Mit den ersten beiden, nach einer Vorbereitungszeit von etwa zehn
Jahren im Jahr 2000 erschienenen Faszikeln des Compendium auctorum
latinorum medii aevi (500 - 1500) hat ein ambitioniertes Unternehmen
begonnen. Im Auftrag der Società Internazionale per lo Studio del
Medioevo Latino (Florenz) wird in zwei Redaktionen in Cambridge und
Florenz ein biobibliographisches Repertorium erstellt, welches die
gesamte nicht-anonyme lateinische Literatur der Zeit von 500 bis 1500
gleichmäßig erschließen soll.[5]
Das dem ersten Faszikel beigegebene Abkürzungsverzeichnis dokumentiert
bereits, in welch großer Zahl Nachschlagewerke aller Art und
Zeitschriften ausgewertet wurden, um möglichst große Vollständigkeit
zu erreichen. Intention und Aufbau des Werkes werden im Vorwort von
Claudio Leonardi und in der Einleitung von Michael Lapidge erläutert
(diese Vorreden sind in italienischer, englischer, französischer,
deutscher, spanischer und portugiesischer Sprache abgedruckt; die im
Compendium verwendete Sprache ist Latein).
In den ersten beiden Faszikeln sind von Abaelard bis Anastasius
Bibliothecarius insgesamt 508 Autoren berücksichtigt (zum Vergleich:
das Repertorium von Sharpe behandelt in diesem Teilbereich des
Alphabets 110 Verfasser). Die schiere Zahl macht deutlich, in welchem
Maß hier Information kumuliert, gesichtet und aufbereitet werden
mußte; knapp über 30 Verfasser haben die namentlich gezeichneten
Beiträge zu verantworten. Die Artikel sind wie folgt aufgebaut. Die
einzigen im Compendium gebotenen biographischen Angaben sind die
Lebensdaten, mitunter auch die Ordenszugehörigkeit oder das Amt
(Bischof, Abt usw.), wenn dies zur Unterscheidung von namensgleichen
Autoren notwendig ist (so z. B. bei drei Trägern des Namens Aegidus
Aurelianensis). Es folgen zunächst die Hinweise auf Artikel bzw.
Passagen in Lexika, Repertorien und Literaturgeschichten (dies in
möglichst umfassender Weise und in einer Reihenfolge, in der für
gewöhnlich die wichtigsten und aktuellsten Angaben zuerst genannt
werden) sowie eine chronologisch geordnete, knappe Auswahl der
wichtigsten Sekundärliteratur.
Im Anschluß daran folgen in alphabetischer Reihenfolge und
durchnumeriert die einzelnen Werke (wenn möglich mit Datierung). Die
Angaben zu den Texten sind in drei Kategorien untergliedert. Sofern
vorhanden, werden zuerst die entsprechenden Referenznummern in
Standardrepertorien angegeben. Bei nicht edierten Werken schließt
sich, soweit möglich, eine kurze Liste der zuverlässigsten
Handschriften an. An dieser Stelle haben sich die Herausgeber bewußt
für eine Beschränkung entschieden; Repertorien wie die genannten von
Kaeppeli oder Sharpe bieten in diesem Punkt weit mehr Informationen.
Allerdings wird in CALMA ausdrücklich auf diejenigen Fundstellen
verwiesen, an denen die jeweilige handschriftliche Überlieferung nicht
gedruckter Texte am vollständigsten dokumentiert ist. Bei den Angaben
zu gedruckten Texten werden natürlich bevorzugt die besten kritischen
Editionen angegeben, doch werden in der Regel auch die Stellen in den
älteren großen Sammeleditionen genannt (z.B. in Mignes Patrologia
latina). Im Bedarfsfall wird auch auf Frühdrucke und entlegene
Ausgaben verwiesen, was besonders bei Autoren des 15. und frühen 16.
Jahrhunderts oft der Fall ist. Auf Angaben zu eventuell vorhandenen
volkssprachlichen bzw. modernen Übersetzungen wird verzichtet (dagegen
werden mittelalterliche Übersetzungen ins Lateinische unter dem Namen
des - meist griechischen oder arabischen - Verfassers berücksichtigt).
Zuletzt wird chronologisch geordnet die wichtigste Sekundärliteratur
zu den einzelnen Werken verzeichnet. Verlorene Werke werden als
deperditum innerhalb der Reihe der erhaltenen Werke aufgeführt;
zweifelhafte Zuschreibung an einen Autor wird durch Fragezeichen nach
dem Werktitel gekennzeichnet. Bisweilen finden sich Werktitel ohne
weitere Hinweise; bei solchen Titeln handelt es sich um Werke, die
zwar in Repertorien oder der Sekundärliteratur erwähnt werden, zu
denen jedoch außer dem Titel keine weiteren Informationen durch die
Bearbeiter zu eruieren waren. Es ist zu wünschen, daß künftig bei
solchen Werken die entsprechende Stelle in der Literatur genannt wird,
an der sich wenn auch noch so knappe Belege für die Existenz dieser
Texte finden.
Bei der Zusammenstellung der in CALMA aufbereiteten Angaben wurde
somit versucht, einen praktikablen Mittelweg zwischen Knappheit und
Ausführlichkeit zu wählen. Aufbau und Informationsdichte sind am
ehesten dem auf historische Quellen beschränkten Repertorium fontium
medii aevi zu vergleichen, in dem allerdings auch anonyme Texte
verzeichnet sind.[6]
Der große Wert von CALMA besteht in einer umfassenden Dokumentation
des aktuellen Standes der Edition und Interpretation aller
mittellateinischen Texte, die einem namentlich bekannten Autor
zugewiesen werden können. Die hier gebotene Auswahl von Angaben zu
Primär- und Sekundärliteratur wird sich überall dort als unentbehrlich
erweisen, wo Handschriftenstudien betrieben und die mittelalterliche
und humanistische Literatur, Theologie und Philosophie erforscht
werden.
Da CALMA in enger Kooperation mit der Redaktion der Bibliographie
Medioevo latino[7] erarbeitet wird, ist ein hohes Maß an Aktualität und
Professionalität gewährleistet. Mängel, die dem Rez. bei Stichproben
aufgefallen sind, beschränken sich auf wenige Orthographica und
fehlerhafte Seitenangaben, sowie einige nicht im Abkürzungsverzeichnis
aufgelösten Kürzel von Zeitschriften- oder Reihentiteln. Bereits dem
zweiten Faszikel lag ein Supplementum ad elenchum adbreviationum im
Umfang von 4 Seiten bei, so daß dieses zuletzt genannte Manko gewiß
bald behoben sein wird. Der praktische Nutzen und die Attraktivität
von CALMA wird letztlich davon abhängen, ob es den Verfassern und
Redakteuren gelingt, den an den Tag gelegten Elan und das geplante
Tempo der Veröffentlichung von zwei Faszikeln pro Jahr beizubehalten,
in absehbarer Zeit die Zahl der in diesem Repertorium erfaßten Autoren
deutlich zu erhöhen und nicht wie manch anderes ambitionierte
Unternehmen allzu lange bei den Anfangsbuchstaben des Alphabets zu
verweilen. Für den jeweils aktuellsten Stand der Forschung wird man
ohnehin zu den neuesten Bänden von Medioevo latino zu greifen haben.
Christian Heitzmann
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