Michael Bärmann und Eckart Conrad Lutz, Ritter Brunwart von Auggen - ein Minnesänger und seine Welt (=Literatur und Geschichte am Oberrhein, hrsg. v. Dieter Geuenich, Eckart Conrad Lutz und Volker Schupp Bd. 1), Freiburg im Breisgau: Schillinger Verlag GmbH 1987. 120 S., 56 Abb.

Vorliegendes wohlfeiles Bändchen, von den Autoren vollmundig als "Fallstudie zu einer regionalen Sozialgeschichte der Literatur" (S. 8) angepriesen, bietet in üppiger Aufmachung sowohl einem wissenschaftlichen Publikum als auch dem interessierten Laien die mustergültige Aufarbeitung des archivalischen, literarischen und rezeptionsgeschichtlichen Materials zu einem oberrheinischen Minnelyriker. Ritter Johannes Brunwart von Auggen lebte zwischen 1250 und 1300 als Bürger und Schultheiß des kleinen Städtchens Neuenburg am Rhein. Von ihm sind fünf ganz konventionelle Minnelieder in der bekannten Manessischen Handschrift überliefert, die abgedruckt und eingehend interpretiert werden. Außerdem erfährt man einiges über das löbliche Konzept einer regionalen Literaturgeschichte, das der neueröffneten Reihe zugrundeliegt, sowie über die Rezeption des Minnesanges seit der Romantik im allgemeinen und - am Beispiel Brunwarts - im besonderen.

Den Historiker interessiert vor allem die von Michael Bärmann erarbeitete Interpretation der 24 (statt bisher 12) zu Johann Brunwart ermittelten Lebenszeugnisse, d.h. ihre Einbettung in die Geschichte der Hochrheinstadt Neuenburg in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die von Auseinandersetzungen um die Stadtherrschaft zwischen dem Bischof von Basel und den Grafen von Freiburg geprägt war (S. 37-68). Die Darstellung ist im großen und ganzen verläßlich, auch wenn man sich des öfteren fragt, ob die Aussagekraft des doch recht spröden Materials nicht etwas überschätzt wird. Nützlich sind die 66 Kurzregesten behandelter Urkunden mit (leider nicht immer vollständiger) Wiedergabe der Zeugenlisten, auch wenn etliche Inkonsequenzen zu bemängeln sind. Stichprobenhafte Nachprüfung der Nrr. 20-22 zeigte, daß die Wiedergabe der Zeugenlisten teilweise unzuverlässig ist. Dies betrifft nicht nur die ärgerliche Angewohnheit, die deklinierten Namensformen stillschweigend zu ändern (man vergleiche Abb. 56 bzw. den Druck S. 112 mit Regest 50). In Regest 2 ist übersehen worden, daß die "Chronik von Bürgeln" besser in der Handschrift Generallandesarchiv 65/139 überliefert ist und bei Rustenus Heer, Anonymus Murensis denudatus ..., Freiburg 1755 (die angezogene Stelle dort S. 382f.) gedruckt vorliegt. Gründlichere Suche in den Karlsruher Beständen hätte auch die Belege zu dem Laufenburger Bürger Konrad Brunwart vermehren können, wie jetzt das Register des von C. Bosshart u.a. bearbeiteten Repertoriums schweizergeschichtlicher Quellen im Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. II: Säckingen, Zürich 1986 zeigt.

Trotz dieser kleineren Beanstandungen ist jedem mittelalterlichen Autor zu wünschen, daß er eine so detaillierte, die historischen Quellen weit umsichtiger, als in der Germanistik bis in die jüngste Zeit üblich, heranziehende Erörterung seiner Lebenszeugnisse erfährt.

Klaus Graf

Druckfassung erschienen in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 136 (1988), S. 515