Reinhard Dietrich, Die Landes-Verfaßung in dem Hanauischen. Die Stellung der Herren und Grafen in Hanau-Münzenberg aufgrund der archivalischen Quellen (=Hanauische Geschichtsblätter, Bd. 34). Hanau: Selbstverlag des Hanauer Geschichtsvereins 1996. 473 S.

Im Mittelpunkt dieser voluminösen juristischen Frankfurter Dissertation bei Gerhard Dilcher steht das Hausrecht der 1736 ausgestorbenen und von Hessen-Kassel beerbten Herren und (seit 1429) Grafen von Hanau bis zum 18. Jahrhundert. Quellengrundlage der soliden Arbeit ist das umfangreiche Archiv der Grafschaft Hanau im Staatsarchiv Marburg. 1458 teilte sich die Grafschaft in Hanau-Münzenberg - dieser Hauptlinie gilt vor allem das Interesse des Verfassers - und Hanau-Lichtenberg. 1642 übernahm aber Friedrich Kasimir von Hanau-Lichtenberg bzw. seine Vormundschaft die Regentschaft auch in Hanau-Münzenberg. Hanau-Lichtenberg besaß die rechtsrheinischen Ämter Lichtenau und Willstädt, weshalb die Studie indirekt auch einen willkommenen Beitrag zur südwestdeutschen Landesgeschichte leistet (zu Hanau-Lichtenberg vgl. J. Friedrich Battenberg, in: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte 2, 1995, S. 417-422).

In einem ersten Teil stellt Dietrich die Hauptquellen vor, insbesondere die Erbverträge (ab 1339) und Testamente. In wenig glücklicher Gliederung behandeln die weiteren Abschnitte die Erbfolgeregelungen des späten Mittelalters, die Vormundschaften, das Verhältnis zwischen Landesherren und Untertanen, also die Ständeproblematik, die Konfessionsstreitigkeiten im 16. und 17. Jahrhundert, die Auseinandersetzungen um die Primogenitur im gleichen Zeitraum sowie die Übernahme der Regierung durch Hessen-Kassel bis zur endgültigen Herstellung der Personalunion 1785. Besonders hervorgehoben sei die ausführliche Darstellung der Vormundschaftsregelungen und ihrer praktischen Umsetzung (S. 80-117, 161-172).

Ohne Zweifel hat der Autor einen materialgesättigten Beitrag sowohl zur Landesgeschichte als auch zur Geschichte des adeligen Familienrechts vorgelegt. Umfangreicher als die mit S. 217 schließende Darstellung ist der Anhang mit Literatur- und Quellenverzeichnis, Anmerkungen, Index der Personen und Sachen sowie 34 "Übersichten" (Tabellen, Schemata, Stemmata). Durch die Aufnahme von Kurzregesten nähert sich der Anmerkungsapparat streckenweise dem Charakter eines Findmittels zu wichtigen Dokumenten des Hanauer Archivs an. Leider vermißt man sowohl eine Karte als auch eine genealogische Übersicht. Darstellerische Schwächen sind nicht zu übersehen. Störend sind vor allem Wiederholungen und Mehrfachbehandlungen der gleichen Thematik, etwa der Regierung Friedrich Kasimirs (S. 19, 97-99, 130-139). In der Art eines Textbausteins sind die gleichen Formulierungen über das Gutachten der Kölner Juristenfakultät immer wieder in der Arbeit nachzulesen: S. 26, 56, 71, 157, 177f., 256 Anm. 44, 361 Anm. 190. In einer verfassungsgeschichtlichen Arbeit hätte man gern auch mehr über die Gerichtsverfassung und Rechtsentwicklung des Territoriums erfahren, wie überhaupt sich kein klares Bild von der Entstehung der Landesherrschaft der Hanauer aus den Ausführungen Dietrichs gewinnen läßt. Verfassung ist nun einmal nicht nur die Hausverfassung der regierenden Dynastie.

Trotzdem sei abschließend dankbar vermerkt, daß für ein wichtiges Territorium des Alten Reiches nunmehr eine Monographie konsultiert werden kann, die über die engere rechts- und verfassungsgeschichtliche Fragestellung hinaus eine Fülle von historischen Informationen bereitstellt.

Klaus Graf

Druckfassung erschienen in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 146 (1998), S. 679-680