Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4

Neue Bände über Kunstlandschaften und einzelne Bauten der1


00-1/4-222
Neue Bände über Kunstlandschaften und einzelne Bauten der1 Verlage Zodiaque / Echter / Schnell & Steiner

In IFB 96-2/3-298 - 303 wurden mehrere Bände zur romanischen Kunst in Frankreich und Deutschland besprochen, die in dem von den Benediktinern der Abbaye de la Pierre-qui-Vire in Saint-Léger-Vauban in Burgund betriebenen, nach der von ihnen herausgegebenen Kunstzeitschrift Zodiaque benannten Verlag erschienen sind, bzw. in dem damals mit diesem Verlag kooperierenden deutschen Verlag Echter in Würzburg. Im Zentrum der damaligen Komplexrezension standen Bände der Reihe La nuit des temps und der deutschen Reihe Romanik in Deutschland. Anlaß dafür, erneut Produkte dieser Verlage zu besprechen, ist einerseits die Tatsache, daß der Verlag Zodiaque eine neue Reihe mit Bänden über einzelne Bauwerke begonnen hat und andererseits die Beendigung der Zusammenarbeit zwischen Zodiaque und Echter, an dessen Stelle seit 1999 der Verlag Schnell & Steiner getreten ist, der die Reihe Romanik in Deutschland weiterführen will.

Als Mitte der fünfziger Jahre die ersten Bände der Reihe La nuit des temps im Verlag Zodiaque erschienen, trafen sie genau den Geist der Zeit. Die "Entdeckung" der Romanik nun auch durch Amateure und Reisende mußte ein Konzept, das - von Frankreich ausgehend - sich der Kunst der Romanik unter kunstlandschaftlichen und regionalen Gesichtspunkten widmete, das von Anfang an im Vergleich zu anderen Kunstführern der Zeit den Abbildungsteil besonders gewichtete und dabei die notwendigen Textinformationen in einer Art Vorspann auf die wesentlichen Linien zu bündeln verstand und das zudem die Balance zu halten suchte zwischen einem brauchbaren Band zur Vorbereitung von Reise- und Besichtigungsprogrammen und einem im Nachhinein durchaus noch ansehnlichen Erinnerungsband für das Bücherregal, geradezu unwiderstehlich machen. Kurz gesagt, die Reihe wurde "Kult", von Liebhabern gesammelt, von Anfangssemestern der Kunstgeschichte bis in die siebziger Jahre hinein als Einführungs- und Bildmaterial zur romanischen Kunst genutzt und erworben, nicht zuletzt mangels Alternativen bei der Suche nach dem Bild und wegen einer nicht jenseits des Erreichbaren liegenden Preisgestaltung für die einzelnen Bände. Primäre Zielgruppe des Verlagsprodukts La nuit des temps waren dennoch von Anfang an weniger (und heute erst recht nicht mehr) diese zukünftigen Fachwissenschaftler denn die genannten Kunstliebhaber und Kunstinteressierten. Ihnen sollte und soll auch heute noch - pathetisch gesprochen - eine Welt erschlossen, nicht buchhalterisch ein Inventar zur romanischen Kunst vorgesetzt werden. Verlagsname wie Reihentitel lassen diese Tendenz bereits anklingen, jüngere Reihen des Verlags haben diese Programmatik noch verstärkt. Daß dies nicht nur eine auf Titelfassungen wie Le ciel et la pierre, Visages du moyen âge, Les formes de la nuit, La route des mages, La voie lactée usw. beruhende Suggestion ist, sondern wirklich Konzept, vermag die Beschreibung der jüngeren Reihe La voie lactée im aktuellen Verlagsprospekt exemplarisch und aufs Schönste zu verdeutlichen: "Ces volumes nous font pénétrer dans l'esprit d'un haut lieu médiéval, sa symbolique, son monde".

Diesem auratisierenden Blick auf die Vergangenheit kommt in vielen Zodiaque-Bänden auch die für die überwiegenden Schwarz-Weiß-Abbildungen gewählte Technik entgegen: Es sind Duotonbilder mit ausgeprägter Licht-Schatten-Regie; sie sind so mehr als nur bildliches Dokument, sie sind "Stimmungsträger", sie setzen auf Emphase. Und in dieser Form trafen sie beim Start der Reihe geradezu kongenial auf eine Vorstellung von romanischer Kunst, wie sie in den fünfziger und sechziger Jahren vorherrschte: unfarbig, zumindest aber unbunt; sie belebten diese Farblosigkeit durch eine außerordentliche Ästhetisierung der Graustufen und der Hell-Dunkel-Kontraste und gaben so den Bildern geradezu Plastizität und Ausdruck, der abgebildeten Architektur und Plastik somit die Illusion dreidimensionaler Erfahrbarkeit auch im zweidimensionalen Medium.

Betrachtet man das heutige Verlagsprogramm von Zodiaque, so zeigt die Expansion der Reihen insgesamt, insbesondere aber die Lizenzübernahmen von La nuit des temps durch ausländische Verlage (in Deutschland lange Zeit durch den Echter-Verlag Würzburg, seit neuestem durch Schnell & Steiner Regensburg), wie erfolgreich dieses Konzept war, aber auch, wo heute die Grenzen und Schwierigkeiten in der Weiterführung dieses Programms liegen. Jedenfalls liegt es nahe, inhaltliche wie präsentatorische Konzepte nach knapp fünfzig Jahren Erfolgsgeschichte vor der Folie heutiger Angebote und Seh- und Erfahrungsgewohnheiten zu beleuchten.

Inhaltlich ist der Schwerpunkt über einige Jahrzehnte konstant geblieben: die Kunst und Architektur der Romanik, und zwar im Sinne einer Konzentration auf herausragende und zentrale Bauwerke, weniger als exhaustive, inventarartige Erfassung der Kunst dieser Epoche. Man begann in den fünfziger Jahren für die Reihe La nuit des temps mit Bänden zu den französischen Kunstlandschaften, wobei selbstverständlich Band 1 der Romanik in Burgund gewidmet war. Inzwischen sind die französischen Landesgrenzen längst überschritten, die Romanik in Italien, Spanien, Portugal, England, Irland, in den Alpenländern, ja selbst in Skandinavien und im Heiligen Land zwischen die Buchdeckel der Reihe gebracht; nur die Kunst und Architektur dieser Zeit in deutschen Regionen blieb lange Zeit im Programm ausgespart. Dies erstaunt umso mehr, als die Zodiaque-Bände von Anfang an gerade auch bei deutschen Frankophilen, Kunstliebhabern und Reisenden erfolgreich waren und Übersetzungen ins Deutsche nicht auf sich warten ließen. Wenn wir recht sehen, erfolgte bei Zodiaque aber erst Mitte der neunziger Jahre der konsequente Schritt zu einer Ausweitung der Reihe auch auf deutsche Kunstlandschaften. Die Schließung dieser Lücke kam damit fast zu spät. Längst müssen Romanik-Reisende Richtung Norden nicht mehr publizistisches Ödland durchqueren. Wenn auch eben nicht Zodiaque, so sind doch verstärkt deutsche Verlage in diese thematische Lücke eingestiegen und haben schließlich auch die Schaffung einer Straße der Romanik durch die Tourismus-Industrie in den neunziger Jahren mit Begleitpublikationen aufgewertet.[1] Inzwischen dürfte sich die Romanik-Mode für ein breiteres Publikum langsam dem Ende zuneigen; zumindest uns erscheint das Thema auf diesem Niveau auch verlegerisch ausgereizt. Hinzu kommt, daß das Kapitel Romanik heutzutage für viele Regionen mit einem fast flächendeckenden Angebot an Einzelführern zu Kirchen und Baudenkmälern aber auch mit Bildbänden und Überblicksdarstellungen recht gut beschrieben ist.[2]

Zodiaque hat daher in den letzten Jahren versucht, diese Engführung des eigenen Programms etwas zu öffnen. Das thematische Spektrum erfaßt nun stärker die christliche Kunst des Mittelalters insgesamt; zu den Regionalbänden treten Überblicksbände zu einzelnen Epochen, Einführungsliteratur und Glossare zur Ikonographie[3] und Kunst- und Architekturtechnologie des Mittelalters, Führer zu mittelalterlichen Pilger- und Reiserouten, Bände (fast schon Führer) zu einzelnen herausragenden Bauwerken, schließlich auch "Spirituell-Künstlerisches" außereuropäischer Kulturen. Gleich geblieben sind dabei das eingangs beschriebene intentionale Profil und die Zielgruppenorientierung. Daher wurde offensichtlich auch der durchaus denkbare Weg einer Programmerweiterung durch Vertiefung und Spezialisierung in Richtung Denkmälerinventar zur Romanik nicht beschritten. Auch die neue Reihe mit CD-ROM-Produkten fügt sich der einmal gewählten Ausrichtung und verstärkt dabei noch die didaktische Komponente.[4] Selbst die Nachschlagewerke im Verlagsprogramm sind merklich "einführend" orientiert und daher für eine dezidiert wissenschaftliche Nutzung nur bedingt interessant.

Aus buchgestaltender Perspektive ist festzustellen, daß in den letzten fünfzig Jahren die Entwicklung über Schwarz-Weiß-Bildbände hinweggegangen ist, inzwischen hochwertige Farbabbildungen auch für preisgünstigere Publikationen durchaus Standard geworden sind und heutigem Publikumsgeschmack und Sehgewohnheiten wesentlich stärker entgegenkommen. Der guten Schwarzweißaufnahmen eignende eigenständige Erfahrungs- und Aussagewert dürfte nur noch von einer Minderheit der Zielgruppe geschätzt und gewünscht werden. Zodiaque hat daher auf diesem Gebiet eine Anpassung seiner Publikationen durch erhöhte Beigaben von Farbabbildungen vorgenommen und die Schwarzweißabbildungen vielfach noch kontrastiver ausgelegt, so daß ihnen in manchen Bänden nun fast eine auf Überzeichnung beruhende Kühle eignet.

Angela Karasch


[1]
Stichprobenartig seien hier zur Illustration der Ausführungen einige Titel um die Straße der Romanik und das Gebiet in Sachsen-Anhalt aus den letzten Jahren aufgeführt:
Die Straße der Romanik : Bilder aus Sachsen-Anhalt / Fotos von Sebastian Kaps. Text von Wolfgang Boeckh. - Halle : Mitteldeutscher Verlag, 1992. - 172 S. : Ill. - (Inzwischen etliche Neuauflagen).
Bedeutende Denkmäler an der Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt / Heiderose Engelhardt. - München : Deutscher Kunstverlag, 1993. - 27 S. : Ill. - (Große Baudenkmäler ; 466 : Straße der Romanik).
Links und rechts der Straße der Romanik : ein praktischer Reiseführer zu weiteren romanischen Baudenkmälern im mittleren Deutschland / Thorsten Schmidt. - Wernigerode : Schmidt, 1994. - 144 S. : Ill. - (Kleine Touristenreihe).
Straße der Romanik : Kunst- und Kulturführer Sachsen-Anhalt. - Leipzig : Edition Leipzig, 1994. - 274 S. : Ill.
Straße der Romanik / Gerald Grosse ; Bernd Wolff. - Würzburg : Stürtz, 1995. - 96 S. : Ill.
Straße der Romanik : Entdeckungsreise ins Mittelalter / Christian Antz ; Knut Müller. - Hamburg : Ellert & Richter, 1997. - 95 S. : Ill. - (Eine Bildreise)
Auf der Straße der Romanik : ein praktischer Reiseführer entlang der Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt / Marion Schmidt. - 6., aktualisierte Aufl. - Wernigerode : Schmidt, 1997. - 240 S. : Ill. - (Kleine Touristen-Reihe).
Straße der Romanik : 60 Stationen zu über 70 der interessantesten romanischen Baudenkmälern ... - 5., akt. Aufl. - Berga : Becker, 1998. - 146 S. : Ill. (zurück)
[2]
Auch hier kann aus der Vielfalt der Publikationen wieder nur exemplarisch ein Titel für eine regionale Überblicksdarstellung und ein Titel für einen Bildband zur Epoche ausgewählt werden:
Romanik in Hessen / Gottfried Kiesow. - 2. Aufl. - Stuttgart : Theiss, 1998. - 269 S. : Ill.
Die Kunst der Romanik : Architektur, Skulptur, Malerei / hrsg. von Rolf Toman. - Köln : Könnemann, 1996. - 481 S. : Ill. (zurück)
[3]
Dictionnaire d'iconographie romane / Marc Thoumieu. - 2. éd. - [Saint-Léger-Vauban] : Zodiaque, 1996. - 365 S. : Ill. ; 22 cm. - (Introductions à la nuit des temps ; 15). - ISBN 2-7369-0231-9 : FF 260.00 [4172]. - Eine Rezension in IFB ist vorgesehen. (zurück)
[4]
Initiation à l'art roman [Computerdatei] / Angelico Surchamp & Régine Pernoud. - [St.-Léger-Vauban] : Zodiaque [u.a.], 1995. - 1 CD-ROM in Behältnis. - FF 395.00 [3435]. - Rez.: IFB 96-2/3-300. (zurück)

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