Hermann Ehmer, Der Gleißende Wolf von Wunnenstein. Herkunft, Karriere und Nachleben eines spätmittelalterlichen Adeligen. (Forschungen aus Württembergisch Franken Bd. 38), Sigmaringen 1991: Jan Thorbecke Verlag 1991. 256 S. mit 50 Abb.

Hätte man im letzten Jahrhundert einen württembergischen Pfarrer oder Lehrer nach dem "Gleißenden Wolf von Wunnenstein" gefragt, so hätte dieser sicher auf den 1815 entstandenen Balladenzyklus "Graf Eberhard der Rauschebart" von Ludwig Uhland verwiesen. Der Gleißende Wolf besaß dank der dichterischen Gestaltungskraft Uhlands einen Ehrenplatz in der "vaterländischen" Geschichte des 14. Jahrhunderts. Hermann Ehmer, Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Stuttgart, hat über Leben und Nachleben des Adeligen ein Buch geschrieben, das über den Kreis der Fachleute hinaus Aufmerksamkeit verdient. Indem Ehmer das Bild des Gleißenden Wolfs von den "vielfältigen Übermalungen" (S. 96) des Nachruhms reinigt, zugleich aber die später angebrachten Malschichten als historische Dokumente ernstnimmt, leistet er einen bemerkenswerten Beitrag zur Erforschung des spätmittelalterlichen Niederadels einerseits und der historischen Traditionsbildung andererseits.

Wolf von Wunnenstein genannt der Gleißende Wolf (+ 1413) entstammte einer bis dahin wenig bedeutenden niederadeligen Familie, die sich nach der Burg Wunnenstein nördlich von Großbottwar nannte. Ehmer stellt Wolfs Familie ausführlich vor, bevor er auf seinen eigentlichen "Helden" zu sprechen kommt, dessen Leben in exemplarischer Weise zeittypische Züge bündelt. Mit einem Paukenschlag erscheint Wolf 1367 auf der politischen Bühne, als er als Verbündeter der Grafen von Eberstein an dem spektakulären Überfall auf Graf Eberhard von Württemberg und seinen Sohn im Wildbad beteiligt war. Wolf hat wohl aus dem mißglückten Abenteuer gelernt und hielt sich fortan, anders als die meisten seiner Standesgenossen, an die Fürsten, die er militärisch als Söldner, aber auch finanziell als Gläubiger unterstützte. Etliche Streitigkeiten und Fehden mit den Reichsstädten zeigen ihn als typischen Städtefeind. Nach württembergischen Chronisten des 16. Jahrhunderts soll er an der Schlacht von Döffingen 1388, die mit einer Niederlage der Städte endete, teilgenommen haben. Hier findet sich auch die Anekdote, daß Wolf auf dem Heimritt nach der Schlacht seine Fehde mit dem Grafen von Württemberg, auf dessen Seite er gekämpft hatte, durch einen Überfall auf das Vieh württembergischer Bauern wiederaufgenommen habe. Als diese sich bei ihrem Landesherrn beklagten, habe Eberhard nur lachend erwidert: "Das alt Wölflein hat sich wieder einmal ein Kochfleisch geholt".

Bei der Darstellung des Nachlebens des "Raubritters" Wolf von Wunnenstein nimmt die Umgestaltung des Wunnensteins zu einem "vaterländischen Denkmal" den größten Raum ein. Bereits 1819 erschien ein Wunnensteinführer, 1841 wurde eine Warte auf dem Wunnenstein errichtet. Das Gedenkjahr an die Schlacht von Döffingen 1888 ließ die etwas abgeklungene Begeisterung für den Wunnenstein wiederaufleben und führte zur Erbauung eines Aussichtsturms. Ausführlich werden auch die "Wunnenstein-Sagen" behandelt. Daß es sich dabei zuallererst um literarische Produkte des 19. Jahrhunderts handelt, hätte Ehmer vielleicht doch etwas deutlicher herausstellen sollen. Wenn auch im "Volk" lokale Überlieferungen über den Gleißenden Wolf lebendig waren, so würde ich dies eher auf die romantischen Bestrebungen des Bildungsbürgertums zurückführen.

Ehmers gut lesbare Darstellung kann reinen Gewissens allen landesgeschichtlich Interessierten empfohlen werden.

Klaus Graf

Druckfassung erschienen in: Schwäbische Heimat 43 (1992), S. 301