Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
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The illustrated incunabula short-title catalogue on CD-ROM


00-1/4-005
The illustrated incunabula short-title catalogue on CD-ROM [Computerdatei] / in assoc. with The British Library. - 2. ed. - Reading : Primary Source Media, 1998. - 4 CD-ROM + User's guide (73 S.) in Verpackung. - œ 2500.00
[5723]
00-1/2-006
Incunabula : studies in fifteenth-century printed books presented to Lotte Hellinga / ed. by Martin Davies. - 1. publ. - London : British Library, 1999. - XVIII, 650 S. : Ill. ; 24 cm. - (The British Library studies in the history of the book). - ISBN 0-7123-4507-8 : œ 50.00
[5550]

Altbestand in Bibliotheken und digitale Medien: Das sind für viele Zeitgenossen, darunter auch nicht wenige Bibliothekare, zwei Welten, die so gründlich wie sonst keine anderen voneinander getrennt zu sein scheinen. Diese Einschätzung beruht hauptsächlich auf einem ungeheuer hartnäckigen Vorurteil gegenüber jenen, die mit alten Büchern arbeiten, und ihren Methoden. Wer genauer hinsieht oder die Branche aus eigener Anschauung kennt, weiß hingegen, daß es zwar den Typus des kautzigen, der Welt leicht entrückten und sich ausschließlich auf seinen Zettelkasten verlassenden Buchforschers noch immer gibt, gerade im Bereich des alten Buches aber heute zahlreiche Projekte angesiedelt sind, die nicht nur sehr aufgeschlossen die Möglichkeiten neuer Medien nutzen, sondern darüber hinaus auch Impulse für die Weiterentwicklung der technischen Aspekte liefern. Das hat sicherlich zahlreiche Gründe. Nur auf die in diesem Bereich zumeist klaren Rechtsverhältnisse zu verweisen, greift zu kurz. Digitalisierungsprojekte von Altbeständen sind kein Substitut für andere Vorhaben, die man wegen rechtlicher Beschränkungen nicht durchführen darf. Der Reiz liegt vielmehr in der Materie selbst. Man könnte z.B. an die Herausforderungen denken, die illuminierte Handschriften oder kolorierte Drucke an die Technik stellen, an die Bemühungen um eine elektronische Schrifterkennung für Frakturschriften, usw. Außerdem werden über den Weg der Digitalisierung schnelle Zugangsmöglichkeiten zu einzelnen Exemplaren möglich. Dieser Aspekt hat für den Altbestand eine sehr große Bedeutung, geht es doch häufig um die Kenntnis von individuellen Eigenschaften, die das Ausweichen auf beliebige andere Exemplare von vornherein ausschließen. Anstatt einer Auflistung von weiteren Vorteilen beim Einsatz digitaler Technik für den Altbestand sei hier lieber eine kleine und willkürliche Auswahl von Projekten präsentiert, die eindrucksvoll vorführen, wie interessant und fruchtbar es ist, wenn neue Medien und alte Bücher aufeinandertreffen. Renaissance Dante in Print - 1472-1629 war der Titel einer Ausstellung 1994, zu der ein Internetkatalog konzipiert wurde.[1] Anders als in dieser Form wird man eine nur halbwegs vergleichbare Versammlung von z.T. höchst seltenen Büchern kaum einmal zu Gesicht bekommen. Erhellende Einsichten verspricht das Göttinger Projekt der Digitalisierung der B42.[2] Mit anderen Exemplaren desselben Drucks beschäftigt sich die Keio University in Japan.[3] An beiden Stellen werden natürlich auch noch andere Werke als nur die Gutenbergbibel digital aufbereitet. In der Menge aller laufenden Projekte inzwischen ein Klassiker: Making of America[4] mit ungeheuren Datenmengen. Klein aber fein ist die Zusammenstellung von alten Drucken in der Editio Theodoro-Palatina im Rahmen des Mateo-Projektes.[5] Die Liste ließe sich nach Belieben verlängern.

Bemerkenswert ist nun, daß über die Präsentation einzelner Werke hinaus auch die Katalogisierung alter Drucke sich zunehmend der Möglichkeiten digitaler Techniken bedient. War bei der spezifischen Problematik der Formalerschließung älterer Werke schon allein die bloße Konversion von konventionellen Titelaufnahmen und die Aufbereitung in einer Datenbank für jede Recherche ein Gewinn, so führt die Verbindung von bibliographischen Angaben mit Bildmaterial in der Konsequenz zu einem neuen Typ von Katalog. Natürlich gibt es dazu konventionelle Vorläufer. Eine Schlüsselstellung nimmt der Wolfenbütteler Katalog Deutsche Drucke des Barock 1600 - 1720[6] ein, der bereits den Weg einer Verknüpfung von Kurztitelaufnahmen mit Abbildungen von Titelblättern eingeschlagen hatte. Freilich wird auch gerade an diesem Beispiel deutlich, wie verzwickt die notwendige Erschließung durch Register in der konventionellen Form ist. Diese Situation hätte förmlich nach einer Datenbank geschrieen. Bekanntlich wird das VD 17 eine solche Lösung realisieren,[7] und man muß kein Prophet sein, um vorherzusehen, daß andere Projekte ähnliche Verfahren anwenden werden. Da sich die Methode vor allem dazu eignet, Kurztitelverzeichnisse qualitativ erheblich zu verbessern, ist es natürlich kein Zufall, daß auch die "Short-Title-Spezialisten" in England und Amerika entsprechende Datenbanken aufbauen. Damit kommen wir nun endlich zum Illustrated incunabula short title catalogue on CD-ROM (IISTC).

Der IISTC liegt in der zweiten Auflage auf vier CD-ROMs vor, die mit einem gut verständlichen Handbuch von 73 Seiten geliefert werden. Der Beschreibung der Datenbank und ihrer Funktionalitäten seien einige Bemerkungen über verwandte Inkunabelprojekte vorangestellt.

Am Anfang steht das bis ins Jahr 1980 zurückreichende Vorhaben der British Library und vor allem von Lotte Hellinga, einen elektronischen Inkunabelzensus aufzubauen. Dieses Projekt mit Namen ISTC umfaßt heute mehr als 28.000 Frühdrucke, davon über 26.000 echte Inkunabeln (Stand Ende 1998).[8] Erwartet werden bei Abschluß des Projektes etwa 27.500 echte Wiegendrucke. Die Datenbank, der mit nationalen Redaktionen aus aller Welt zugearbeitet wird, ist im Prinzip zugänglich, aber kostenpflichtig.[9] Auf der Basis der darin enthaltenen Informationen entstand seit 1992 die monumentale Mikrofiche-Edition Incunabula - the printing revolution in Europe 1455-1500, die in thematisch definierten Lieferungen vollständig auf Mikrofiche reproduzierte Druckausgaben des 15. Jahrhunderts enthält. Hier entsteht also nichts weniger als eine komplette, virtuelle Inkunabelbibliothek als Sekundärform. Einige Tausend Mikrofiches liegen bereits vor, die nächsten Lieferungen sind bereits angekündigt. Der IISTC hat mit beiden Projekten zu tun: er erweitert die ISTC-Datenbank um Abbildungen, in der zweiten Auflage sind es immerhin 20.000 Bilder aus 4.000 Drucken. Und zugleich erfüllt er die Funktion eines Registers für die Mikrofiche-Edition.

Der IISTC ist - bisher zumindest - weniger ein Katalog als vielmehr eine Bibliographie aller heute noch auffindbaren Textausgaben der Inkunabelzeit. "The unit of an ISTC record is an edition and not a copy", resümiert das Handbuch (S. 26). Die Dokumentation von Ausgaben ist auch das Ziel der Mikrofiche-Edition. Alle drei Unternehmungen haben damit dezidiert dasselbe bibliographische Ziel: die vollständige Erfassung von erhaltenen Wiegendrucken, wie sie die Druckerpressen verlassen haben. Die Datenbanken übernehmen dennoch auch Aspekte eines Gesamtkataloges, indem sie Bestandsnachweise liefern.

Doch nun zur Datenbank selbst, einem Teil ihrer Funktionen und ihrer Technik. Sie ist eine, das sei schon mal vorab herausgestellt, ganz überwiegend erfreuliche Errungenschaft, die, wie fast alle Datenbanken, in der Benutzung aber etwas Einarbeitung erfordert. Aufbau, Übersichtlichkeit, Benutzerführung, Funktionalitäten sind der Zielsetzung im Prinzip angemessen, durchdacht und einigermaßen durchschaubar. In Verbindung mit dem Handbuch dürfte es jedem, auch dem sonst in Sachen Datenbankretrieval eher Ungeübten, ein leichtes sein, sich in das Produkt einzuarbeiten.

Für den Regelfall der Benutzung wird es genügen, den vier hintereinander liegenden Such- und Ergebnisbildschirmen zu folgen. Über die Startseite (1) gelangt man zum Suchbildschirm (2), auf den ein List display (3) und schließlich ein Full display (4) antworten. Der Standard-Suchbildschirm gibt 14 suchbare Kategorien vor: Zu ihnen gibt es eine kontextsensitive Online-Hilfe, die bei zügigeren Mausbewegungen leicht nervig werden kann. Sie läßt sich zum Glück abstellen. Hilfreicher ist die bei Bedarf aufrufbare Search help, in der alle Funktionen erläutert werden. Die Kategorien sind jedem Inkunabelerfahrenen ohnehin vertraut oder aus den oben erwähnten Zusammenhängen leicht erschließbar: Suche über alle Felder, Autor, Titel, Drucker, Druckort, Druckdatum, Format, Sprache, Mikrofiche, Bibliographie, Aufbewahrungsort, Erscheinungsjahr, Bildinformation, ISTC-Identifikationsnummer. Zu erklären ist vielleicht die scheinbar doppelte Angabe zum Entstehungsdatum eines Buches: Bei Druckdatum (Date of publication) finden sich z.B. auch termini post bzw. ante in der Form: after, not after, before, not before, sowie ungenaue (about, between) und sehr genaue Datierungen mit Tagesangaben. Beim Erscheinungsjahr (Year of publication) stehen hingegen normierte Jahreszahlen, die vor allem dem Zweck dienen, daß auch Zeiträume durchsucht werden können.

Im Feld Mikrofiche stehen Nummern aus der Incunabula-Edition, im Feld Bildinformation schließlich die genaue Bezeichnung der als Bilder beigegebenen Seiten.[10]

Zu allen Kategorien gibt es durch Mausklick aufrufbare Register, in denen enthaltene Einträge ausgewählt werden können. Für die Recherche stehen die üblichen Operatoren und Trunkierungsmöglichkeiten zur Verfügung, die überall zum Standard gehören. Hervorzuheben ist die oben schon erwähnte Möglichkeit, auch Zeiträume als Suchbegriff angeben zu können.

Bei mehr als einem Treffer empfiehlt sich die Ansicht der Ergebnisse im Listenmodus, wobei das Sortierungskriterium gewählt werden kann. Von hier aus kann dann die Vollanzeige einzelner Titel im Full display erfolgen, in der nicht nur die in der Listenansicht fehlenden Kategorien angezeigt, sondern auch unter Notes erläuternde Informationen zu Autor und Text bzw. zu Fragen der Datierung usw. geliefert werden. Alles aus dieser Kategorie ist übrigens im Feld All fields auch suchbar.

Ein für die Praxis sehr hilfreiches Angebot ist es, in einem alternativ zur Standardsuche angebotenen zweiten Suchbildschirm (Preferred attributions) solche Treffer für eine Suche ausschließen zu können, in denen der gewünschte Begriff oder Name nicht mit erster Priorität vorkommt. Weitere nützliche Merkmale: Die Postinkunabeln können für Recherchen ausgeschlossen werden; Speichern von Suchanfragen; Aufruf der Search history; Möglichkeiten zum Export der Ergebnisse, Vollanzeige der sonst nur abgekürzt wiedergegebenen bibliographischen Zitate und der Aufbewahrungsorte mit dem Befehl Expand codes.

An verschiedenen Stellen stößt man allerdings auch auf Stolpersteine: Die Benutzung des Registers zum Beispiel kann tückisch sein. Sucht man nach Drucken von Günther Zainer und gibt diesen Namen im Feld Printer ein, erhält man 104 Treffer. Dabei sind auch Inkunabeln, die Zainer von Teilen der Forschung zugewiesen wurden oder werden, im IISTC aber unter einem anderen Drucker aufgenommen sind. Mit demselben Suchbegriff in der Preferred attributions-Maske deshalb nur 100 Treffer.[11] Ruft man nun aus der Standard-Suche das Register auf, findet man den Namen[12] des Druckers, jedoch an nicht weniger als fünf Stellen: Unter Günther [Zainer, Günther Zainer, Günther Zainer], [Günther Zainer und [Günther Zainer]. Die beiden letzten stehen in der Ordnung wegen der Klammern aber an ganz anderer Stelle im Register. Die für die bibliographische Beschreibung unverzichtbaren Klammern wirken sich im Register leider auf die Sortierung aus, was nur durch die Einführung einer normierten Ansetzung für die Drucker umgangen werden könnte.

Bei der Suche über das Feld Printing areas, einem systematisch nach Ländern geordneten Zugriff auf Frühdruckstätten, taucht auch Wuerttemberg als Region auf, doch gibt es dazu keine Trefferangabe. Der Eintrag soll wohl auch nicht der Zusammenfassung von württembergischen Druckorten dienen, sondern als Sammelbezeichnung für nicht eindeutig zugeordnete Drucke, wie ein Blick auf den einzigen unter Bavaria zu erzielenden Treffer klarmacht: Die Zuordnungen schwanken hier zwischen Landshut und Fürstenfeld, weshalb in der Druckort-Kategorie einfach Bayern eingetragen wurde. Eine Gruppierung der Druckorte nach Regionen, was man an dieser Stelle bei der Wahl des Kriteriums Printing areas erwarten würde, wäre aber eigentlich eine gute Idee.[13]

Lernen muß man ein paar Eigenarten der Syntax und natürlich die Konventionen der Datenbank. Exakte Suchbegriffe wie bibliographische Zitate müssen z.B. in Anführungszeichen gesetzt werden, und zu den Konventionen gehört die Ansetzung der Druckorte unter dem englischen Namen (Munich), während sich die Angabe des Aufbewahrungsortes nach der jeweiligen Landessprache richtet (München). Bei Autoren und Titeln kann bzw. muß man sich mit den Registern behelfen, um die jeweils gültige Ansetzungsform herauszubekommen, Verweisungen von abweichenden Formen gibt es nicht.

Zu den Bildern. Vom angestrebten Ziel, alle Ausgaben mit Bildinformation anzureichern, ist der IISTC noch ein gutes Stück entfernt. Im Vergleich zur ersten Auflage der Datenbank stehen jetzt 20.000 Bilder aus 4000 Drucken den bisherigen 10.000 aus 2000 Ausgaben gegenüber. Die Bilder basieren auf Mikrofilmaufnahmen und illustrieren Schlüsselseiten. Bewußt sollen damit gerade nicht besonders attraktive Seiten aus herausragenden Exemplaren gezeigt werden.[14] Vielmehr sollte der eigentliche "Urzustand" des Druckes dokumentiert werden, in Anbetracht der Zielsetzung des Projektes sicher eine richtige Entscheidung. Nur für zur Zeit 36 Ausgaben wurden auch rund 50 Farbbilder aufgenommen. Einen Überblick erhält man durch die Eingabe colour in der Kategorie images. Zu den Schlüsselseiten gehören: die erste bedruckte Seite, ggf. eine Titelseite, Textbeginn (falls nicht identisch mit einer der vorhergehenden), erste Seite der zweiten Lage, Textende, ggf. Kolophon, Seite mit Druckermarke, ggf. zusätzlich die letzte bedruckte Seite.[15] Die Auswahl zeigt, daß die Bilder vor allem bei der Identifizierung von Drucken helfen sollen, also integraler Bestandteil der bibliographischen Beschreibung sind. Dafür reicht die Qualität aus, für mehr aber auch nicht.

Was im IISTC an Information geboten wird, ist - nicht zuletzt wegen der Bilder - mehr, als man von den meisten Short-title-Katalogen gewohnt ist, aber die Basis des Unternehmens ist und bleibt ein Zensus, der wiederum eine analytische Bibliographie nicht ersetzen kann. Die Grenzen des IISTC sind schnell erreicht, wenn es um die Ermittlung von Druckvarianten geht. Die extensive Berücksichtigung derartiger Feinheiten würde das Konzept der Kurztitelbeschreibung zweifellos ad absurdum führen, aber gerade die Details machen in der Beschäftigung mit den Frühdrucken oftmals die meiste Mühe. Es mag vielleicht allzu perfektionistisch klingen, aber auch die komfortabelsten Suchmöglichkeiten können ab einem gewissen Punkt nicht über strukturbedingte Vergröberungen in der Datenbank hinwegtäuschen. Ein Vergleich mit dem Gesamtkatalog der Wiegendrucke zeigt, daß bei weitem nicht alle Varianten in der Datenbank erfaßt sind, in zahlreichen Fällen wird nur auf Kataloge verwiesen, in denen Varianten verzeichnet sind. Das ist weniger vorwurfsvoll gemeint, als es klingt. Hier steht keineswegs das Konzept im ganzen in Frage, hier geht es nur um die Frage, was es leisten kann und was nicht. David McKitterick hat in einer Besprechung der Frau Hellinga gewidmeten Festschrift, zu der später noch etwas gesagt werden soll, sehr richtig ausgeführt, daß manche Erkenntnis zur frühen Druckgeschichte "depends on examination of multiple copies of books from the same edition, for it is only by discovering differences that concepts of uniformity can be understood".[16] Genau in dieser Frage gibt die Datenbank keine verläßliche Hilfestellung. Im Rahmen einer vollständigen Dokumentation von Ausgaben würde man sich wünschen, daß alle bereits bekannten Abweichungen auch innerhalb einer Ausgabe festgehalten werden. Solche Nuancen gehören noch nicht in die Kategorie der Exemplarbeschreibung, auf die man ja verzichten wollte und die nur Sache der Kataloge von Einzelbibliotheken sein kann. Sie hängen vielmehr immer noch mit der Herstellung des Drucks zusammen. Spätestens dann, wenn Seiten, auf denen Varianten vorkommen, als images dem Katalogisat beigegeben werden, wird das Problem akut. Wer also nach Beschreibungen und Belegen für Varianten sucht, wird der Mühe des Suchens in konventionellen Katalogen durch die Benutzung des IISTC nur manchmal, aber längst nicht grundsätzlich enthoben.

Wie andere Bibliotheken auch, benützt die Württembergische Landesbibliothek die ISTC-Titelaufnahmen als Basis für einen eigenen Inkunabelkatalog. Da es sich hierbei um ein noch relativ junges Unternehmen handelt, liegen allerdings noch nicht übermäßig viele Anmerkungen dazu vor.[17]

Es wäre zu wünschen, daß Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge in die Datenbank eingearbeitet werden könnten. Die Datenbank wird wegen der zunehmenden Menge an Besitznachweisen, wegen neu einzubindender Abbildungen und der Einarbeitung von neuen Katalogen und grundlegender Forschungsliteratur ohnehin regelmäßig aktualisiert werden müssen. Manche kleine Ungereimtheit kann dabei sicher in einem späteren Update noch ausgeräumt werden.[18]

Trotz einzelner kleiner Mängel ist der IISTC in seiner zweiten Auflage ein sehr nützliches und empfehlenswertes Arbeitsinstrument, das die Vielzahl von regionalen und lokalen Inkunabelkatalogen sinnvoll ergänzt. Sein größter Vorteil ist die schon fast erreichte Vollständigkeit in der Dokumentation. Ein langfristig vielleicht noch größerer Nutzen liegt in den strukturellen Vorteilen einer Datenbank, vor allem in den vergleichsweise unproblematischen Nachtrags- und Korrekturmöglichkeiten, auch wenn die Eigner von CD-ROMs nicht sofort in den Genuß dieser Vorzüge kommen werden. Trotzdem ist die Edition der Datenbank auch im jetzigen Zustand und auf CD-ROM richtig, obwohl sie noch eine "Baustelle" ist und noch lange bleiben wird.

Inkunabelsammlungen durch Kataloge zu erschließen, ist ein langwieriges, ständig durch mehr oder weniger kleine Fehler und Ungenauigkeiten und eine Unzahl von spezifischen Problemen erschwertes Geschäft. Sich gegenseitig zu korrigieren und zu ergänzen, gehörte schon immer dazu. Dafür ist notwendige Voraussetzung, das bibliographische Wissen Anderer zugänglich zu machen. Von einer breiten Nutzung der Datenbank in ihrem derzeitigen Zustand, von Hinweisen, Korrekturen und Ergänzungen profitieren am Ende die Betreiber genauso wie die interessierte Öffentlichkeit.

Zum Abschied von ihrem Amt in der British Library hat Lotte Hellinga eine von Martin Davies herausgegebene Festschrift erhalten, an der neben ihm 26 weitere Spezialisten der Inkunabelkunde mitgewirkt haben. Die Autoren stammen aus neun Ländern, was nicht nur eindrucksvoll das überragende Renommee der Gefeierten, sondern auch die Internationalität dieses Forschungsgebietes unter Beweis stellt. Die Beiträge sind desungeachtet durchweg auf englisch wiedergegeben.

Die Bandbreite der Themen ist groß. Studien zum frühen Buchdruck und einzelnen Büchern stehen neben Beiträgen über Bucheinbände; Berichte über Inkunabelsammler und Bibliotheken sind ebenso vertreten wie Beobachtungen zum antiquarischen Buchhandel bzw. zur Geschichte des Buchhandels. Eine Liste der Veröffentlichungen von Frau Hellinga und eine kurze Würdigung ihrer wissenschaftlichen Arbeit rahmen die Beiträge ein. Erfreulich, daß es für alle Beiträge ein gemeinsames Register gibt. Selbstverständlich wird dieser Band seine Leser fast ausschließlich im Kreis derjenigen finden, die selbst mit Frühdrucken zu tun haben. Die Beiträge verlangen z.T. die konzentrierte Auseinandersetzung mit bibliographischem und buchhistorischem Quellenmaterial, sind also trotz des verlockend allgemeinen Werktitels keine leichte Kost.

Joachim Migl


[1]
http://www.nd.edu/~italnet/Dante/ (zurück)
[2]
http://www.gutenbergdigital.de/ (zurück)
[3]
http://www.humi.keio.ac.jp/treasures/incunabula/B42-web/high-light/ index.html (zurück)
[4]
http://oa.umdl.umich.edu/ (zurück)
[5]
http://www.uni-mannheim.de/mateo/epo.html (zurück)
[6]
Begründet von Martin Bircher begann er 1977 zu erscheinen und liegt seit 1996 auch in einer Mikrofiche-Ausgabe vor; vgl. IFB 98-1/2-019 mit Hinweis auf frühere Rezensionen. Das problematische Alphabetischen Kurztitelverzeichnis wird noch in IFB besprochen. (zurück)
[7]
http://huygens.vd17.bsb.badw-muenchen.de/cgi-bin/webcon/vd17/vd17 vd17start (zurück)
[8]
Die Differenz erklärt sich daraus, daß ein Teil von früher als Inkunabeln angesehenen, inzwischen aber ins 16. Jahrhundert datierten Drucken traditionell nicht aus Inkunabelverzeichnissen verbannt wird. Das halten alle Kataloge so, und es hat angesichts der langen Geschichte der Inkunabelkatalogisierung auch seine Berechtigung. (zurück)
[9]
http://www.bl.uk/services/bsds/nbs/blaise/istc 1.html (zurück)
[10]
Erlaubt z.B. die Suche nach den Seiten, wo ein Text auf Seite 25, Blatt D1a in der Lagenzählung mit einem Kolophon endet. Ob das sinnvoll ist, wenn nur ein Teil der Drucke mit Bildern versehen ist, selbst wenn die Schlußseiten immer zu den digitalisierten Standardseiten gehören? (zurück)
[11]
Auch diese übrigens im Register über mehrere Stellen verteilt. (zurück)
[12]
Wenn man realisiert hat, daß das System ein Problem mit dem Umlaut ü hat. (zurück)
[13]
Eine Beschreibung dieser Suchoption findet sich im Handbuch auf S. 25 unter der Überschrift Naming conventions. Da das Handbuch leider nicht über ein Register verfügt, bleibt dem Hilfebedürftigen in Sachen Printing areas diese Stelle allerdings verborgen. (zurück)
[14]
Das ist ein völlig anderer Ansatz als der dem Münchner Digitalisierungsprojekt zugrunde liegende. Dort werden Inkunabelillustrationen hauptsächlich unter kunsthistorischen Gesichtspunkten und zum Zweck der Reproduktionsfähigkeit digitalisiert. Deshalb ist alles anders: Direktdigitalisierung, ggf. in Farbe mit einer hochwertigen Kamera, nur 6377 Seiten aus 76 Drucken in Masterqualität (45 MB bei Farbe), Verzicht auf Text usw. - Vgl. Inkunabeln im Internet / Marianne Dörr und Astrid Schoger. // In: Bibliotheksdienst. - 34 (2000), 2, S. 255 - 264, und http://mdz.bsb.badw-muenchen.de:6336/digbib/inkunabeln (zurück)
[15]
Die detaillierten Auswahlkriterien im Handbuch, S. 30. (zurück)
[16] Rezension in Times literary supplement. - 2000-02-25, S. 35. (zurück)
[17]
Zwei Fälle seien hier kurz referiert:
In der Aufnahme für GW 152, Franciscus de Accoltis, Super secunda parte Infortiati, 1492 sollte zumindest auf die von der Datenbank abweichende Druckerzuordnung aus den GW-Ergänzungen und Verbesserungen zu Bd. 1 hingewiesen werden (Philippus de Lavagnal statt Johannes Antonius de Honate).
Um einen echten Fehler handelt es sich bei der Beschreibung vom Conciliator differentiarum des Petrus de Abano, Venedig 1476 (Goff P-432): Mathaeus Silvaticus, De lapide begaar ex Pandectis ist in diesem Druck nicht enthalten, wie in der Kategorie Titel fälschlich angegeben. Ob sich der Fehler aus der Titelaufnahme für Arnoldus de Villa Nova, Mailand 1475 (Goff A-1069) eingeschlichen hat? (zurück)
[18]
Knapp 200 Inkunabeln der Württembergischen Landesbibliothek sind bisher mit dem Sigel Stuttgart LB im IISTC enthalten, während Bezüge auf die in Stuttgart aufbewahrten Frühdrucke in den Notes mit Württemberg LB ausgedrückt werden, z.B. Ident.-Nr. ia 00233000. (zurück)

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