Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1

Compendium auctorum latinorum medii aevi (500 - 1500)


01-1-066
Compendium auctorum latinorum medii aevi (500 - 1500) : C.A.L.M.A. / [Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino (S.I.S.M.E.L.) ; "Medioevo latino". Curantibus ... Michael Lapidge ... Gian Carlo Garfagnini et Claudio Leonardi. Adiuvantibus Lidia Lanza ...]. - Tavarnuzze : SISMEL, Edizioni del Galluzzo. - 31 cm. - ISBN 88-87027-89-7
[6354]
Elenchus adbreviationum. - 2000. - 47 S. - Lit. 250.000 (mit Fasc. 1)
[1],1. Abaelardus Petrus - Agobardus Lugdunensis archiep. - 2000. - XLI, 86 S. - Lit. 250.000 (mit Elenchus ...)
1,2. Agobardus Lugdunensis achiep. - Anastasius Bibliothecarius. - 2000. - S. 87 - 210. - Lit. 150.000

Die Erforschung der lateinischen Literatur des Mittelalters kann mittlerweile auf eine stattliche Zahl von zuverlässigen biobibliographischen Hilfsmitteln zurückgreifen. Diese sind jedoch, wenn sie das gesamte Mittelalter und ganz Europa abdecken, nahezu zwangsläufig stark selektiv (wie z. B. das Lexikon des Mittelalters[1] oder das altbewährte Tusculum-Lexikon) oder sie beschränken sich auf einen zeitlichen, regionalen oder soziologischen Ausschnitt. Herausragende Beispiele dafür sind unter den abgeschlossenen Repertorien das Verfasserlexikon für den deutschen Sprachraum,[2] Richard Sharpes Handlist of the Latin writers of Great Britain and Ireland[3] oder Thomas Kaeppelis Scriptores Ordinis Praedicatorum.[4] Diese Werke weisen - wie nicht anders zu erwarten - ganz unterschiedliche Erschließungstiefen auf.

Mit den ersten beiden, nach einer Vorbereitungszeit von etwa zehn Jahren im Jahr 2000 erschienenen Faszikeln des Compendium auctorum latinorum medii aevi (500 - 1500) hat ein ambitioniertes Unternehmen begonnen. Im Auftrag der Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino (Florenz) wird in zwei Redaktionen in Cambridge und Florenz ein biobibliographisches Repertorium erstellt, welches die gesamte nicht-anonyme lateinische Literatur der Zeit von 500 bis 1500 gleichmäßig erschließen soll.[5]

Das dem ersten Faszikel beigegebene Abkürzungsverzeichnis dokumentiert bereits, in welch großer Zahl Nachschlagewerke aller Art und Zeitschriften ausgewertet wurden, um möglichst große Vollständigkeit zu erreichen. Intention und Aufbau des Werkes werden im Vorwort von Claudio Leonardi und in der Einleitung von Michael Lapidge erläutert (diese Vorreden sind in italienischer, englischer, französischer, deutscher, spanischer und portugiesischer Sprache abgedruckt; die im Compendium verwendete Sprache ist Latein).

In den ersten beiden Faszikeln sind von Abaelard bis Anastasius Bibliothecarius insgesamt 508 Autoren berücksichtigt (zum Vergleich: das Repertorium von Sharpe behandelt in diesem Teilbereich des Alphabets 110 Verfasser). Die schiere Zahl macht deutlich, in welchem Maß hier Information kumuliert, gesichtet und aufbereitet werden mußte; knapp über 30 Verfasser haben die namentlich gezeichneten Beiträge zu verantworten. Die Artikel sind wie folgt aufgebaut. Die einzigen im Compendium gebotenen biographischen Angaben sind die Lebensdaten, mitunter auch die Ordenszugehörigkeit oder das Amt (Bischof, Abt usw.), wenn dies zur Unterscheidung von namensgleichen Autoren notwendig ist (so z. B. bei drei Trägern des Namens Aegidus Aurelianensis). Es folgen zunächst die Hinweise auf Artikel bzw. Passagen in Lexika, Repertorien und Literaturgeschichten (dies in möglichst umfassender Weise und in einer Reihenfolge, in der für gewöhnlich die wichtigsten und aktuellsten Angaben zuerst genannt werden) sowie eine chronologisch geordnete, knappe Auswahl der wichtigsten Sekundärliteratur.

Im Anschluß daran folgen in alphabetischer Reihenfolge und durchnumeriert die einzelnen Werke (wenn möglich mit Datierung). Die Angaben zu den Texten sind in drei Kategorien untergliedert. Sofern vorhanden, werden zuerst die entsprechenden Referenznummern in Standardrepertorien angegeben. Bei nicht edierten Werken schließt sich, soweit möglich, eine kurze Liste der zuverlässigsten Handschriften an. An dieser Stelle haben sich die Herausgeber bewußt für eine Beschränkung entschieden; Repertorien wie die genannten von Kaeppeli oder Sharpe bieten in diesem Punkt weit mehr Informationen. Allerdings wird in CALMA ausdrücklich auf diejenigen Fundstellen verwiesen, an denen die jeweilige handschriftliche Überlieferung nicht gedruckter Texte am vollständigsten dokumentiert ist. Bei den Angaben zu gedruckten Texten werden natürlich bevorzugt die besten kritischen Editionen angegeben, doch werden in der Regel auch die Stellen in den älteren großen Sammeleditionen genannt (z.B. in Mignes Patrologia latina). Im Bedarfsfall wird auch auf Frühdrucke und entlegene Ausgaben verwiesen, was besonders bei Autoren des 15. und frühen 16. Jahrhunderts oft der Fall ist. Auf Angaben zu eventuell vorhandenen volkssprachlichen bzw. modernen Übersetzungen wird verzichtet (dagegen werden mittelalterliche Übersetzungen ins Lateinische unter dem Namen des - meist griechischen oder arabischen - Verfassers berücksichtigt). Zuletzt wird chronologisch geordnet die wichtigste Sekundärliteratur zu den einzelnen Werken verzeichnet. Verlorene Werke werden als deperditum innerhalb der Reihe der erhaltenen Werke aufgeführt; zweifelhafte Zuschreibung an einen Autor wird durch Fragezeichen nach dem Werktitel gekennzeichnet. Bisweilen finden sich Werktitel ohne weitere Hinweise; bei solchen Titeln handelt es sich um Werke, die zwar in Repertorien oder der Sekundärliteratur erwähnt werden, zu denen jedoch außer dem Titel keine weiteren Informationen durch die Bearbeiter zu eruieren waren. Es ist zu wünschen, daß künftig bei solchen Werken die entsprechende Stelle in der Literatur genannt wird, an der sich wenn auch noch so knappe Belege für die Existenz dieser Texte finden.

Bei der Zusammenstellung der in CALMA aufbereiteten Angaben wurde somit versucht, einen praktikablen Mittelweg zwischen Knappheit und Ausführlichkeit zu wählen. Aufbau und Informationsdichte sind am ehesten dem auf historische Quellen beschränkten Repertorium fontium medii aevi zu vergleichen, in dem allerdings auch anonyme Texte verzeichnet sind.[6]

Der große Wert von CALMA besteht in einer umfassenden Dokumentation des aktuellen Standes der Edition und Interpretation aller mittellateinischen Texte, die einem namentlich bekannten Autor zugewiesen werden können. Die hier gebotene Auswahl von Angaben zu Primär- und Sekundärliteratur wird sich überall dort als unentbehrlich erweisen, wo Handschriftenstudien betrieben und die mittelalterliche und humanistische Literatur, Theologie und Philosophie erforscht werden.

Da CALMA in enger Kooperation mit der Redaktion der Bibliographie Medioevo latino[7] erarbeitet wird, ist ein hohes Maß an Aktualität und Professionalität gewährleistet. Mängel, die dem Rez. bei Stichproben aufgefallen sind, beschränken sich auf wenige Orthographica und fehlerhafte Seitenangaben, sowie einige nicht im Abkürzungsverzeichnis aufgelösten Kürzel von Zeitschriften- oder Reihentiteln. Bereits dem zweiten Faszikel lag ein Supplementum ad elenchum adbreviationum im Umfang von 4 Seiten bei, so daß dieses zuletzt genannte Manko gewiß bald behoben sein wird. Der praktische Nutzen und die Attraktivität von CALMA wird letztlich davon abhängen, ob es den Verfassern und Redakteuren gelingt, den an den Tag gelegten Elan und das geplante Tempo der Veröffentlichung von zwei Faszikeln pro Jahr beizubehalten, in absehbarer Zeit die Zahl der in diesem Repertorium erfaßten Autoren deutlich zu erhöhen und nicht wie manch anderes ambitionierte Unternehmen allzu lange bei den Anfangsbuchstaben des Alphabets zu verweilen. Für den jeweils aktuellsten Stand der Forschung wird man ohnehin zu den neuesten Bänden von Medioevo latino zu greifen haben.

Christian Heitzmann


[1]
Lexikon des Mittelalters. - [Studienausg.] - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1999. - 1 - 9. - Rez.: IFB 99-1/4-419. (zurück)
[2]
Die deutsche Literatur des Mittelalters : Verfasserlexikon / begr. von Wolfgang Stammler. Fortgef. von Karl Langosch. - 2., völlig neu bearb. Aufl. - Berlin [u.a.] : de Gruyter. - Bd. 1 (1977) - 10 (1999). - Rez.: IFB 00-1/4-155. (zurück)
[3]
A Handlist of the Latin Writers of Great Britain and Ireland before 1540 / Richard Sharpe. - [Turnhout] : Brepols 1997. - (Publications of the Journal of medieval Latin ; 1). - Rez.: IFB 99-B09-249. (zurück)
[4]
Scriptores Ordinis Praedicatorum / Thomas Kaeppeli. - Roma : Istituto Storico Domenicano. - 1 (1970) - 4 (1993). (zurück)
[5]
Der erfaßte Zeitraum geht über den im Titel genannten um etwa 30 bis 40 Jahre hinaus, da auch Autoren berücksichtigt werden, deren Tätigkeit sich bis weit ins 16. Jahrhundert erstreckt (z.B. Aegidius Viterbiensis, gestorben 1532). (zurück)
[6]
Seit 1962 unter der Federführung des Istituto Storico Italiano per il Medio Evo (Rom) im Erscheinen begriffen und mittlerweile beim Buchstaben O angelangt. (zurück)
[7]
Medioevo latino : bollettino bibliografico della cultura europea dal secolo VI al XIV / a cura di Claudio Leonardi. - Zuletzt: IFB 93-1/2-065 und IFB 99-1/4-224 (CD-ROM) (zurück)

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