Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Elektronisches Sachwörterbuch zur deutschen Literatur


00-1/4-165
Elektronisches Sachwörterbuch zur deutschen Literatur / von Volker Meid. - Stuttgart : Reclam, 2000. - 1 CD-ROM. - Für PC und Mac. - (Tools fürs Literaturstudium). - Gedruckte Ausg. u.d.T.: Sachwörterbuch zur deutschen Literatur. - ISBN 3-15-100214-5 : DM 39.90 (fr.Pr.)
[5959]

In einer Vorbemerkung des Verlags wird die CD-ROM-Ausgabe des Sachwörterbuchs zur deutschen Literatur[1] als "durchgesehene Fassung" bezeichnet. Änderungen gegenüber der gedruckten Version, die aus der erwähnten Durchsicht resultieren, sind nicht aufgefallen, dürften sich aber auch schon wegen des kurzen zeitlichen Abstands, in dem die elektronische Ausgabe der Buchfassung gefolgt ist, auf Minimalia beschränken. Ein Hinweis auf das konkurrierende Werk von Best, dessen Fehlen in der allgemeinen Literaturliste in der Besprechung der Buchausgabe moniert worden ist, findet sich auch auf der CD-ROM nicht. Im Textbestand ist die CD-ROM nicht erweitert, obgleich sich bei einer wirklichen Neubearbeitung leicht etwa bibliographische Hinweise zu den einzelnen Lemmata oder Zitate aus literarischen Werken hätten ergänzen lassen, um die abstrakten Erklärungen durch Beispiele um Anschaulichkeit anzureichern. Über die hohe Qualität der gedruckten Ausgabe und ihre besondere Eignung als Hilfsmittel im Studium ist anläßlich der Druckversion alles Nötige gesagt, das hier nicht wiederholt zu werden braucht.

Bekanntlich verfolgt der Reclam-Verlag in seinem literarischen Programm seit längerem die Politik, die neuen Medien zur Leseförderung einzusetzen. Warum auch nicht, wenn schon keiner mehr liest, warum soll man dann nicht wenigstens den Text von Goethes Werther aus dem Munde eines professionellen Sprechers hören? Weniger erfreulich schon, daß manches Beiwerk auf den CD-ROM-Produkten durch Text-Export-Funktionen eins zu eins seinen Weg in die Seminararbeiten findet - gleich mehrfach "unverdaut", weil nämlich nicht gründlich gelesen, nicht exzerpiert, paraphrasiert etc., sondern einfach als Textblock bloß kopiert.

Solche Vorbehalte gelten naturgemäß nicht für die elektronischen Varianten eines Nachschlagewerks, da nur sie die Möglichkeit mehrdimensionaler Recherchen bieten. Aber doch: es handelt sich um einen Vorzug, den man erst dann richtig schätzt, wenn die zu durchsuchende Textmenge sehr umfangreich ist. Für ein vielbändiges Kritisches Lexikon der Gegenwartsliteratur (KLG) stellt eine CD-ROM-Version[2] einen weit größeren Zugewinn an Information dar als für ein kleines handliches Lexikon wie das Meidsche Sachwörterbuch. Es hätte der CD-ROM-Variante hier nicht unbedingt bedurft. Wer Nachschlagewerke nicht nur zur punktuellen und eiligen Recherche "benutzt",[3] sondern in ihnen liest - sich auf der Suche nach einer Sache zum Finden einer anderen verlocken läßt -, für den bleibt das gedruckte Buch ohnehin allemal die bevorzugte Ausgabeform, weil es das großräumige Stöbern erlaubt. Aus zum Studium Berechtigten solcherart stöbernde Leser zu machen, wäre ein grundlegender Beitrag zur allerorts proklamierten Reform des Studiums. Alles und Jedes in PC-gängiger Technik anzubieten, nur weil die "Kids" nun einmal den halben Tag vor einem Bildschirm hocken, entspringt jener Hyperdidaktik, die jeden dort abholen möchte, wo er gerade steht, sitzt oder liegt.

Fazit: Man kann gegen die CD-ROM - zu deren Nutzung der Käufer den mitgelieferten Acrobat-Reader in der Version 4.0 installieren muß; den kann man ja auch sonst gebrauchen, etwa um sich Videos am Bildschirm anzuschauen, wenn's einem beim Sachwörterbuch einmal langweilig werden sollte - nichts einwenden, schon gar nicht, daß sie schlechter als das Lexikon sei, höchstens eben dies eine: daß sie ein vorzüglich gelungenes Buch, das ihr zugrundeliegt, allen gegenteiligen verlegerischen Beteuerungen zum Trotz womöglich doch verdrängen könnte, wenn nicht aus der Verkaufsstatistik, so doch aus dem Bewußtsein potentieller Leser. Den gedruckten Meid ersetzt sie aber nicht, denn viele Vorzüge, deren sich das Werk zu Recht rühmt, erschließen sich nur dem blätternden Leser, nicht dem Rechercheur, etwa die Berücksichtigung der mittel- und neulateinischen Literatur als Bestandteile der deutschen Literaturgeschichte, die Wechselbeziehungen, Einflüsse und Rezeptionsvorgänge, wie sie z.B. unter den Stichwörtern Antikerezeption, Petrarkismus usw. dargestellt werden.

Hans-Albrecht Koch


[1]
Sachwörterbuch zur deutschen Literatur / von Volker Meid. - Stuttgart : Reclam, 1999. - 571 S. ; 16 cm. - CD-ROM-Ausg. u.d.T.: Elektronisches Sachwörterbuch zur deutschen Literatur. - ISBN 3-15-010459-9 : DM 29.80 [5670]. - Rez.: IFB 99-1/4-170. (zurück)
[2]
Das KLG auf CD-ROM [Computerdatei] : kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur / hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. - München : Edition Text + Kritik [5746]. - 1999,1. Stand: 63. Lfg. 1999. - 1 CD-ROM. - ISBN 3-88377-623-8 : DM 460.00, DM 360.00 (für Abonnenten der Druckausg.) - 3 Nachlfg. auf CD-ROM p.a. à ca. DM 38.00. - ISBN 3-88377-624-6 : DM 710.00 (Loseblattausg. und CD-ROM). - Rez.: IFB 99-1/4-167. (zurück)
[3]
Selbst in diesem Fall dürfte es bequemer sein und vor allem schneller gehen, den gesuchten Begriff im gedruckten Werk nachzuschlagen. - Daß solche handliche, in Griffweite eines jeden Schreibtischs gehörenden Fachwörterbücher und Datensammlungen bevorzugt in der Druckausgabe benutzt werden, läßt sich sogar mit Beispielen aus der Mathematik und den Naturwissenschaften schlagend belegen: so zählten die im Netz der Universität Freiburg kostenfrei angebotenen "Bibeln" der Mathematiker (Taschenbuch der Mathematik / Bronstein) und Physiker (Taschenbuch der Physik / Stöcker) auch nach längerer Zeit keinen einzigen Zugriff, eben weil jeder diese Bände auf dem Schreibtisch stehen hat. (Freundliche Mitteilung von Herrn Ruppert, UB Freiburg). [sh] (zurück)

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