Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

The Dante encyclopedia


00-1/4-202
The Dante encyclopedia / ed. Richard Lansing. - New York ; London : Garland, 2000. - XXVI, 1006 S. : Ill., Kt. ; 26 cm. - (Garland reference library of the humanities ; 1836). - ISBN 0-8153-1659-3 : $ 125.00
[6033]

Das neue, aus den USA stammende Lexikon zum "ganzen" Dante zählt zwar 144 Mitarbeiter aus nicht weniger als 12 Ländern, doch wenn man die Liste auf S. XIII - XVII durchsieht, stellt man schnell fest, daß es sich so gut wie ausschließlich um solche aus anglophonen Ländern handelt; die einzige nennenswerte Ausnahme bildet Italien, für das vier (auf Grund ihres Namens) einheimische Dante-Forscher genannt sind (dazu noch der eine oder andere außerhalb Italiens lehrende), deren Artikel ins Englische übersetzt wurden, soweit sie nicht gleich auf Englisch abgefaßt waren. Die Herkunft der Mitarbeiter fast ausschließlich aus dem anglo-amerikanischen Kulturraum führt aber keineswegs dazu, daß der Rest der Welt ausgeblendet würde, im Gegenteil: obwohl z.B. kein Romanist aus Deutschland beteiligt ist, wird das Thema Dante und bzw. in Deutschland relativ breit behandelt und auch die verzeichnete Sekundärliteratur ist durchaus international (und deutsche Titel dazu ohne die sonst üblichen Verballhornungen zitiert; selbst Umlaute sind erhalten geblieben).

Der Umfang der (lt. Vorwort) knapp 1000 gezeichneten Artikel reicht von relativ kurzen, etwa 10 Zeilen bis zu Artikeln enzyklopädischen Inhalts und Umfangs, die mit Zwischenüberschriften untergliedert sind womit der Herausgeber den Anspruch rechtfertigt, es handele sich hier um eine encyclopedia und nicht um ein dictionary; damit setzt er sich zugleich von dem älteren englischsprachigen Dante-Lexikon von Toynbee[1] ab. Der wichtigste Unterschied zu diesem liegt allerdings in der Auswahl der Lemmata: Bei Toynbee überwiegen ganz eindeutig die proper names, also Gestalten aus Dantes Werken, Zeitgenossen und historische Persönlichkeiten sowie Geographica, während die Eintragungen unter Sachschlagwörtern wenig zahlreich sind und sich dazu (trotz der Revision durch den bekannten amerikanischen Dante-Forscher und -Übersetzer Charles Southward Singleton) nicht selten mit einer positivistischen Datenanhäufung begnügen. So besteht z.B. der Artikel Bibbia bei Toynbee fast zur Gänze aus einer Aufzählung der Bibel-Zitate bei Dante, während der entsprechende Artikel Bible im vorliegenden Werk bei etwa gleicher Länge einen Überblick über Dantes Stellung zur Heiligen Schrift und ihre Verwendung in seinen Werken gibt und dazu einschlägige Literaturangaben nennt. Natürlich finden sich auch in der Dante encyclopedia (meist kurze) Eintragungen über Namen und Geographica aus Dantes Werken und sonstige damit in Zusammenhang stehende Namen. Zusätzlich finden sich Eintragungen unter den Namen wichtiger Dante-Kommentatoren sowie der bedeutendsten Dante-Forscher vor allem des 20. Jahrhunderts, aber z.B. auch von Illustratoren seiner Werke (von Botticelli über Blake bis Dal¨). Mittellange bis lange Artikel bekommen die einzelnen Werke des Dichters sowie zentrale Begriffe. Von den enzyklopädischen Überblicksartikeln seien nur einige erwähnt: Allegory, Boccaccio, Commedia (S. 181 - 213, in acht Abschnitte sachlich gegliedert, wobei die Abschnitte z.T. eigene Literaturangaben haben; hier auch Abschnitte über die Editionen und die frühen und späteren Kommentare) oder Florence (18 S.). Unter Dante and ... finden sich mittellange Artikel über Film, Bildende Kunst, die klassische Tradition und Fernsehen, dagegen nicht über Musik, unter Dante in ... Artikel zur Dante-Rezeption und -Forschung in England, Frankreich, Deutschland (7 S.), in der italienischen Literatur, in Rußland und Spanien; eigenartigerweise fehlt ein Artikel über Dante in den USA; es gibt nur einen über die Dante Society of America, während die Deutsche Dante-Gesellschaft gleichfalls einen eigenen Artikel zusätzlich zu dem über Deutschland hat. Dazu gibt es noch separate Artikel für England, France, Germany und Italy (nicht dagegen für die anderen vorstehend genannten Länder), in denen deren Bild in Dantes Werk erörtert wird, unter Germany (von Gustavo Costa) aber zusätzlich noch ein Abschnitt über die Rezeption Dantes in Deutschland, der ganz offensichtlich nicht mit dem vorstehend genannten Artikel Dante in Germany (von Ernst Behler) koordiniert wurde.[2]

Da sich die Dante encyclopedia speziell an ein englischsprachiges Publikum wendet, sind die Lemmata unter ihrer englischsprachigen Form angesetzt, unter der italienischen nur dann, wenn kein eingebürgerter englischsprachiger Begriff existiert. Diese Ausrichtung beeinflußt auch die Auswahl der zitierten Sekundärliteratur, unter der die englischsprachige besonders breit vertreten ist (was sich natürlich auch aus der Bedeutung der Dante-Forschung in den anglo-amerikanischen Ländern ergibt), doch geht das nicht auf Kosten der Literatur in anderen Sprachen: voran natürlich italienisch, gefolgt von deutschsprachiger Sekundärliteratur, die hier (im Gegensatz zur weitgehenden Nichtbeachtung in vielen italienischen Publikationen) breit und sachkundig ausgewählt wurde; daß im Artikel über Rußland auch russischsprachige Sekundärliteratur angeführt wird, sei eigens erwähnt.

Beigaben: 1. als Vorspann drei Karten (die denen bei Toynbee entsprechen, doch waren sie dort wesentlich detaillierter und informativer) und Schemata von Dantes Jenseitsreich; 2. die Schwarzweißabbildungen im Text sind nur von mäßiger Qualität aber dafür stehen sie bei den Artikeln, die sie illustrieren; 3. im Anhang: chronologische Übersichten über das Leben Dantes, die Päpste, die römischen und deutschen Kaiser; Liste der Dante-Vertonungen (Jahr, Komponist mit Lebensdaten und Nationalität, Titel, Gattung, Textstelle bei Dante) und der Einspielungen solcher Kompositionen (Komponist, Titel, Label und Nummer, Jahr); ganz knappe Bibliographie von Informationsmitteln (Bibliographien,[3] Lexika und Konkordanzen, Zeitschriften; Internet-Quellen[4]); Register der italienischen und lateinischen Eigennamen; allgemeines Register (mit Markierung der Lemmata).

Kritische Bemerkungen verdienen außer einer gewissen Unausgewogenheit (die z.B. daran abzulesen ist, welche Artikel mit Literaturangaben schließen oder nicht: Arnaut Daniel mit, Bertran de Born ohne) und ungenügender Koordinierung (s.o.) vor allem die unzureichende Erschließung: so fehlen leider innerhalb der Artikel Verweisungen bei Namen und Sachen, die eigene Artikel haben: natürlich wüßte man gerne bei der Lektüre des Artikels Dante in Germany, daß es Artikel über E. Auerbach, L. Spitzer und K. Vossler gibt; gleiches gilt für die fehlenden Verweisungen in den Abschnitten über die Dante-Kommentare auf Einzelartikel und umgekehrt. Ganz besonders bedauerlich ist es, daß es Herausgeber und Verlag versäumt haben, eine systematische Übersicht über die Artikel (und ihre Untergliederung) zu geben: sie würden es erlauben, das Werk mit seinen enzyklopädischen Elementen durch die Hinzuziehung der in den kurzen Artikeln enthaltenen Informationen für die zusammenhängende "Lektüre" zu erschließen.

Auch wenn man dank der Dante encyclopedia das Dante dictionary jetzt endgültig aus den Informationsapparaten entfernen kann, gilt das keineswegs für die Enciclopedia dantesca,[5] die zuerst in sechs großformatigen Bänden zwischen 1970 und 1978 erschien und die heute in einer leicht revidierten 2. Aufl. von 1984 (in wenigen Exemplaren) noch lieferbar ist. Abgesehen davon, daß sie eine Kombination aus Dante-Wörterbuch und -Lexikon darstellt, ist letzteres - das allein in Konkurrenz zur Dante encyclopedia steht - wesentlich reicher an Artikeln,[6] so daß man wohl weiterhin immer dort zuerst nachschlagen wird; zusätzlich sollte man aber jetzt stets die Dante encyclopedia konsultieren, und das nicht nur wegen der aktuelleren Sekundärliteratur. Umgekehrt ist Zahl und Qualität der Abbildungen in der Enciclopedia dantesca unschlagbar.

Klaus Schreiber


[1]
A dictionary of proper names and notable matters in the works of Dante / Paget Toynbee. Rev. by Charles S. Singleton. - Oxford : Clarendon Press, 1968. - XXIV, 722 S. : graph. Darst., Kt. ; 25 cm. - Rückent.: Dante dictionary [6037]. - Die 1. Aufl. erschien bereits 1898.
Toynbee wird mit einem kurzen, Singleton mit einem längeren Artikel in der Dante encyclopedia gewürdigt. (zurück)
[2]
Während Behler seine Darstellung des 20. Jahrhunderts auf die drei großen Namen Vossler, Auerbach und Curtius konzentriert (für die Zeit nach 1945 nennt er nur einige Werktitel), erwähnt Costa immerhin die Zeit des Dritten Reiches: "Since Dante's cult was not incompatible with fascism, as Ezra Pound's case proves, Germany still retained an uninterrupted tradition of Dante scholarship ... " (S. 435). Ein wesentlich differenziertes Bild dieser Zeit zeichnet der folgende, vorzüglich dokumentierte Beitrag von fast monographischem Umfang: Die deutsche Dante-Rezeption 1933 - 1945 in Publizistik und Wissenschaft: zwischen politischer Instrumentalisierung und menschlicher Integrität / von Martin und Ulrike Hollender. // In: Deutsches Dante-Jahrbuch. - 74 (1999), S. 13 - 84. (zurück)
[3]
Die fünf Titel beschränken sich auf die allgemeinen Dante-Bibliographien. Leider fehlen die Bibliographien für einzelne Länder in den Literaturangaben der entsprechenden Artikel, so etwa Ostermann (1929) für Deutschland oder Dancenko (1973) für Rußland. (zurück)
[4]
Es sind ausschließlich amerikanische Adressen. Die der Società Dante Alighieri (die im Gegensatz zur Società Dantesca Italiana keinen eigenen Artikel hat) lautet: http://www.soc-dante-alighieri.it (zurück)
[5]
Enciclopedia dantesca / [a cura di Umberto Bosco]. - 2. ed. riv. - Roma : Istituto della Enciclopedia Italiana. - 29 cm [6038]. - [Grundwerk]. - 1984. - 1 - 5. - Ill. - Appendice. Biografia, lingua e stile, opere. - 1984. - 1022 S. : Ill. - Zus. Lit. 3.600.000. (zurück)
[6]
So finden sich nur hier z.B. auch Artikel über weniger bedeutende Dante-Forscher und -Übersetzer, etwa über Lebrecht Bachenschwanz, dem wir die erste Gesamtübersetzung der Commedia ins Deutsche verdanken (der Artikel stammt übrigens von W. Theodor Elwert, da sich auch die Enciclopedia dantesca eines internationalen Mitarbeiterstabes bediente). (zurück)

Zurück an den Bildanfang