Das Handbuch vereinigt die internationale Crème der Fontane-Forschung
aus verschiedenen Generationen. Da schreibt Charlotte Jolles, die
grande dame der Tagebuchforschung, neben dem jungen Germanisten Stefan
Neuhaus, der Fontanes Bücher über Großbritannien vorstellt. Überdies
ist der Band ein schönes Dokument der Vertiefung der traditionell
fruchtbaren Zusammenarbeit über die Grenzen der politischen Systeme
hinweg, die es in der Fontane-Forschung schon lange gegeben hat.
Gotthard Erler, der Potsdamer Altmeister der Fontane-Editorik, handelt
hier über Druck- und Editionsgeschichte, über den Nachlaß und das
Fontane-Archiv u.a.m. in gewohnter souveräner Kennerschaft; während
der noch vor der Wende an der Berliner Humboldt-Universität
habilitierte Roland Berbig sich bravourös der schwierigen Aufgabe
entledigt, Fontane im Kontext des literarischen Lebens zu schildern.
Dabei kommen die Beziehungen zu Zeitungen (Berliner Figaro, Deutsche
Reform, Kreuzzeitung) und Zeitschriften (Die Eisenbahn, Der
Soldatenfreund, Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Balley Brandenburg,
Über Land und Meer,[1] Pan, Der Bär) ebenso in den Blick wie Fontanes
Beziehungen zu Verlagen und Verlegern oder zu literarischen
Gruppierungen und Vereinigungen. Das Kapitel hat den Umfang einer
veritablen Monographie zum Gegenstand.
Zu vier Blöcken sind die zahlreichen Beiträge inhaltlich gruppiert: 1.
Fontane in seiner Zeit, 2. Kulturelle Traditionen und Poetik, 3. Das
Werk, 4. Die Wirkung. Leben und Persönlichkeit schildert Helmuth
Nürnberger am Faden der Chronologie, während Dietmar Storch den
Schriftsteller als Zeugen des Jahrhunderts zu bestimmten Fragen
präsentiert, wie Parteien, Befreiungskriege usf. Der schon erwähnte
Beitrag von Berbig stellt Fontane in den Kontext des literarischen
Lebens seiner Zeit, und Hans Otto Horch widmet sich dem Thema Theodor
Fontane, die Juden und der Antisemitismus in einem eigenen Beitrag.
Der gleichfalls zu monographischer Dimension ausgewachsene zweite Teil
stammt zur Gänze aus der Feder von Hugo Aust: Fontane und die deutsche
Literatur, ... und die englische ..., ... und die russische
Literatur, ... und die bildende Kunst - so oder ähnlich lauten die
Bindestrich-Themen der einzelnen Abschnitte, die eine beeindruckende
Verbindung von Übersicht und Details bieten. Innerhalb des Blockes zum
Werk sind je eigene Kapitel dem Erzählwerk, der Lyrik, den
autobiographischen Schriften nebst den Briefen sowie dem
journalistischen Werk einschließlich der literatur- und
theaterkritischen Arbeiten gewidmet. Im Kapitel zur Wirkung wird neben
der literarischen Rezeption die umfangreiche Nutzung von Fontanes
Werken für Film und Fernsehen sowie das Hörspiel dokumentiert.
Wie immer bei den Bänden der Krönerschen Handbuch-Reihe sind die
bibliographischen Angaben sehr umfassend, kürzen jedoch die Vornamen
der Autoren leider nur mit Initialen ab. Die In-Aufnahmen erlauben
eine eindeutige Verifizierung innerhalb der übergeordneten
bibliographischen Einheit.
Kritisch angemerkt sei, daß auch in diesem Fall ein - vergleichsweise
ohnehin schon sehr kurzer - Abschnitt zur Fontane-Rezeption im
außerdeutschen Raum auf knapp 30 Seiten ausschließlich von der
Forschungsliteratur handelt, die Übersetzungen als Voraussetzungen
jeder Wirkung außerhalb des Philologen-Ghettos aber völlig außer acht
läßt.
Hans-Albrecht Koch
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