Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
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Nezabytye mogly


00-1/4-058
Nezabytye mogly : rossijskoe zarubez'e ; nekrologi 1917 - 1997 ; v sesti tomach / Rossijskaja Gosudarstvennaja Biblioteka, Otdel Literatury Russkogo Zarubezja. Sost. V. N. Cuvakov. - Moskva : Izdat. "Paskov Dom". - 30 cm
[6060]
T. 1. A - V. - 1999. - 659 S. - ISBN 5-7510-1069-9 : DM 140.00 (Kubon & Sagner, München)
T. 2. G - Z. - 1999. - 647 S. - ISBN 5-7510-0170-2 : DM 140.00 (Kubon & Sagner, München)

Die Russische Staatsbibliothek legt ein ungewöhnliches Lexikon vor: einen Nekrolog russischer, zwischen 1917 und 1997 verstorbener Emigranten. Dabei werden den Nekrologen auch Artikel zum 10. Todes- oder 100. Geburtstag zugeordnet. Die Angaben verweisen auf über 150 russische Periodika, von denen aber nur wenige zugänglich sind. Den Anstoß scheint die Militärzeitschrift Casoboj gegeben zu haben, die verstorbenen Offizieren der Weißen Armee sämtlicher Ränge unabhängig von deren historischer Bedeutung Nachrufe widmete.

Der Nekrolog gibt neben einer Zeile mit Grundinformationen den Beruf und ggf. verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen in das Lexikon Einbezogenen an. Falls ermittelt, sind auch die wichtigsten mit der Emigration verbundenen Lebensdaten aufgeführt. Bei berühmten Emigranten sind die Angaben bewußt kurz gehalten, so z.B. bei dem Schriftsteller und Nobelpreisträger Ivan Bunin, dem Philosophen Nikolaj Berdjaev, dem Oberkommandierenden der Freiwilligenarmee General Anton Denikin oder dem Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, Metropolit Antonij (A. Chrapovickij). Die Kürze wird damit erklärt, es befänden sich in anderen Lexika ausführliche Artikel, aber auf diese hätte verwiesen werden müssen. Überflüssig ist die häufige Mitteilung, in welchem Alter jemand gestorben ist, da Geburts- und Todesdaten genannt werden.

Das Werk geht auf das lobenswerte Bemühen einiger russischer Wissenschaftler zurück, die in der gesamten Sowjetzeit verleumdete und weitgehend verschwiegene Emigration ins Bewußtsein der Menschen im Lande zu bringen und Voraussetzungen für die Erforschung ihrer Geschichte und einzelner Schicksale zu schaffen. Dieser auf sechs Bände geplante Nekrolog erhebt nun im Vorwort den Anspruch, "das Andenken an jene Menschen zu bewahren, die nach dem Willen schwerer Schicksale Rußland verlassen haben". Dazu ist er nicht in der Lage. Er wird nach Fertigstellung lediglich 50.000, nach keinem Prinzip ausgewählte Personen verzeichnen (pro Band ca. 8500), also einen unwesentlichen Prozentsatz der mindestens 15 bis 20 Millionen Emigranten. Höchstens zwei Prozent der Aufgeführten dürften von einer wenigstens gewissen historischen Bedeutung sein, während viele wichtige Persönlichkeiten fehlen. Bei der überwiegenden Mehrzahl ist es normal, daß kein "Andenken" bewahrt wird, zumal da 99,9 % der Benutzer des Nekrologs sie nicht kannten.

Aufmachung und Preis stehen in erheblichem Gegensatz zum Nutzen. Bereits auf zwei Bände hätte man das Werk reduzieren können, wenn man Spaltendruck und kleinere Schrift gewählt und auf die Einrahmung jeder Seite mit einer Schmucklinie so wie den breiten Durchschuß zwischen jeder Eintragung verzichtet hätte, auf einen einzigen Band durch kritische Durchsicht des Gesammelten auf wissenschaftlich irgendwie Wesentliches, selbst wenn die Namen der Autoren der Nekrologe und Gedenkartikel genannt und das notwendige Verzeichnis der ausgewerteten Zeitschriften beigefügt worden wären. In einem derartigen Einzelband wäre noch Raum gewesen, auf Nekrologe in westlichen Sprachen zu verweisen, denn die bedeutenden russischen Emigranten waren in die westliche Kultur integriert, von den Aufgenommenen beispielsweise der Philosoph Nikolaj von Bubnov, der 1962 in Heidelberg starb, und der Dichter Lev Druskin, über den z.B. der Lyriker und Nachdichter russischer Lyrik Kay Borowsky in der Stuttgarter Zeitung (28.11.1990) schrieb. Aber es fehlen auch wichtigste russische Nekrologe.[1]

Das Werk ist das Ergebnis jahrzehntelangen, doch recht zufälligen Sammelns eines russischen Bibliographen. Wissenschaftler, die sich mit historisch bedeutenden Personen befassen - in dem Buch vielleicht ein halbes Prozent -, werden in der Regel in ausführlicheren Lexika das Wesentliche finden, doch oft hier Ergänzendes entdecken. Aber manch historisch Beachtenswerter ist auch nur hier vertreten. Es bleibt unverständlich, woher im heutigen Rußland das Geld für die aufwendige Herstellung kam, und es ist verständlich, wenn westliche Bibliotheken ihr Geld für andere Lexika ausgeben, zumindest aber vorher prüfen, ob die neueren Handbücher zur russischen Emigration vorhanden sind.[2]

Wolfgang Kasack


[1]
Z.B. bei Druskin: Smena. - Leningrad. - 90-11-29. - Nachdruck: Russkaja mysl. - Paris. - 90-12-21 und Literaturnaja gazeta. - Moskva. - 90-12-26. (zurück)
[2]
Z.B.: Russia abroad / John Glad (1999). - IFB 99-1/4-215. - Russkoe zarubez'e / V. V. Selochaev (1997). - IFB 99-BO9-730. - Biographisches Lexikon des russischen Heidelberg / Willy Birkenmaier. - 2. Aufl. (1998). - IFB 99-1/4-466. (zurück)

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