (Teil A.1.) beschreibt die Aufführungsstätten und das Wirkungsfeld von Fanny Hensel, nicht etwa einen einzelnen Wirkungsort.

Da C. - F. das eigentliche Werkverzeichnis darstellen, wäre eine die Zusammengehörigkeit kenntlich machende Untergliederung benutzerfreundlicher gewesen als die bloße Aneinanderreihung der einzelnen Teile ohne Verknüpfung.

C. Für die Wiedergabe des Incipit wurden die Quellen in folgender Reihenfolge herangezogen: Originaldruck, Reinschrift, Widmungsexemplar, erste Niederschrift, Kopistenabschrift. Jedoch: "In einzelnen Fällen mußte, trotz vorhandener Reinschrift, auf die Erstschrift zurückgegriffen werden, weil nur diese Notation mit dem Notenprogramm realisierbar war" (S. 44). Weshalb das Notenprogramm bei der Übertragung der Reinschrift gelegentlich versagt haben soll, bleibt mangels Erklärung unverständlich. Der Abschnitt Autograph(en) umfaßt: "Skizze(n), Entwurf, erste Niederschrift, Reinschrift(en) und Widmungsexemplar(e)". Anstatt die erste Niederschrift als erste nachweisbare zu definieren, zieht sich die Autorin folgendermaßen aus der Affäre: "Mit der Angabe 'Niederschrift' wird die eindeutige Aussage vermieden, ob es sich um eine erste Niederschrift handelt oder um eine spätere, denn einzelne Werke könnten auch von einer Vorlage ins Album übertragen worden sein. Bei Kompositionen, die nachträglich zu Konvoluten zusammengebunden wurden, ist eine Unterscheidung noch schwieriger." (S. 44). D. - E. Das Werkverzeichnis erhebt den Anspruch, gleichzeitig ein vollständiger Katalog der nachgewiesenen Manuskripte zu sein (S. 42).

I. Hier wäre die Aufteilung nach Quellen und Sekundärliteratur vorzuziehen gewesen.

J. Zugunsten einer vollständigen Bibliographie der Drucke wurde eine Doppelung der auch bei den Einzelwerken nachgewiesenen Ausgaben in Kauf genommen (S. 42).

K. "die geringe Anzahl der edierten Werke rechtfertigt" dieses 'gesonderte Verzeichnis' (S. 42), das der Rezensentin im Gegensatz zur Angabe von Anzeigen und Rezensionen beim Werk selbst nicht gerade benutzerfreundlich zu sein scheint, wobei ihr außerdem das genannte Argument nicht ganz einleuchtet.

Als bisher umfassendstes publiziertes und aktuellstes Werkverzeichnis ist der Band trotz gewisser Mängel für Bibliotheken mit Musikbeständen anschaffenswert.[5]

Martina Rommel


[1]
MGG-Suppl.: Hensel, F a n n y Caecilia, geb. Mendelssohn. - New Grove: Mendelssohn(-Bartholdy) [Hensel], Fanny (Cäcilie); DEUMM: Medelssohn-Bartholdy, Fanny Caecilie (sposata Hensel); Riemann: Hensel, F a n n y Cäcilia. (zurück)
[2]
Verzeichnis der Musik-Autographen von Fanny Hensel im Mendelssohn-Archiv zu Berlin / Rudolf Elvers. // In: Mendelssohn-Studien. - 1 (1972), S. 169 - 174. - Weitere Quellen zu den Werken von Fanny Hensel / Rudolf Elvers. // In: Mendelssohn-Studien. - 2 (1975), S. 215 - 220. - Autographe und Abschriften von Werken Fanny Hensels im Mendelssohn-Archiv zu Berlin : Verzeichnis der Abschriften und Neuerwerbungen 1976 - 1990 / Hans-Günter Klein. // In: Mendelssohn-Studien. - 7 (1990), S. 343 - 345. - Quellen zu Werken Fanny Hensels in der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin / Hans-Günter Klein. // In: Mendelssohn-Studien. - 8 (1993), S. 159 - 160. - The life and works of Fanny Mendelssohn Hensel / by Victoria Ressmeyer Sirota [So die Verfasserangabe nach Vorw., S. 27, und SWB; im Literaturverzeichnis S. 412 heißt sie dann fälschlich Victoria Sirota Ressmeyer]. - Diss., Boston, Univ. School of Music, 1981. - XX, 333 S. - Fanny Hensel geb. Mendelssohn : (1805 - 1847) ; Kompositionen ; eine Zusammenstellung der Werke, Literatur und Schallplatten / von Paul August Koch. - 1. Aufl. - Frankfurt/Main : Zimmermann ; Leipzig : Hofmeister, 1993. - 48 S. : Ill., zahlr. Notenbeisp. ; 21 cm - ISBN 3-921729-57-2 : DM 18.00. - Die Kompositionen Fanny Hensels in Autographen und Abschriften aus dem Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin, Preussischer Kulturbesitz / bearb. von Hans-Günter Klein. - Tutzing : Schneider, 1995. - XIX, 146 S. ; 24 cm - (Musikbibliographische Arbeiten ; 13) - ISBN 3-7952-0820-3 : DM 98.00. - Thematisches Verzeichnis der klavierbegleiteten Sololieder Fanny Hensels / Annette Maurer. - Kassel : Furore-Verl., 1997. - 230 S. : Ill., zahlr. Notenbeisp. ; 21 cm - (Furore-Edition ; 826). - Literaturverz. S. 206 - 213. - ISBN 3-927327-40-9 : DM 59.00. (zurück)
[3]
Als Originalausgabe gelten Drucke bis 1850, d.h. sowohl von Hensel selbst autorisierte als auch solche, die nach ihrem Tod 1847 von Familienangehörigen veranlaßt wurden (S. 39 - 40, 45). (zurück)
[4]
Nach dem Übertritt zum Protestantismus fügte die Familie dem Familiennamen den zweiten Namen Bartholdy (nach einem früheren Besitzer des Gartens des Bruders der Mutter) hinzu. (zurück)
[5]
Hingewiesen sei auf den im Januar 2001 erschienenen Band über die Künstlerin aus der Reihe Rowohlts Monographien mit der üblichen knappen Würdigung von Leben und Werk, einer Zeittafel und einer sachlich gegliederten Bibliographie (S. 150 - 153), die auch zwei Aufsätze von R. Hellwig-Unruh nachweist, dagegen noch nicht das hier besprochene thematische Verzeichnis:
Fanny Mendelssohn-Hensel / dargest. von Ute Büchter-Römer. - Orig.-Ausg. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2001. - 155 S. : Ill., graph. Darst., Notenbeisp. ; 19 cm. - (Rowohlts Monographien ; 50619) - ISBN 3-499-50619-X : DM 14.90. (zurück)

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